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muss die Curve werden, desto mehr muss sie sich daher der geraden Linie nähern, und die Möglichkeit eines wirksamen Kreuzfeuers nimmt ab.

Dass aber unter gewissen Bedingungen forcirte Uebergänge auch an gerade laufenden Flussstrecken möglich sind, beweist nebst anderen der Uebergang bei Lodi 1796.

In ihrem mittleren und unteren Laufe werden aber Flüsse meist von Auen oder Gehölzen begleitet und es wird sich der Zweck des Feuers vom diesseitigen Ufer in den meisten Fällen darauf beschränken, das jenseitige Ufer vom Feinde zu säubern.

Das Feuer des Angreifers muss nothwendig eingestellt werden, sobald seine Truppen vordringen.

In der Wirklichkeit wird es sich daher hauptsächlich darum handeln, dass das diesseitige Ufer so gestaltet sei, dass sowohl die Truppen als das Uebergangs-Material bis zum Beginne des Ueberganges verdeckt bleiben können.

Zu diesem Zwecke eignen sich am besten kleine Gehölze, tiefe Terrain-Falten, grössere Gehöfte, Ortschaften, welche nahe am Uferrande liegen.

Nebenflüsse, wenn sie sich oberhalb der Uebergangsstelle in den zu übersetzenden Fluss ergiessen, eignen sich allerdings vorzüglich zur gedeckten Sammlung und gesicherten Aufstellung der Uebergangsmittel, doch sind dieselben, besonders die kleineren, an ihren Mündungen meist so versandet, dass das Hinausschaffen der Uebergangsmittel sehr schwierig und zeitraubend wird. Anderseits ist ihre Lage höchst selten im Einklange mit den übrigen Bedingungen. Es kommen daher in der Kriegsgeschichte höchst selten Beispiele von deren Benützung vor. Eine der kühnsten und gelungensten Unternehmungen dieser Art war der Uebergang des spanischen. Generals Gages 1746 über den Po.

Die Spanier hatten im Lambro 68 Fahrzeuge zu Brückengliedern verbunden, fuhren damit aus dem Lambro heraus und landeten am rechten Ufer des Po oberhalb Piacenza. Die ausgeschifften Truppen vertrieben den Vertheidiger des Flusses und schlugen mit den Gliedern, auf denen sie die Fahrt gemacht hatten, zwei Brücken. Nur die Unaufmerksamkeit und die schlechten Anstalten des Vertheidigers liessen dieses Unternehmen gelingen.

Besser benützbar für diesen Zweck erscheinen Nebenarme und Insel-Gruppen.

Die letzteren haben aber auch nur dann Bedeutung, wenn sie keiner Inundation ausgesetzt sind und die Ansammlung grösserer Streitkräfte gestatten.

Derartige Gruppirungen werden sich selten vorfinden. Die Kriegsgeschichte hat hiefür nur Ein Beispiel im grösseren Style: Napoleon's ersten und zweiten Donau-Uebergang 1809.

Oertlichkeiten am jenseitigen Ufer haben für den Angreifer nur dann Vortheile, wenn sie nicht am Uferrande, sondern so gelegen sind, dass sie das Debouchiren der übersetzten Truppen nicht hindern, die Uebersicht am jenseitigen Ufer nicht beeinträchtigen, und wenn dieselben noch vor Eintreffen des Vertheidigers kräftig besetzt werden können. Z. B. Aspern und Esslingen 1809.

So nützlich Nebenflüsse am diesseitigen Ufer werden können, so schädlich sind sie am jenseitigen Ufer oberhalb der Brückenschlagstelle, weil sie dem Vertheidiger die Gelegenheit zur Ansammlung von Zerstörungsmitteln bieten.

Ich komme nun zur Erörterung der technischen Bedingungen für die Uebergangsstelle.

Für Truppen-Uebergänge im grösseren Style muss die Wahl stets auf eine Stelle fallen, welche sowohl das Ueberschiffen als auch das Ueberbrücken, und zwar wenn möglich beide Uebergangsarten gleichzeitig ohne zu besorgende Störung der einen durch die andere zulässt.

Für Ueberschiffungen ist eine geringe Flussbreite von Vortheil, für gewisse Ueberschiffungsformen, wie z. B. Fähren, Roll-Ufer etc., sogar Bedingung.

Hat der Fluss eine mässige Geschwindigkeit, wächst dieselbe auch bei höherem Wasserstande nicht bedeutend, so sind schmale Flussstellen auch für Brücken vorzuziehen.

Ist die Strömung beim normalen Wasserstande jedoch schon eine grössere, so sind, weil unter sonst gleichen Umständen die Wassergeschwindigkeit mit der Breite des Gewässers im verkehrten Verhältnisse steht, schmale Flussstrecken nicht zu wählen, weil ein oft geringes Steigen des Wassers schon zur Aufhebung der Verbindungen nöthigen kann').

