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Clausel dispensiren können. Sobald König und Cortes in verfassungsmässiger Form übereingekommen sind, können sie jede Bestimmung der Grundgesetze ausser Kraft setzen. Für die Berechtigung, von dieser grundgesetzlichen Bestimmung zu dispensiren, ist der Präcedenzfall vom Jahre 1679 nicht ohne Wichtigkeit.

Nachgeborene Prinzen fremder Fürstenhäuser, die nicht zur Souveränität gelangen, können übrigens durch Naturalisationspatente dem portugiesischen Volke völlig einverleibt werden, wie es mit den beiden fürstlichen Gemahlen der Königin geschah.

Nach erfolgter Zustimmung der Cortes war daher die Ehe der Königin mit dem Prinzen von Sachsen-Coburg vom Standpunkt des portugiesischen Staatsrechts unanfechtbar. Herzog Ferdinand erlangte nach der Bestimmung der Cortes von Lamego und der Charte von 1826 gleichzeitig mit der Geburt des Thronfolgers den Titel „König von Portugal", ohne dadurch mit bestimmten Rechten an der Regierungsgewalt betheiligt zu werden. Der Art. 89 der Charte:

„Kein Fremder kann in der Krone von Portugal nach

folgen"

ist natürlich auf Dom Pedro V. unanwendbar. Dieser Prinz, Sohn einer portugiesischen Königin, aus einer mit Einstimmung der Cortes geschlossenen Ehe und in Portugal geboren, ist ein Portugiese und ein ächter Sprössling des Hauses Braganza.

Hier weicht freilich die deutsche Anschauungsweise von der portugiesischen völlig ab, indem nach deutscher Ansicht die Continuität einer fürstlichen Familie nur durch den Mannsstamm bewahrt wird. Eine Consequenz der deutschen agnatischen Thronfolge, bei welcher selbst entfernte Agnaten die Töchter des letzten Herrschers ausschliessen, ist der Satz: „per foeminam rumpitur linea paterna." Mit dem letzten Sprössling des Mannsstammes sehen wir eine Dynastie für erloschen an; die dann nach subsidiärem Thronfolgerecht etwa eintretenden Cognaten bilden, nach unserer Auffassungsweise, eine neue Dynastie ').

1) In mehreren deutschen Staaten haben die Weiber und Cognaten nicht einmal ein eventuelles Erbfolgerecht, so z. B. in Preussen (Verfassungsur

Dagegen wird als eine nothwendige Consequenz der cognatischen Thronfolge, welche seit ältester Zeit, als ein tief in das Volksbewusstsein eingedrungener Rechtssatz in England, Spanien und Portugal gilt, in diesen Ländern die rechtliche Anschauung festgehalten, dass auch durch Prinzessinnen, also durch cognatische Succession, die Continuität der Familie erhalten werden kann.

Wie eine Uebertragung unserer Anschauungsweise auf fremde Reiche hier zu verkehrten Folgerungen führt, zeigt z. B. die Behauptung, dass Philipp V. in Spanien Stifter einer neuen Dynastie geworden sei, eine Behauptung, wodurch man seine Berechtigung zur Einführung einer neuen Thronfolge besser begründen wollte. Philipp V. stieg nicht als Bourbon, sondern als Descendent einer spanischen Infantin auf den Thron. Nur der Deutsche und der Franzose beginnt mit ihm eine neue Dynastie, nicht der Spanier, welcher in ihm nur den Sprössling seines Königshauses, den Enkel der Infantin Maria Theresia sieht. Ebensowenig denkt jemand in England daran, dass mit dem Ableben der jetzt regierendeu Königin ein neues Haus den englischen Königsthron besteigen wird. In dem Prinzen von Wales vergisst der Engländer den Herzog von Sachsen.

