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ob die anderen Gewerbe einer verhältnissmässigen Besteuerung schon unterliegen oder unterworfen werden sollen, da diese der Gleichheit halber nur dann auch dem landwirthschaftlichen Gewerbe auferlegt werden kann, sowie inwieweit der hiemit verbundene Aufwand in angemessenem Verhältniss zu dem hiedurch zu erzielenden Vortheil stehe, in Beziehung auf diesen aber noch ganz allgemein zu beachten, dass solcher nicht allein in der Beiziehung eines der Besteuerung bisher ganz oder doch grossen Theils entgangenen Einkommenszweiges zu dieser, sondern auch noch in der Vervollkommnung der Grundlagen der Grundrentebesteuerung, allenthalben des wichtigsten Theiles des direkten Steuersystemes, besteht, und diess, Angesichts der vielfach hohen Steigerung der Steueransprüche im Kreise der Gegenwart, und der nothwendigen Verstärkung ihres Drucks durch eine ungleiche Vertheilung derselben, die höchste Beachtung verdient.

In der That ist es auch dieses letztere Verhältniss, und der hiedurch hervorgerufene Wunsch, einen Beitrag zu dem wichtigen Problem einer gleichmässigeren Vertheilung der schwer angehäuften Steuerlast zu liefern, und nicht der, Wege zu einer leichteren Vermehrung der letzteren zu zeigen, was zu vorstehender wie zu früher hier angestellten Untersuchungen über Fragen der Besteuerung Veranlassung gegeben hat.

Ueber die Gültigkeit der mit dem Landtag im Fürstenthum

Reuss j. L.

in der Zeit vom 5. Mai 1852 bis 4. November 1853

von der Staatsregierung vereinbarten und erlassenen Gesetze

und über die Mittel zur Wiederaufhebung
derselben.

Von Dr. A. Vollert in Weimar.

I. Darstellung des Sachverhältnisses.

Unter dem 30. November 1849 wurde im Fürstenthume Reuss j. L. ein Staatsgrundgesetz publicirt, welches der Volksvertretung eine Mitwirkung bei der Gesetzgebung dahin einräumt, dass ohne ihre Zustimmung ein Gesetz weder erlassen, noch aufgehoben, noch abgeändert, noch authentisch interpretirt werden soll.

Das unter demselben Tage erlassene Wahlgesetz, ein integrirender Theil des Staatsgrundgesetzes, bestimmt, dass die Volksvertretung aus 19 Abgeordneten auf je 4000 Seelen bestehen soll, welche aus directen Wahlen

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1 Abgeordneter
hervorgehen und auf 2 Jahre gewählt werden.

Mittelst Ausschreibens vom 13. October 1851 wurde der erste ordentliche Landtag des Fürstenthums zusammenberufen, um in Gemeinschaft mit der Staatsregierung über Revision des Staatsgrundgesetzes vom 30. November 1849 und des dazu gehörigen Wahlgesetzes zu berathen.

Gültigkeit der 1852 bis 1853 im Fürst. Reuss j. L. erlassenen Gesetze. 339

Am 10. November 1851 ist der Landtag eröffnet und mit demselben ein revidirtes Staatsgrundgesetz und ein als integrirender Theil dazu gehöriges neues Wahlgesetz verabschiedet worden.

Beide Gesetze, datirt vom 14. April 1852, wurden am 5. Mai 1852 in der Gesetzsammlung des Fürstenthums publicirt. Beide Gesetze sind vom regierenden Fürsten unterzeichnet, von einem Minister gegengezeichnet, in beiden ist erwähnt, dass die Volksvertretung zu ihnen die verfassungsmässige Zustimmung erklärt habe.

Das Staatsgrundgesetz vom 14. April 1852 beginnt so: „nachdem in Folge der seit Publication des Staatsgrundgesetzes vom 30. November 1849 eingetretenen Veränderungen in den öffentlichen Verhältnissen des deutschen Gesammtvaterlandes sich eine Revision des erwähnten Grundgesetzes nöthig gemacht hat, und nachdem dieselbe in Uebereinstimmung mit dem am 10. November vorigen Jahres eröffneten, ersten, ordentlichen Landtage vorgenommen worden ist, so verkünden Wir unter ausdrücklicher Wiederaufhebung des gedachten Verfassungsgesetzes vom 30. November 1849 das auf Grund der desshalb gepflogenen Verhandlungen vereinbarte neue Staatsgrundgesetz wie folgt etc."

Weiter heisst es:

$ 50. Die Rechte des Volkes werden durch freigewählte Abgeordnete ohne Unterschied des Standes vertreten.""

§ 51. „Die Wahlen erfolgen nach Maassgabe des unter A. beigedruckten Wahlgesetzes."