1) General Suchy versuchte im Jahre 1796 über den Po bei Sacca eine Brücke zu schlagen, welche ungeachtet aller Anstrengungen der Pontonniere nicht zu Stande gebracht werden konnte, weil die gewählte Stelle die engste, und daher die Geschwindigkeit so gross war, dass die Schiffe im Stromstrich nicht erhalten werden konnten.

Sobald man sich aber entschlossen hatte, eine breitere Stelle nur einige hundert Schritte unterhalb, gegenüber Colorno zu wählen, ging der Brückenschlag ohne den mindesten Aufenthalt vor sich. In demselben Jahre und im Feldzuge 1813 schlugen die Franzosen bei Borgoforte über den dort eingeengten Po eine Brücke, die sie nur bei niedrigem Wasserstande erhielten, beim Steigen des Wassers die Verbindung aber dadurch aufrecht erhielten, dass sie nach Wegnahme der Schiffe im Stromstrich eine fliegende Brücke zwischen den gebliebenen Brückentheilen herstellten.

Die Uferränder sollen fest und scharf bezeichnet sein und an ihnen eine solche Wassertiefe sich vorfinden, dass die belasteten Fahrzeuge sich möglichst nahe dem Ufer nähern können.

Sumpfige Uferstellen sind zu meiden, denn selbst ein Bach mit sumpfigen Ufern ist oft ein viel schwerer zu bewältigendes Hinderniss als ein ebenso breiter Fluss. Sehr schwierig in dieser Beziehung gestalten sich die Uebergänge über die Flüsse in Russisch-Polen und Süd-Russland -namentlich im letzteren, weil dort weder Holz noch Stein als Nothmaterial zu finden ist.

Eine Uferhöhe von 5 bis 6 erscheint als die zweckmässigste. Bei der Beurtheilung der Uferhöhe ist immer der Wasserstand, der Charakter des Flusses und die beiläufige Dauer der Unterhaltung des Ueberganges in Betracht zu ziehen.

Uferdämme sind, wenn sie hoch sind, dem Ein- und Ausschiffen hinderlich, für die Anlage von Brücken wird man bei hohen Dämmen Ueberfuhr-Rampen benützen müssen.

Sowohl für das Ueberschiffen als Ueberbrücken ist es von wesentlichem Vortheile, dass die Uferlinien nicht bedeutend von einander divergiren, daher der Stromstrich ungetheilt sei und sich in dem Flussbette keine Untiefen und Sandbänke vorfinden.

Nur wenn diese Verhältnisse auf einer grösseren Strecke vorwalten, kann man eine grössere Menge von Fahrzeugen längs des Ufers aufstellen und so stärkere Infanterie-Abtheilungen gleichzeitig ohne Verzögerung auf das jenseitige Ufer bringen. Diese Bedingung ist aber dann unerlässlich, wenn der Gegner vom Uferrande zu vertreiben ist.

Diese Verhältnisse finden sich aber nur in geraden Strecken; in den Krümmungen treten ganz andere Verhältnisse auf.

Die Wassertiefe ist am convexen Theil stets gering, am eingehenden meist bedeutend. Je grösser die Krümmung, desto grösser der Unterschied der Tiefen an den beiden Ufern.

Das concave Ufer, meist brüchig und steil, zwingt zu grossen Abgrabungen, oft zu noch mehr zeitraubenden Uferversicherungen.

Das convexe Ufer, sehr flach, meist aus weichem Flusssande bestehend, zwingt zu oft bedeutenden Verlängerungen der Brücke, welche immer schwierig auszuführen sind, wenn stehende Unterlagen auf schwimmende folgen müssen.

Bei Veränderungen des Wasserstandes wird man zu Auswechslungen der Unterlagen gezwungen, und daher zur zeitweiligen Unterbrechung

des Ueberganges, bei zunehmendem Wasserstande aber kann man durch ein solches Fluss-Profil zu einer ganz bedeutenden Verlängerung der Brücke gezwungen werden.

Die mittlere Geschwindigkeit ist in Flusskrümmungen geringer als in geraden Strecken, dafür ist sie aber in dem Stromstriche um so stärker.

In technischer Beziehung sind daher Flusskrümmungen für die Herstellung von Uebergängen nicht günstig und ist der Anlage von Brücken dort nur dann beizustimmen, wenn die sonstigen Terrain-Verhältnisse bedeutende tactische Vortheile bieten.

Inseln gewähren bei breiten und stark stömenden Flüssen auch in technischer Beziehung grosse Vortheile. Die Wassergeschwindigkeit ist dort, wo der Fluss sich in Arme theilt, eine geringere, die Stabilität von Schiffbrücken ist bei kürzeren Brücken grösser als bei längeren, weil die Schwankungen durch die Verkürzung der Brückenlänge vermindert werden.

