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nach Westindien gerichtet. Massen von maldivischen Kauris wurden erstmals von den Holländern auf die Küste von Guinea, und selbst nach Europa geworfen, sie wurden von den Sklavenhändlern aller Gegenden ergriffen, und nach allen Zugängen Afrikas verführt, um durch sie nach allen Richtungen nach dem Sudan zu strömen, und sich dort wiederum zu begegnen.

Studien über württembergische Agrarverhältnisse.

Von Helferich.

Des zweiten Artikels letzte Hälfte.

Gegenstand der Untersuchung in diesem Abschnitt ist die Frage: lässt sich ein Agrarsystem bei uns einrichten, welches die Freiheit des Einzelnen in der Verfügung über sein Eigenthum aufrecht erhält und doch zugleich vor dem Missbrauch dieser Freiheit zu sichern und die übeln Folgen dieses Missbrauchs, wo sie vorhanden sind, allmählich zu beseitigen vermag ?

Diese Frage wurde am Schluss des vorigen Abschnitts unter Hinweisung auf das Beispiel Englands vorläufig bejaht, und wir haben nun die Aufgabe, diejenigen Seiten der englischen Gesetzgebung und des englischen Lebens, welche für die Agrarverhältnisse von besonderer Bedeutung sind, zu betrachten und zu untersuchen, ob und wie weit dieselben bei uns anwendbar, und welche Wirkungen von ihrer Einführung in unser Leben zu erwarten sind.

Zwei Punkte sind es in der Gesetzgebung Grossbritanniens, welche hier zunächst in Betracht kommen, erstlich das englische Intestaterbrecht bei Vererbung von Immobilien und zweitens die Einrichtung der englischen Erbgüter oder Fideicommisse. Wir beginnen mit den letzteren.

System der englischen Erbgüter.

Die Güter, um welche es sich hier handelt, werden in England estates tail oder kürzer entails 1) genannt. Sie werden

1) Ueber die Einrichtung der englischen entails ist zunächst der Com

aber, weil dort jeder Grundbesitz, auch der thatsächlich auf unbeschränktem Eigenthum beruhende (fee simple), rechtlich noch immer als unter der Lehenshoheit der Krone stehend gedacht wird, auch mit den Worten fee tail oder fee in tail bezeichnet. Eben desshalb werden sie in unsern deutschen Uebersetzungen und Bearbeitungen englischer juristischer Werke Erblehen" genannt, aber, wie es scheint, mit Unrecht, weil Erblehen bei uns ein ganz bestimmter lehensrechtlicher Begriff ist, während der Lehenscharakter des englischen fee simple und des fee tail jetzt, nach Aufhebung beinahe aller lehensherrlicher Befugnisse der Krone, eigentlich nur mehr auf einer Rechtsfiktion beruht, und, wie es scheint, nur als Ausdruck der loyalen Achtung vor dem Königthum in der Rechtssprache sich forterhält 1).

Das Institut der Erbgüter ist bekanntlich uralt in England; es hat aber im Laufe der Zeit mannigfache bedeutende Verän– derungen erfahren, weniger durch positives Eingreifen der Gesetzgebung, als durch die Entwicklung des Lebens selbst und durch die Wirksamkeit der unter diesem Einfluss stehenden Gerichtshöfe.

mentar zu den Gesetzen von England von Stephen, Band 1, zu vergleichen, der auch die gesetzlichen Bestimmungen von 1833 und 1834 enthält. Eine besondere Schrift darüber ist von M' Culloch 1848 erschienen unter dem Titel: a treatise on the succession to property vacant by death. Diese ist im Quarterly Review, vol. LXXXIII, p. 178 u. f. ausführlich und mit lehrreichen Zusätzen besprochen worden. Die deutsche Literatur hat bis jetzt wenig Notiz von diesem Institut genommen. Dankenswerth ist eine in politischem Interesse gemachte Hinweisung auf dasselbe im Preussischen politischen Wochenblatt, 1852. Nro. 10; dieselbe liegt der Darstellung zu Grunde, welche Schulze in seinen nationalökonomischen Bildern aus England, Jena 1852. S. 137-143, davon gegeben hat. Noch ist zu erwähnen die kleine Schrift von Solly: Grundsätze des englischen Rechts über Grundbesitz, Erbfolge und Güterrecht der Ehegatten, Berlin 1853, wo der sechste Abschnitt von den „Erblehen" handelt. Sie giebt eine trotz ihrer Kürze sehr vollständige und dabei klare Darstellung des englischen Rechts in Betreff der bezeichneten Verhältnisse.

1) Diese Rechtsanschauung wird sogar noch in den Freistaaten von Nordamerika festgehalten, nur dass an die Stelle der Krone das souveraine Volk getreten ist. James Kent, commentaries on American law. 5. edit. III. p. 377.

