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Der Krieg Kaiser Maximilians I. mit Venedig 1509.

Zwei Vorträge, gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine zu Innsbruck am 18. Jänner und 28. März 1876 von Dr. David Schönherr.

I.

Zum Gegenstande meines Vortrages wählte ich einen der Kriege des ritterlichen Kaisers Maximilian I. mit der Republik Venedig und aus besonderem Grunde den vom Jahre 1509. Den Anlass hiezu gab mir zunächst eine archivalische Ausbeute in Venedig.

Unter den colossalen Schätzen des weltberühmten venetianischen Archives befindet sich nämlich ein Convolut von Briefen und Acten, welche im Jahre 1509 von den Venetianern durch Abfangen zweier kaiserlicher Feldposten, einer, die etwa am 15. September aus dem kaiserlichen Heere vor Padua nach Innsbruck und einer zweiten Post, welche im October die Briefschaften aus Innsbruck nach Italien bringen sollte, erbeutet worden sind. Diese Schriftstücke, deren Entdeckung das Verdienst des Archivars Dr. v. Zahn in Graz ist, hätten allein Stoff genug zu einer Vorlesung geboten, aber wie mit dem Essen oft der Appetit steigt und der Vorwitz, der sonst nur das zarte Geschlecht auszeichnet, manchmal auch das stärkere zu packen pflegt, suchte ich nach weiterem urkundlichen Material und fand solches sehr reichlich im k. k. Statthalterei-Archiv dahier. Die beiden Quellen von Venedig und Innsbruck sind es nun hauptsächlich, aus denen ich zu diesem Vortrage schöpfte. Es ist dies ein Material, welches noch gar nicht berührt und ausgebeutet worden ist, und welches mich daher in die Lage versetzt, vieles bisher ganz Unbekannte zu bieten. Denn so bekannt auch die Liga von Cambray, der Verlauf und das Ende des Bündnisses und des Krieges von 1509 sind, so fehlen über diesen wie fast über alle Maximilianischen Kriege Detail-Nachrichten beinahe ganz.

Für heute werde ich freilich über die Einleitungen zum Kriege nicht hinauskommen.

Organ der milit.-wissenschaftl. Vereine. XIII. Bd. 1876.

1

Reichstag in Worms.

Das Bündniss Kaiser Maximilians I. mit Frankreich, dem Papste und dem Könige von Arragonien gegen Venedig wurde am 10. December 1508 geschlossen. Der Zweck des Bündnisses war, für jeden der Verbündeten diejenigen Stücke aus der venetianischen Republik zu erobern, auf welche der betreffende Alliirte entweder ein Anrecht zu haben glaubte, oder welche ihm sonst gut gelegen und nützlich sein konnten. Eine ideale Grundlage hatte das Bündniss um so weniger, als der Papst erst einen casus belli schaffen musste, indem er über Venedig den Bannfluch schleuderte und die alliirten Fürsten aufforderte, der Kirche mit Mann und Ross zu Hilfe zu kommen.

Das Bündniss Kaiser Maximilians mit Frankreich, gegen das der Kaiser kurz vorher noch im Krieg gelegen, war nicht nach dem Geschmacke der deutschen Fürsten und Stände, sie thaten daher, was sie zu thun wohl auch ohnedies für gut befunden haben würden, und beantworteten das Ansuchen des Kaisers um des Reiches Hilfe mit zahlreichen Beschwerden und unfruchtbarem Missvergnügen. Das handeltreibende Publicum deutscher Nation war insbesondere unzufrieden mit einem Kriege, der die vortheilhaften Handelsverbindungen mit dem reichen Venedig zu zerstören oder wenigstens zu unterbrechen drohte.

Die Folge davon war, dass die österreichischen Erblande um so grössere Opfer zu bringen gezwungen waren und dass die Sache Maximilians, welcher schliesslich auch von seinen beutegesättigten Verbündeten im Stiche gelassen wurde, unterlegen ist.

Kaiser Maximilian scheint, trotz der seiner Sache ungünstigen Stimmung in Deutschland, anfänglich doch von guter Hoffnung beseelt gewesen zu sein, genügende Reichshilfe zu finden. Er erschien am 21. April in vollem Kriegsschmucke und von 1000 Reitern gefolgt zum Reichstage in Worms, aber weder sein persönliches Erscheinen noch sein dringendes Ansuchen um die nöthige Beihilfe des deutschen Reiches vermochte das Herz und den Geldbeutel der Stände zu rühren.

Der Kaiser war vor den gefassten Beschlüssen des Reichstages wieder abgereist, um seinen Erblanden näher zu sein und die Rüstungen daselbst zu betreiben. War ja nach seiner eigenen Aeusserung zu besorgen, dass die Venetianer den von ihnen beschlossenen Einfall in die österreichischen Lande ausführen würden '). Zudem hatte er seinen Verbündeten versprochen in eigener Person an die Grenzen Venedigs zu ziehen 2).

1) K. k. Statthalterei-Archiv Innsbruck, Max. I. 44.

2) Ebendaselbst.

