Page images
PDF
EPUB
[blocks in formation]

den Mitgliedern der staatswirthschaftlichen Facultät in Tübingen Volz, Schüz, Fallati, Hoffmann, Helferich und Weber.

Zehnter Jahrgang.

Zweites Heft.

Tübingen.

Verlag der H. Laupp'schen Buchhandlung

1854.

Druck von H. Laupp jr.

I. Abhandlungen.

Grundzüge und Ergebnisse der englischen Einkommensteuer.

Von Dr. C. G. Kries in Berlin.

Als Peel im Jahre 1842 die Einführung der noch gegenwärtig in England bestehenden Einkommensteuer beantragte, erregte sein Vorschlag in ganz Europa das allgemeinste Interesse. Die Ursachen dieser Theilnahme lagen zum Theil in der Kühnheit und Grossartigkeit seines Planes: an die durchgreifende Verbesserung der Handelspolitik wie des Finanzsystems in England gerade in dem Augenblick Hand anzulegen, als ein bedeutendes und jährlich wiederkehrendes Deficit im Staatshaushalte sich zeigte. Doch trug zu dem Beifall, welcher ihm von allen Seiten zurauschte, auch der Umstand nicht wenig bei, dass es gerade die Einkommensteuer war, welche er zum Eckstein seines Finanzsystems wählte. Die Ansicht, dass die Einkommen steuer vor anderen eine besonders gerechte und angemessene Steuer sei, oder vielmehr, dass alle Abgaben nach dem Verhältniss des Einkommens vertheilt werden sollten, ist stets eine sehr verbreitete gewesen. Man begrüsste daher die Maassregel Peels vielfach als den ersten Schritt zur Durchführung des richtigen Grundsatzes der Steuervertheilung, als den Anfang einer neuen Aera für die praktische Finanzpolitik. Der Erfolg, dessen Peel sich zu erfreuen hatte, trug wesentlich dazu bei, das Gewicht dieser Ansicht zu verstärken und ihr eine noch allge

meinere Verbreitung zu verschaffen. Das Beispiel Englands wurde laut zur Nachahmung empfohlen und die Einführung einer Einkommensteuer dringend befürwortet.

Insbesondere in Preussen sprach sich die öffentliche Meinung mit solcher Lebhaftigkeit in diesem Sinne aus, dass die Regierung dadurch vermocht wurde zu einer Zeit, als Preussens Finanzen sich noch in dem blühendsten Zustande befanden, dem vereinigten Landtage einen entsprechenden Antrag vorzulegen. Obwohl der Plan damals aus Gründen, deren Erörterung nicht der Zweck dieser Darstellung ist, nicht zur Ausführung kam, ist derselbe dennoch einige Jahre darauf in etwas veränderter Gestalt wirklich ins Leben getreten. Die Einkommensteuer ist in Preussen ein dauerndes Glied des Finanzsystems geworden. Inzwischen hat sich in dem Heimathlande dieser Maassregel die Scene gar sehr verändert.

Zwar sind in England wirklich ebenso umfassende als tiefgreifende Verbesserungen des Finanzsystems mit Hülfe der Einkommensteuer durchgeführt worden und man kann in einem gewissen Sinne eine neue Aera der Entwickelung des Abgabenwesens von dem Zeitpunkte ihrer Einführung an datiren, wie diess von anderer Seite so eben in anziehender und lehrreicher Weise dargestellt worden ist 1).

Allein man will sich dort mit den Früchten begnügen, ohne dem Baum eine bleibende Stelle im Garten einzuräumen. Der allgemeine Zuruf des Hauses und des Landes begrüsste diessmal den Finanzminister, als er ankündigte, die Einkommensteuer nicht als eine dauernde Hülfsquelle für den Staatsschatz betrachten zu wollen und als er die Mittel vorschlug, um dieselbe in Kurzem ermässigen und nach dem Ablauf einiger Jahre (a. 1860) gänzlich abschaffen zu können. Auch dieser Beifallsruf hat nicht verfehlt, auf dem Kontinente sein Echo zu finden. Der Strom der öffentlichen Meinung ist im Begriff, eine Wendung zu machen. Insbesondere in Preussen fehlt es nicht mehr an Stimmen, welche die Einkommensteuer höchst lästig und gehässig

1) Vergleiche den Aufsatz von Nasse über die Reformen im brittischen Steuerwesen seit der Wiedereinführung der Einkommensteuer in dieser Zeitschrift Jahrgang X. Heft 1.

finden. Die soeben beschlossene Erhöhung derselben wird nicht verfehlen, diese Stimmen lauter zu machen und ihnen willige Ohren zu verschaffen.

Unter diesen Umständen dürfte eine ausführlichere Betrachtung der Beschaffenheit der englischen Einkommensteuer, eine Beleuchtung ihrer Vorzüge sowie ihrer Schattenseiten von allgemeinem Interesse sein. Man wird dadurch in Stand gesetzt, das Hinundherschwanken der öffentlichen Meinung zu erklären und demselben gegenüber einen festen Standpunkt zu gewinnen. Die englische Einkommensteuer hat jedenfalls sehr Bedeutendes geleistet; die nähere Kenntniss ihrer Eigenthümlichkeit ist daher für praktische Staatsmänner gewiss von Wichtigkeit. An die Frage ihrer Zweckmässigkeit knüpft sich ferner mehr als an die irgend einer anderen Steuerform die Untersuchung über die allgemeinen Grundsätze der Besteuerung, weil die öffentliche Meinung bis jetzt noch vorherrschend sich zu der Ansicht neigt, dass alle Abgaben nach dem Einkommen zu vertheilen seien. Eine gründliche Untersuchung über die bestehenden Formen der Einkommensteuer ist daher auch für die Wissenschaft von besonderem Werth. Diese Gründe haben den Verfasser schon früher bestimmt, den in Beziehung auf die Einkommensteuer gemachten Erfahrungen eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden '); die kürzlich in England stattgehabten Erörterungen über die dortige Einkommensteuer liefern jedoch für eine neue Erwägung der Frage ein sehr reiches und schätzenswerthes Material, dessen Benutzung dem Verfasser durch persönlichen Aufenthalt in England erleichtert wurde 2). Sonach möge der Versuch durch eine

1) Vergleiche die Abhandlungen des Verfassers „über die Einkommensteuer in Breslau." Breslau bei Aderholz 1844 und „über die Einkommenund Klassensteuer in Preussen" in Raus und Hanssens Archiv der politischen Oekonomie Bd. VIII. (1849).

2) Die vorzüglichsten Quellen der nachfolgenden Darstellung sind ausser den Gesetzen über die Einführung und Erweiterung der Einkommensteuer (5 et 6. Victor. c. 35; und 16 et 17. Vict. c. 34), die Berichte eines zur Untersuchung der Einkommensteuerfrage besonders niedergesetzten Parlaments - Ausschusses. Derselbe wurde auf den Antrag des bekannten Parlamentsmitgliedes Joseph Hume im Frühjahr 1851 ernannt und im Frühjahr 1852 erneuert, um sowohl die Art und Weise der Veranlagung der

« PreviousContinue »