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die letztere Ansicht bei Regierung und Ständen noch lange die Oberhand, dann bleibt nichts übrig, als der Wunsch, es möge die Lehre der Geschichte sich bei uns nie bewahrheiten, dass die schrankenlose Freiheit, so missbraucht, wie es bei uns geschehen ist und noch geschieht, den Untergang des selbstständigen Bauernstandes zur unvermeidlichen Folge habe.

II. Vermischtes.

Das neue Männerzuchthaus in Bruchsal.

Vor etwa einem Jahrzehnt war das Interesse für Gefängnissreform und für eine durchgreifende Einführung des Pönitentiarsystems in den gebildeten Ländern Europa's wie in den Vereinigten Staaten ein sehr allgemeines. Wissenschaftlich ward diese wichtige sociale Frage von vielen sehr tüchtigen Männern und in den verschiedenen Ländern in eigens ihr gewidmeten Zeitschriften bearbeitet. In fast allen Ländern beschäftigten sich die Staatsmänner mit an die Kammern gerichteten Vorschlägen zur Umänderung der Strafgesetzgebung in Betreff der Erstehungsweise der Freiheitsstrafen, zur Erbauung neuer Gefängnisse nach dem Pönitentiarsystem. Besonders hat die französische Regierung (unter mehreren Ministerien) trefflich ausgearbeitete Vorlagen geliefert, welche in den Kammern zu wiederholten Malen meisterhafte Ausschussberichte (namentlich von Tocqueville und Berenger) und sehr gründliche, ausführliche, vieles Licht verbreitende Verhandlungen hervorriefen. In Deutschland gebührt in dieser Beziehung der badischen Regierung der Vorrang. Klaren und im Allgemeinen consequent durchgeführten Aenderungen der Strafgesetzgebung 1) folgte der Beschluss eines nach dem Grundsatze der Einzelhaft zu errichtenden Männerzuchthauses. Diese Regierungsvorschläge wurden in einem erschöpfenden Ausschussberichte (von Welcker verfasst) der zweiten Kammer zur Annahme empfohlen und auch mit allen gegen drei Stimmen, in der ersten Kammer aber einstimmig angenommen. In andern Staaten Deutschlands gingen die nöthigen Vorarbeiten in einer erfreulichen Weise voran, in Preussen ward gebaut, wenn auch ein Princip nicht festgestellt war.

1) Die in vieler Beziehung die Wirksamkeit des neuen Pónitentiarhauses aufhebenden oder doch schwächenden Strafschärfungen hat in überzeugender Weise neuerlichst Dr. Füesslin dargelegt in seinem Schriftchen:,,Die Beziehungen des neuen grossh. badi. schen Strafgesetzes zum Pönitentiarsystem, insbesondere die Bestimmung über die öffentlichen Arbeiten, die urtheilsmässigen Strafschärfungen der Gefangenen, die Polizeiaufsicht der Entlassenen und die Nothwendigkeit der Schutzvereine“. Carlsruhe, bei Gutsch, 1853. 80. 36 kr.

Die politischen Erschütterungen des Jahres 1848 lenkten das öffentliche Interesse von der Frage der Gefängnissreform ab, und seit jener Zeit waren die Finanzen fast aller Staaten nicht in einer Verfassung, welche zu kostspieligen Neubauten aufgefordert hätte. Dadurch gerieth diese ganze Reformbewegung (welche übrigens zumal durch die Verhandlungen in der französischen Deputirtenkammer theoretisch oder wissenschaftlich zu einem gewissen Abschluss gediehen war), in ihrer praktischen Durchführung fast allerwärts vollkommen ins Stocken. Um so mehr Interesse dürfte es vielleicht heute bieten, über die bestgebaute und bestgeleitete Pönitentiaranstalt Deutschlands (oder vielmehr die, welche allein diesen Namen vollkommen verdient), über das bereits erwähnte Männerzuchthaus in Bruchsal Näheres zu erfahren, nachdem ihm zuerst noch in den ungeordneten Verhältnissen des badischen Revolutionsjahres und nun allmählig in normalen Verhältnissen die Musse etlicher Jahre gegeben war, sowohl in baulicher Beziehung als in Rücksicht auf die daselbst durchgeführte Behandlungsweise sich zu erproben. Diese Anstalt ist zufolge des Gesetzes vom 6. März 1845 dazu bestimmt, die zu Zuchthausstrafe verurtheilten männlichen Gefangenen aufzunehmen und zwar jeden in eine besondere Zelle und bei Tag und Nacht ausser Gemeinschaft, mit andern Sträflingen. Die völlige Absonderung soll jedoch nicht länger als 6 Jahre dauern, wornach eine Mehrzahl derselben in gemeinschaftlichen Arbeitssälen beschäftigt würde. Zwei Monate völliger Absonderung gelten für drei Monate gewöhnlicher Strafzeit.