Diese konnten es auch kaum erwarten, dass der Kaiser die Feindseligkeiten gegen Venedig beginne. Die Gesandtschaften von Frankreich und Arragonien drängten fortwährend, der Kaiser möge doch wenigstens „, einen kleinen Angriff mit Raub oder Brand thun", damit sie ihren Herren schreiben könnten, Se. Majestät hätte angegriffen, wie klein das auch wär"). Die Verbündeten waren offenbar misstrauisch gegen den Kaiser und befürchteten, er möchte sich im entscheidenden Augenblicke noch auf Seite Venedigs gegen Frankreich stellen, wozu er allerdings, und zwar nicht blos von Seite Venedigs, sondern von einer Partei an seinem Hofe selbst ermuntert wurde. Itzet wäre die recht Zit", schreibt der Agent Peter Pender aus Venedig, welche die kaiserlich Majestät lange Zit her gesucht", nämlich gegen Frankreich sich zu wenden ). Und nachdem derselbe die von den Venetianern aufgestellten Truppen aufgezählt, schreibt er weiter: „Da rechnet aus, ob nit itzet die kaiserlich Majestät gut Machen hätt" ). Doch der Kaiser ungleich ehrlicher als seine Bundesgenossen, blieb der einmal geschlossenen Allianz treu und. bot Alles auf, um ein starkes Heer auf den Kriegsschauplatz zu bringen.

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Auch nach seiner Abreise von Worms hatte es der Kaiser nicht an Versuchen fehlen lassen, die deutschen Reichsstände für seine Unternehmung, die bei so gewaltigem Bündniss sicheren Erfolg in Aussicht stellen musste, zu gewinnen. In dieser Beziehung ist namentlich seine Verhandlung mit dem Churfürsten von Sachsen von Interesse, die wir um so mehr etwas näher erwähnen wollen, als sie bisher ganz unbekannt geblieben ist.

Churfürst Friedrich von Sachsen genoss das fast unbedingte Vertrauen der Reichsstände; sein Einfluss, seine Stimme waren geradezu maassgebend. Zur Eröffnung des Reichstages war er nicht erschienen, nicht einmal die Anwesenheit kaiserlicher Majestät vermochte ihn zu bestimmen, ebenfalls nach Worms zu kommen, während anderseits der Reichstag seine Beschlüsse hauptsächlich von ihm abhängig erklärte und seine ausweichende Antwort auf des Kaisers Vortrag mit der Abwesenheit des Churfürsten entschuldigte.

Der Kaiser schickte nun an denselben eine eigene Deputation, bestehend aus Adolf Grafen zu Nassau, Sigmund Fronberger und Erasmus Toppler, Probst zu Nürnberg, denen der Kaiser eine eigene Instruction zur Bekehrung Sr. churfürstlichen Durchlaucht ertheilte *). Darnach hatten

1) Statthalterei-Archiv, Max. I. 44.
2) Statthalterei-Archiv, Max. I. 44.

3) Ebendaselbst.

*) Instruction für etc., was sie mit Churfürst Friedrich zu Sachsen verhandeln sollten. Statthalterei-Archiv, Max. I. 44.

die Abgesandten des Kaisers dem Churfürsten die Gründe seiner Abreise von Worms darzulegen und ihm sodann das Bedauern Maximilians auszudrücken, dass es ihm nicht vergönnt gewesen sei, mit dem Churfürsten persönlich zusammenzukommen, zumal er ihn zu seinem und des Reiches obersten Feldhauptmann ausersehen hätte, welche Stelle der Churfürst nicht ausschlagen dürfe. Der Kaiser verlasse sich diesfalls ganz auf ihn. Wenn er in dem Vorhalt an die Reichsstände den Churfürsten dazu nicht namentlich vorgeschlagen habe, so sei dies nur desweg en nicht geschehen, weil er, der Kaiser, den Ständen habe die Ehre geb en wollen, ihm hierin zu rathen' und vorauszusehen gewesen sei, dass sie auf keinen andern rathen oder fallen könnten, als allein auf ihn. Sollte der Churfürst wider alle Erwartung die Stelle eines obersten Feldhauptmannes nicht annehmen, so möge er doch sein und des Reiches Statthalter bleiben. Vor Allem aber bitte der Kaiser den Churfürsten, von stundan nach Worms zum Reichstage sich zu begeben und dort zu helfen. und zu rathen, damit derselbe „eine eilende, tapfere und fürderliche Hilfe verwillige“.

Die Antwort des Churfürsten an die kaiserlichen Abgesandten war eine sehr kühle. Die Feldhauptmannschaft lehnte er entschieden ab, die Statthalterschaft anzunehmen, müsse er sich erst überlegen 1).

Die Hilfe, welche Kaiser Maximilian aus den deutschen Land en zu gewärtigen hatte, war demnach eine sehr zweifelhafte. In der That kam der Reichstag nach längeren Verhandlungen zum traurigen Beschlusse, dem Kaiser zum Kriege mit Venedig des Reiches Hilfe gänzlich zu verweigern ). Die über Reutte nach Tirol gekommenen Truppen waren also lediglich solche, welche aus den österreichischen Vorlanden zuzogen, oder sonst mit des Kaisers Geld angeworbene Mannschaft.

Anderseits liegen thatsächliche Beweise deutscher Sympathien für Venedig vor. In Schwaben warben Hauptleute offen für das venetian ische Heer und führten die geworbenen Landsknechte durch Tirol nach Italien. Um dies weiter zu verhindern, gab der Kaiser Befehl, auf die Werber zu fahnden und sie mit Gefängniss und anderen schweren Strafen zu belegen, die Regierung in Innsbruck aber beauftragte er, dafür zu sorgen, dass die den Venedigern zulaufenden Knechte an den Grenzen und Pässen angehalten und festgenommen werden sollten ).

1) Statthalterei-Archiv, Max. I. 44.

2) Schreiben des Kaisers, ddo. 22. August, vor Padua an die Verweser des Vitzthums in Kärnten. Archiv in Venedig.

3) Die betreffenden Befehle vom 23. März im Statthalterei-Archiv, Max. I. 44.

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