So kann, staatsrechtlich genommen, auch in Portugal nur die mit der cognatischen Thronfolge nothwendig verbundene Auffassung entscheiden, welche in Dom Pedro V. den Sprössling Affonso's I. des Eroberers und den ächten Sohn des Hauses Braganza sieht. Wir Deutschen aber begrüssen freudig einen jungen Sachsenherzog auf dem alten Thron Dom Manuels des Grossen.

kunde Art. 53), in den sächsischen Herzogthümern Weimar, Meiningen, Coburg und Altenburg, ferner in Mecklenburg und Oldenburg. Dieses System ist auch das französische, schwedische, belgische. Darnach kann man in den europäischen Erbmonarchien drei Systeme unterscheiden: a) das exclusiv agnatische, b) das in Deutschland vorherrschende, wo zwar der ganze Mannsstamm die Frauen ausschliesst, wo aber nach Erlöschen des Mannsstammes das eventuelle Successionsrecht des Weibsstammes anerkannt ist, und c) die cognatische Thronfolge in England, Spanien und Portugal, wornach die Frauen nur von den männlichen Gliedern derselben Parentel ausgeschlossen werden, aber den Männern aus ferner stehenden Parentelen vorgehen.

Die Zulässigkeit einer landwirthschaftlichen Gewerbsteuer

neben der Grundsteuer.

Von Hoffmann.

Angesichts der allenthalben, ebensowohl als unbestrittener allgemeiner Rechtsgrundsatz, wie als Folge des mehr oder minder ungünstigen Zustandes der Finanzen in den meisten Staaten der Gegenwart, dringend sich geltend machenden Forderung, die zu Deckung des Staatsaufwandes erforderlichen Steuern bei allen beitragsfähigen Staatsangehörigen mit möglichster Gleichheit nach Verhältniss ihres reinen Einkommens einzuholen, drängt sich der Wissenschaft, wie der Praxis der politischen Oeconomie eine nähere und gründliche Untersuchung darüber, ob und inwieweit jener Forderung in der Wirklichkeit gehörig entsprochen werde, und wie etwaigen Mängeln in dieser Beziehung abzuhelfen sein dürfte, als eine hochwichtige Aufgabe auf, welche wir denn auch hier desshalb vielfach zu der unsrigen gemacht haben.

Eine besonders augenfällige Verletzung jener Forderung giebt sich nun aber unter Anderem wirklich zu erkennen in der Behandlung, welche dem aus dem landwirthschaftlichen Betriebe, zufolge der Verwendung von Arbeit und Capital in demselben, neben der Grundrente als solcher, hervorgehenden eigentlichen gewerblichen Einkommen, seines hier wohl keiner besonderen Darlegung bedürfenden bedeutenden Belanges unter den verschiedenen Hauptbestandtheilen des gesammten Volkseinkommens in jedem kultivirten Staate ungeachtet, bis jetzt im Allgemeinen noch bei der Besteuerung zu Theil wird, soferne solche

Zulässigkeit einer landwirthschaftlichen Gewerbsteuer.

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zumeist geradezu eine völlige Nicht- oder doch eine unvollständige Berücksichtigung desselben als einer Hauptsteuerquelle in sich schliesst, wie diess ein kurzer Blick auf die diessfallsigen gesetzlichen Anordnungen in einer ganzen Reihe von Staaten der vorgedachten Art zeigt.

Es wird demzufolge in allen bedeutenderen Europäischen Staaten, welche, um einer vollkommeneren Gestaltung ihres Steuerwesens willen, überhaupt hier in Betracht kommen können, auf eine eigene Besteuerung des vorgedachten Einkommens völlig verzichtet, so namentlich, abgesehen von Grossbritannien, wo bekanntlich eine besondere direkte Besteuerung der Gewerbe überhaupt der Regel nach nicht besteht, und denn auch das landwirthschaftlich-gewerbliche Einkommen, zur Gleichstellung mit anderen verwandten Einkommenszweigen, nur mittelst der allgemeinen Einkommenssteuer eigens beigezogen wird ), einer meist principiell ausschliesslichen Beschränkung der Grundsteuer auf die reine Grundrente ungeachtet: in Frankreich, wo die Landwirthe ausdrücklich nur rücksichtlich der ihnen als Grundeigenthümern zufliessenden reinen Grundrente als steuerpflichtig 2), hinsichtlich des weiteren gewerblichen Einkommens aber als steuerfrei erklärt sind 3), in Oestreich, wo die landwirthschaftliche Industrie unter den von der Gewerbssteuer ausgenommenen Erwerbszweigen obenansteht *), in Preussen, wo das landwirthschaftliche Gewerbe unter den verschiedenen, einer Gewerbesteuer unterworfenen Erwerbszweigen einfach vom Gesetze übergangen ist 5); in Baiern, wo