Der leider zu früh verstorbene Ministerialrath von Jagemann, der grösste Förderer der Gefängnissreform in Baden, hatte seinem Aufsatz: „Zur Rechtsbegründung und Verwirklichung des Grundsatzes der Einzelhaft" (Zeitschrift für deutsches Strafverfahren. N. F. Bd. 5) in einem Anhang bereits im Jahr 1848 eine freilich ganz kurze Beschreibung des Zellengefängnisses in Bruchsal sammt den eingeführten Dienstvorschriften beigefügt. So eben aber hat der gegenwärtige Vorsteher und frühere Arzt dieser Anstalt, Dr. Füesslin, eine ausführliche Beschreibung derselben mit zahlreichen Rissen herausgegeben:

J. Füesslin, das neue Männer - Zuchthaus in Bruchsal nach dem
System der Einzelhaft in seinen baulichen Einrichtungen und der
Dienstordnung für das höhere und niedere Dienstpersonal. Gross-
Folio mit 15 Tafeln. Carlsruhe, in Commission bei Friedrich Gutsch.
fl. 7. 12 kr. rhein.

Diese Schrift verdient in vieler Beziehung eine allgemeinere Kenntnissnahme. Wir wollen derselben zunächst die wichtigsten Angaben über die baulichen Einrichtungen jenes Zellengefängnisses entnehmen.

Im Allgemeinen ist die Anstalt durch den Baumeister Hübsch dem bekannten Gefängniss Pentonville in London nachgebildet, doch weicht sie in manchen Punkten, namentlich in Bezug auf Wasserleitung, Abtritte, Schulen u. s. w. wesentlich davon ab.

Sämmtliche Beamtenwohnungen sind vor die Anstalt verlegt, die Gründe

dafür von Füesslin überzeugend dargelegt. Die Ringmauer, 18-25′ hoch, bildet ein Achteck, von welchem 4 Seiten je 400 und 4 je 100' lang sind; sie umschliesst ungefähr 7 Morgen. Oben auf dieser Mauer halten 4 Schildwachen ihren Umgang. In den in den Winkeln der Mauer angebrachten Thürmen finden sich die Strafzellen. Durch einen bedeckten Gang gelangt man in das Krankenhaus, wo sich die Aufnahmszellen und 6 Zimmer für schwerkranke, vieler Pflege bedürftige Gefangene befinden. Die leichteren Kranken werden in ihren Zellen, diejenigen, welche Krankenpflege und Krankenkost verlangen, in den dazu besonders hergerichteten Zellen des vierten Flügels verpflegt. Besser wäre wohl ein getrenntes Krankenhaus für alle Kranke.

Die Centralhalle enthält im 1. Stock die Küche (welche besser im Souterrain läge), im 2. die Geschäftszimmer der Verwaltungsbeamten, von wo aus die Spazierhöfe und das Innere der Flügel übersehen werden können; im 3. die Zimmer der Geistlichen und Lehrer, die Bibliothek und die beiden Schulen (besondere Schulen haben sich als sehr zweckmässig erwiesen), im 4. Stock die Simultankirche mit 247 Stühlen für Sträflinge. Jeder Stuhl hat seinen besonderen Zugang; 6 Thüren führen in die Kirche. Die Vortheile der Kreuzform der Flügel schildert Füesslin gut. Die Flügel sind 200 lang, 45' hoch und 50 breit, haben Souterrains und drei Stockwerke. Die Gefangenen sind in den Flügeln je nach der Beschäftigung vertheilt. Die Souterrains enthalten eine Badezelle, dann etliche Säle, die als Magazine, oder als Einzelarbeitslokale (für Küfer, Holzsäger, Schmiede) oder späterhin als gemeinschaftliche Arbeitssäle benutzt werden. Zwischen diesen Sälen sind die Oefen (11 in jedem Flügel) angebracht. Steinerne Wendeltreppen finden sich zu jeder Seite der Flügel (etwas unübersichtlich). Am Anfang der Flügel zu jeder Seite und in jedem Stockwerk ist ein Wasserkrahn (im Vorbeigehn z. B. in den Spazierhof stellen die Gefangenen ihren Wasserkrug hier ab und nehmen ihn bei der Rückkehr gefüllt wieder mit in ihre Zelle). Jedes Stockwerk hat auf jeder Seite 1 Aufseher-, 17 Sträflings- und 1 Abtrittszelle, die ganze Anstalt 408 Gefangenen- und 24 Aufseherzellen. Die Zwischenwände der Zellen sind 13/4' dick, zum Theil hohl und mit Sand ausgefüllt; die Zelle selbst 13' lang,. 8' breit, 8' 7"-9" 7" hoch, also über 1000 Kubikfuss. Die Thür hat eine Klappe zur Verabreichung der Kost (welche nicht wie in Pentonville herzugerollt, sondern von dem Aufseher in einem grossen Gefäss getragen und in das von dem Gefangenen durch die Klappe dargereichte Gefäss gegeben wird). Das Fenster, 6' 5" vom Boden entfernt, ist 3' 5" breit und 2' 3" hoch, die obere Abtheilung kann durch den Sträfling geöffnet werden; mattes Glas ist jetzt überall durch helles ersetzt. Eisernes Bettgestell mit Seegrasmatraze u. s. W., keine Hängematte; Tisch, Stuhl, sonstiges Geräthe. In der Mauer neben der Thür steht in jeder Zelle ein grosser gusseiserner Nachttopf, in welchen auch der Kehricht und das Waschwasser gegossen wird. Er wird durch eine nach dem Gang gehende Thür herausgenommen und Morgens und