Die englischen Rechtshistoriker erzählen uns, dass es schon bei den Angelsachsen Gewohnheit war, Grundbesitz auf einzelne Individuen und deren Nachkommenschaft unter bestimmten Bedingungen zu vererben, um denselben der Familie des Besitzers zu erhalten. Die Juristen aber hätten Mittel gefunden, die Bestimmungen des Erblassers zu umgehen und die Erbgutseigenschaft eines in solcher Weise vererbten Grundbesitzes aufzulösen. Desshalb sey hauptsächlich auf Antrieb des hohen Adels unter König Eduard I. im Jahr 1282 das Westminsterstatut de donis conditionalibus erlassen worden, welches jedem Grundbesitzer ganz unbedingt das Recht gab, Erbgutstiftungen auf ewige Zeiten zu machen. Wo nun eine solche Stiftung errichtet wurde, fand die Erbfolge fort und fort streng nach den Bestimmungen des Stifters statt, und kein Erbe hatte das Recht, ein zur Stiftung gehöriges Grundstück zu veräussern oder über seine Besitzdauer hinaus zu belasten. Dadurch wurde das Gut zu Gunsten der Familie gegen schädliche Willkührhandlungen des einzelnen Besitzers gesichert, zugleich aber auch, für jene Zeiten der wichtigste Punkt, gegen Zugriffe der Krone. Denn nun konnte auch der König, als Lehensherr, das Gut der Familie nicht entziehen, sondern dieses gelangte, wenn es der König wegen Felonie dem augenblicklichen Besitzer nahm, von Rechtswegen unmittelbar an den nach der Stiftung nächstberechtigten Erben in der Familie..

Eine solche Einrichtung konnte dem Interesse der Krone als dem Lehensherrn unmöglich entsprechen. Aber auch das Interesse der Familie und des Gutes selbst litt unter so strenger fideicommissarischer Gebundenheit; dieses, weil Gutsverbesserungen durch das Verbot, Schulden zu machen, die auch der Nachfolger im Erbe anerkennen musste, beträchtlich erschwert wurden; jenes, weil der Vater keine Gewalt hatte über den nach der Stiftung zum Nachfolger eingesetzten Sohn, wenn dieser in Ungehorsam, Nachlässigkeit oder Verschwendung verfiel.

Aus diesem Grunde suchte man nach einem Mittel, derartige ewige Stiftungen aufzuheben und den Besitz und Besitzer von der fideicommissarischen Fessel zu befreien, und fand dieses fast zwei Jahrhunderte später unter der Regierung des Königs Eduard IV. nicht in einer Aenderung des Statutes selbst; denn dazu

würden die Lords, welche in demselben den wirksamsten Schutz für ihre Besitzthümer gegen die Krone erkannten, nie ihre Zustimmung gegeben haben, sondern in einer neuen Praxis der Gerichte. Diese erkannten nämlich erstmals im Jahr 1473 ein Rechtsverfahren 1) als gültig an, welches zum Behuf der Auflösung einer Erbgutstiftung äusserst spitzfindig ausgedacht war; und indem nun dieses Urtheil die Norm für alle späteren Fälle bildete, wurde zuerst die rechtliche Möglichkeit begründet, ein fideicommissarisch für immer gebundenes Gut von seiner Fessel zu befreien und in unbeschränktes Eigenthum (fee simple) zu verwandeln. Etwas später, im Jahr 1541 durch Statut 32. Henry VIII. c. 36, griff dann auch die Gesetzgebung ein und setzte fest, dass auch auf dem Weg eines Vergleichsverfahrens (fine) Erbansprüche dritter Personen auf ein Besitzthum entfernt werden könnten, und die Gerichte wendeten dieses Gesetz auch auf die entails an, trotz dem, dass im Statut von 1285 ausdrücklich bestimmt worden war, dass auf dem Weg freiwillig von den Betheiligten abgeschlossener Vergleiche der Wille des ursprünglichen Stifters nicht sollte abgeändert werden können.

Noch mehrere andre gesetzliche Bestimmungen wurden unter

1) Diess Verfahren bestand in der gemeinrechtlichen Gewährleistungsklage, common recovery. Diese ist ausführlich beschrieben in Stephen's Commentar I, p. 239 und 539; eine kurze, aber sehr klare Darstellung enthält auch die kleine Schrift von Solly a. a. O. S. 42.

2) Ueber das Vergleichsverfahren vergl. Stephen a. a. O. p. 240 u. 530, Solly a. a. O. S. 40. Dieses Verfahren hatte keine so grosse Kraft, wie die Gewährleistungsklage; denn durch letztere wurden nicht nur die Erbgutseigenschaft, sondern auch die Rechte der Anwärter (remainder men) aufgehoben, durch den Vergleich aber nur jene. Uebrigens beruhten beide Rechtsmittel eigentlich auf einer juristischen Unredlichkeit; denn Richter wie Partei wussten, dass die Sache nicht so sey, wie sie im Prozess dargestellt wurde. Aber man beruhigte sich allerseits mit dem der allgemeinen Ansicht gemäss guten Zweck, der damit erreicht wurde. An sich ist das nicht zu verwundern, dass diese beiden Prozessformen aufkamen. Bei dem formalistischen Wesen der englischen Jurisprudenz wusste man sich nicht anders zu helfen, um den Bedürfnissen des Lebens gerecht zu werden, und in dieser Nothwendigkeit fand der fromme Betrug, wie Blackstone das Verfahren ausdrücklich nennt, seine Rechtfertigung. Nur das ist zu verwundern, dass man dasselbe so lange beibehielt; denn erst 1833 wurde es abgeändert.

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