1) Schüz, Abh. über das englische Steuer- und Zollwesen, in dieser Zeitschrift Bd. 4. Jahrg. 1847. S. 51. 56, 57. 60. Das englische Einkommensteuergesetz vom 22. Juni 1842, übers. und herausgegeben von Fr. A. v. L. München 1853, S. 2 und 40 ff. Vgl. die Abhandlung von Kries in diesem Heft S. 223 ff.

2) Lois des 23. novembre

1. déc. 1790, tit. I. art. 1, du 3 frimaire an VII. art. 2. 4, s. De Gérando, Institutes du droit administratif français. T. III. Paris 1842. S. 257. 266.

3) Loi sur les patentes du 25. Avril 1844. Art. 1. 13., in Devilleneuve et Carette, lois annotées, 2de serie, S. 784.

4) Malinkovski, Handbuch für k. k. österr. Kameralbeamte, 2. Bd. 1. Abth. Wien 1840. S. 38.

5) Gesetz wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820. § 2. Gesetzsammlung 1820. S. 148.

es sich ganz ebenso verhält 1), allerdings aber auch zugleich eine über die reine Grundrente hinausgreifende, den mitteljährigen Ertrag des Grundes und Bodens, ohne Abzug der Culturkosten, erfassende Grundsteuer besteht 2); und in gleicher Weise besteht eine solche Ausnahme von der Besteuerung, unter den ebengedachten Grundbesteuerungs-Verhältnissen, noch in mehreren kleineren deutschen Staaten, welche sich ausserdem einer vollständigeren Durchführung des Grundsatzes einer allgemeinen Besteuerung rühmen können, so namentlich in Württemberg, wo zwar, ausdrücklicher Bestimmung zufolge, nur die Feldarbeiter, also nicht die Landwirthe im umfassenden weiteren Sinne hinsichtlich ihres eigentlichen gewerblichen Einkommens, von der Gewerbsteuer ausgenommen sind 3), demungeachtet aber jene letzteren, weiteren diessfallsigen Anordnungen gemäss, weder durch die Grundsteuer, welcher lediglich nur der reine Ertrag des Grund und Bodens unterliegen soll ), noch durch die Gewerbsteuer, welche nur auf einer Reihe anderer namentlich bezeichneter Erwerbszweige haftet, beigezogen werden 5), sowie in Kurhessen und dem Grossherzogthum Hessen, wo, in dem einen 6), wie in dem andern 7), die Eigenthümer und Pächter landwirthschaftlicher Grundstücke nicht allein hinsichtlich der Bewirthschaftung derselben, sondern auch hinsichtlich des damit nothwendig verbundenen Produkten - Absatzes, ausdrücklich von der Gewerbsteuer ausgenommen sind.

In einigen anderen kleineren Staaten unterliegt zwar das landwirthschaftlich - gewerbliche Einkommen einer eigenen Be

1) Gesetz, die Gewerbsteuer betr., vom 28. Mai 1852. Art. 1. und Beil. II., Gesetzbl. für das K. Baiern, 1852. S. 371. 374.

2) Gesetz, die allgemeine Grundsteuer betr., vom 15. Aug. 1828. a. a. 0. J. 1828. S. 122 ff. § 5.

3) Gesetz, die Herstellung eines provisorischen Steuerkatasters betr., vom 15. Juli 1821, Reg.bl. vom J. 1821. S. 457 ff. § 14.

4) Eben angef. Gesetz, § 16.

5) Ebendas. § 13.

6) Gesetz, die Besteuerung der Gewerbe betr., vom 21. Juli 1840, § 3. Sammlung von Gesetzen u. s. w. für Kurhessen, 9. Bd. S. 36.

7) Gesetz, die gleichförmige Besteuerung der Gewerbe betr., vom 16. Juni 1827. Art. 14., im Reg.bl. auf das J. 1827. S. 189.

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