Abends durch dazu bestimmte Leute (alte zuverlässige Gefangene, früher geschah es durch jeden Gefangenen selbst) entleert. Diese Entleerung findet in acht 20 tiefe und 12' breite Dunggruben statt, deren Reinigung sonst grosse Misstände mit sich führte, Jetzt wird die Flüssigkeit allmonatlich in zwei Nächten auf die eigenen Grundstücke der Anstalt gepumpt, und der feste Dung nur einmal jährlich entfernt. Besser wäre es, statt der Dunggruben Fässer auf Wagen stehend zu haben, welche täglich oder wöchentlich entfernt würden. Neuerlich wird alles Spül- und Waschwasser nicht mehr in die Abtrittsgruben gegossen.

Die 57 Einzel - Spazierhöfe zwischen den Flügeln fände Füesslin besser am Ende der Flügel angelegt, in welchem Fall der Raum zwischen den Flügeln dann zur Anlage einer Waschküche, Bäckerei, oder zur Beschäftigung von Schwächeren und Reconvalescenten im Freien hätte verwendet werden können. Von einem kleinen Erker am Ende des Flügels könnte die Ueberwachung beim Herabführen viel leichter geschehen.

Die Wasserleitung liefert von einem benachbarten Hügel sehr reichliches gutes Wasser. In jedem Flügel sind sechs Brunnen angebracht. Das Wasser geht in jedem Flügel in zwei grosse Behälter auf dem Speicher, von WO es zu den Abtritten geleitet wird. Die Wasserleitung ist sehr gelungen. Beleuchtung mit Gas (projektirt, aber wegen Nichtbetheiligung der Stadt noch nicht durchgeführt) steht in Aussicht. Die Heizung ist Luftheizung. Unter jedem Flügel, in den Souterrains, sind 6 grössere und 5 kleinere Oefen angebracht, von welchen die ersteren je 16 Zellen des zweiten und dritten Stockwerks, die letzteren je 4 Zellen des unteren erwärmen, damit bei dem beständigen Streben der warmen Luft nach oben die zu geringe Erwärmung der unteren und die zu starke Erwärmung der oberen Zellenreihen vermieden werde. Hiernach befinden sich unter jedem Flügel 11, unter allen also 44 Oefen. Dieselben bestehen aus einem eisernen viereckigen Kasten von 3′ 3′′ Länge, 2′ 3′′ Breite und 2′ 2′′ Höhe, als Feuerungslocal, dem darüber gewölbten sog. Mantel, und einem zwischen beiden befindlichen freien Raum, der Heizkammer, in welcher die Luft sich erwärmt. Ausserhalb der Flügel an den Grundmauern im Hofe beginnen für jeden Ofen zwei sog. Luftfänge, grössere und kleinere Oeffnungen, auf jeder Flügelseite eine. Die in der Heizkammer beginnenden, zwischen den Trennungsmauern der Zellen aufsteigenden Kanäle zur Zuleitung der erwärmten Luft für die Zellen münden 7 hoch vom Boden in letztere in der Nähe der Thüre, während in der entgegengesetzten Ecke in der Nähe des Fensters, unten am Boden, die Abzugskanäle für die verbrauchte Luft ihren Anfang nehmen, zwischen den Zellenwänden hinab zu den Oefen zurückkehren und sich unter den Rost derselben unter dem Feuerungslocale einmünden. Die Luftfänge können an ihrer Einmündung in die Oefen durch eiserne Klappen und an ihrem Anfang ausserhalb der Flügel durch starke hölzerne Deckel geschlossen und dadurch das Einströmen der atmosphärischen Luft in die Heizkammer geregelt werden. An den Oefen, am Anfange der aus der Heiz

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