Die weiteren Vortheile habe ich schon bei der Erörterung der tactischen Vortheile der Insel-Gruppen erwähnt.

Geringe Wassergeschwindigkeit verzögert, grössere beschleunigt den Brückenbau. Flüsse von schnell wechselnder Wassergeschwindigkeit sind hiefür besonders gefährlich. Es ist daher den Veränderungen des Wasserstandes, weil hievon die Geschwindigkeit abhängt, das grösste Augenmerk zu schenken und bildet diese Beobachtung eine der schwierigsten und wichtigsten Aufgaben des Pionnier-Officiers.

Nur eine genaue Kenntniss des Charakters des Flusses und des Quellengebietes, eine gründliche Erwägung der Jahreszeit, der klimatischen und Witterungsverhältnisse, die sorgfältigsten Nachfragen bei den Anwohnern des Flusses, langjährige Erfahrungen und ein durch selbe geübter Blick können in dieser Beziehung zu einem annähernd richtigen Urtheile führen.

Lassen die Verhältnisse mit Sicherheit voraussehen, dass während der Dauer des Ueberganges ein solcher Wasserstand eintreten werde, welcher die Erhaltung der Brücke unmöglich macht, so ist es, wenn keine andere Rückzugslinie als nur diese Brücke vorhanden ist, jedenfalls besser, den Uebergang aufzuschieben. Dieser Aufschub wird sich höchstens auf einen oder zwei Tage erstrecken, da Gewässer, welche rapid steigen, ebenso wieder fallen.

Den Uebergang aber unter jeder Bedingung durchzuführen, weil eben der vermeintlich richtige Zeitpunct in strategischer und tactischer

Beziehung vorhanden ist, kann von verderblichen Folgen werden, wie dies der erste Donau-Uebergang Napoleon's 1809 beweist 1).

Schlechter Ankergrund, namentlich Felsen, macht Heftung vom Lande aus nöthig und beschränkt die grösste zulässige Länge der Brücke auf 60°. Weiters sind Plätze zur Abladung des Materials und Aufstellung des Parks nothwendig.

Sind die vorangeführten Bedingungen in technischer Beziehung nicht vorhanden, so wächst der Bedarf an Zeit, Material und Kräften für die Herstellung des Ueberganges in einem sehr bedeutenden Verhältnisse und es kann derselbe nur durch eine sehr genaue und fachgemässe Berechnung hergestellt werden. Ich bemerke ausdrücklich, fachmännische Berechnung, weil sich hier eine Menge von Nebenumständen ergeben, die dem Laien unbekannt, und wenn bekannt, auch nebensächlich erscheinen, in der Wirklichkeit aber viele Stunden erfordern, um sie zu bewältigen.

Ich gehe nun zur Erörterung über, wie Uebergänge durchzu

führen sind.

Wir besitzen hiefür zwei Hauptformen: Ueberschiffen und Ueberbrücken.

1) Ebenso wäre der Po-Uebergang am 4. Mai 1859 bei Cornale besser verschoben worden, weil der Po noch während des Ueberganges des 8. Armee-Corps derart im Steigen war, dass die Brücke am rechten Ufer um vier Felder verlängert werden musste.

Das Wasser stieg fort so rapid, dass man endlich die halbe Geschütz-Reserve des Corps nicht mehr die Brücke passiren lassen konnte.

Trotz aller Aufmerksamkeit der Brückenbereitschaft und der Ankerwachen trieb in der finsteren, regnerischen Nacht vom 4. zum 5. Mai plötzlich eine vereinigte Masse von Baumstämmen und Schiffen gegen die Brücke und sprengte dieselbe an beiden Ufern.

Am 5. Mai Morgens war der Po schon um 13' gestiegen und unter solchen Verhältnissen keine Möglichkeit vorhanden, die in der Nacht zerstörte Brücke wieder herzustellen; das 8. Armee-Corps war dadurch auf dem rechten Po-Ufer abgeschnitten in einer sehr bedenklichen Lage. Dazu war der Colonnen-Weg am linken Ufer und die über einen kleinen Arm dort führende Jochbrücke der Art überschwemmt, so dass man nur mit Schiffen zur Brückenschlagstelle gelangen konnte.

Unter unsäglicher Mühe und Beschwerden gelang es, das Material der zerstörten Brücke am 5. Mai zu sammeln, am 6. Mai, nachdem der Po schon um 4' gefallen war, wurde die schon erwähnte Jochbrücke mit einer Bockbrücke aus KriegsbrückenMaterial überbrückt und sodann der Brückenschlag über den Po trotz einer Geschwindigkeit von nahezu 10' in der Secunde in Angriff genommen und um 1/2 Uhr Nachmittags vollendet.

Das 8. Armee-Corps wurde zurückgezogen, die Verhältnisse hatten sich mittlerweile total geändert.

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