$ 54. „Der Volksvertretung stehen im Allgemeinen folgende Rechte zu:

S 63.

a. die Mitwirkung bei der Besteuerung, insbesondere das Recht der Steuerbewilligung;

b. die Mitwirkung bei der Ordnung des Staatshaushaltes, sowie

c. bei der Gesetzgebung;

d. das Recht des Gesetzesvorschlags, der Beschwerde, der Adresse, sowie der Anklage der Minister."

"

Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch

den Fürsten und die Landesvertretung ausgeübt.

Die Uebereinstimmung des Fürsten und des Landtags ist zu jedem Gesetze erforderlich.“

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$80. Die der Volksvertretung zustehenden Rechte werden etc. ausschliessend von derselben im Landtage ausgeübt." $ 81. „Der Landtag soll regelmässig alle drei Jahre im Monat October und ausserdem, so oft es zur Erledigung dringender und wichtiger Landesangelegenheiten von der Staatsregierung, sei es nach eigenem Ermessen, sei es auf Antrag der Volksvertretung für nöthig befunden wird, einberufen werden." S 97. Dem Fürsten steht das Recht zu, den Landtag unter Angabe der Gründe zu vertagen oder aufzulösen.

Im Falle der Auflösung erlischt das Mandat der sämmtlichen Abgeordneten von selbst."

$ 102. „Das gegenwärtige Verfassungsgesetz ist für alle Landesangehörige nach seiner Verkündigung durch den Landesfürsten verbindlich."

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Wir werden dieses Staatsgrundgesetz im Ganzen, wie in seinen einzelnen Theilen treu und gewissenhaft beobachten, gegen alle Eingriffe und Verletzungen nach Kräften schützen und weisen Unsere Behörden und Diener an, demselben unverbrüchlich nachzuleben. Schleiz den 14. April 1852."

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Das Wahlgesetz von demselben Tage sagt im Eingange:

,, da die Erfahrung gelehrt hat, dass das dem Wahlgesetze vom 30. November 1849 zum Grunde liegende System allgemeiner, directer Wahlen ohne Census und ständische Gliederungen nicht ausreichend ist, um allen Trägern der öffentlichen Wohlfahrt Gelegenheit zu geben, ihre Stimme bei den Berathungen der Vertreter des Landes geltend zu machen, so haben Wir in Uebereinstimmung mit dem ersten ordentlichen Landtage beschlossen, das erwähnte Wahlgesetz aufzuheben und wegen der Zusammensetzung und der Wahl der Landesvertretung Folgendes zu verordnen" etc.

Das Wahlgesetz bestimmt, dass die Zahl der Landesvertreter auf 19 festgesetzt sein und dass 4 durch directe Wahlen derjenigen Grundbesitzer, welche mindestens 124 Morgen. Acker

land, Garten oder Wiese besitzen, die übrigen 15 aber durch indirecte Wahlen hervorgehen und auf 3 Jahre gewählt werden sollen.

Die Erwartung, dass der Landtag nach Publication des neuen Staatsgrund- und Wahlgesetzes aufgelöst und dass Neuwahlen angeordnet werden würden, erfüllte sich nicht, vielmehr blieb der alte Landtag auch nach erfolgter Publication jener Gesetze, nach dem 5. Mai 1852, in Thätigkeit.

Am 31. März 1852 wurde er vertagt, am 12. Mai 1852 aber wieder zusammenberufen, am 25. Juni 1852 wieder vertagt, aber am 5. Mai 1853 wieder einberufen, am 13. desselben Monats noch einmal vertagt, am 14. September 1853 noch einmal einberufen, und endlich am 4. November 1853 aufgelöst.

Vielfach hat der Landtag während seines Zusammenseins in der Zeit vom 5. Mai 1852 bis 4. November 1853 die der Volksvertretung nach § 54 des Staatsgrundgesetzes vom 14. April 1852 zustehenden Rechte ausgeübt.

Unter der Mitwirkung dieses, in Gemässheit des Wahlgesetzes vom 30. November 1849 zusammengesetzten Landtags sind nach dem 5. Mai 1852 eine Reihe wichtiger Gesetze und Verordnungen berathen resp. verabschiedet und publicirt worden, von denen hier nur folgende genannt werden sollen: . 1) Gesetz, die Regelung der Presse betr., vom 5. Juli 1852. 2) Gesetz, das Vereins- und Versammlungsrecht betr., vom 5. Juli 1852.

3) Gesetz über die Gewerbe- und Personalsteuer v. 1. Juli 1852. 4) Verordnung, betr. den Organismus der Verwaltungsbehörden vom 19. Juli 1852.

5) Firma- und Procura ordnung vom 2. August 1852.

6) Gesetz über die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit vom 4. December 1852.

7) Gesetz, die Organisation der Justizbehörden betr., vom 4. December 1852.

8) Gesetz über den Civilstaatsdienst vom 16. Juni 1853. 9) Gesetz wegen Aufhebung des Lehensverbandes vom 28. Juli 1853.

10) Gesetz über die Intestaterbfolge vom 10. December 1853.

Zeitschr. für Staatsw. 1854. 2s Heft.

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