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Valserthale, C. Graubündten, als nach der Ac= ́ centuation Vulacátura, das neben jenem Plagött vorfindliche Vilgader.

Wenn nun in dieser Art eine genügende Anzahl solcher Namen unter sich und mit ihren ur kundlichen Formen verglichen sind, so zeigen sich rücksichtlich der Natur jener Sprache, der. sie ange= hören, folgende Ergebnisse:

1) Dieser rätischen Sprache fehlen mehrere Laute des lateinischen Alphabets und zwar unter den Vocalen das o, unter den Consonanten die Mediä b, g, d. Den Beweis hierüber zu führen, haben wir in unserer Schrift unternommen und müssen uns, da eine Wiederholung desselben hier zu weit führen würde, lediglich auf dieselbe berufen.

2) Alle diese Namen gehen auf Urformen zu rück, in denen an keiner Stelle zwey Consonanten unmittelbar auf einander folgen konnten *). So darf also z. B. Glys nicht auf Clusa zurückgeführt werden, weil die identischen Formen Tschölis und Schleiß ein Calusa erheischen, ebenso wie sich Clarida durch Vergleichung von Gallruth und Gallreide als ein ursprüngliches Caluruta ausweist. Ebenso kann Ladurn nicht ein rätisches Laturna repräsentiren, weil das identische Ladrun zeigt, daß auch zwischen r und n ein Vocal zu stehen kommt, und daher die rätische Urform Laturuna war. So zeigt sich auch, daß der Name Clavenna in dieser uns von den Römern überlieferten Gestalt latinifirt ist und im Rätischen Calavuna hieß, weil seine jezigen Doppelgänger Golbun (im Villgrattenthale) und Kalfün (im Grödnerthale) lauten u. s. w. Hieben ist denn allerdings nur von der ursprünglichsten Gestalt der Sprache die Rede, denn daß tonlose Vocale ausfielen und die Consonanten etwa nach denselben euphonischen Geseßen, wie im Griechischen und Lateinischen, aneinandertraten, kann wohl auch für die späteren Zeiten des Rätischen

*) Hievon macht der Stamm alp bisher eine Ausnahme.

zugegeben werden. Vergl. z. B. vurtepivòs und nocturnus, Kvлáρioσos und cupressus u. f. w.

3) In den Formationssylben dieser Namen fand sich ursprünglich kein anderer Vocal als u oder a. Es giebt daher nur ein Caluna oder Calana, Caruna oder Carana, fein Calina, Calena, Carina, Carena.

Die erste Wahrnehmung, nämlich die des Abgangs des Vocals und der Mediä b, g, d ist jedenfalls die erheblichste, da sie zunächst die Richtung anzeigt, in welcher wir das entsprechende Idiom zu suchen haben, und dadurch werden wir denn angewiesen, von allen bekannten Sprachen, deren Herbenziehung nach historischen Bedingungen möglich ist, zuerst die etruskische zu Hülfe zu rufen, als welche in ihrem Lautsystem ganz und gar dieselben Erscheinungen darbietet und, wie durch die Epigraphik längst erwiesen ist, kein o, kein b, g, d befißt

Nun haben wir zwar allerdings bisher nur eine sehr beschränkte Einsicht in die Grammatik des Etruskischen *), und über sein Lericalisches besigen. wir ebenfalls nur äußerst dürftige, zum Theil höchft unzuverläßige Angaben; sehr umfassend dagegen sind unsere Kenntnisse der etruskischen Eigennamen, deren bekanntlich zunächst in den Sepulcralinschriften eine Anzahl vorhanden ist, die bereits ein Tausend übersteigt, und aus denen wir daher auch ergiebige Schlüße darüber ziehen können, wie diese Sprache in der Bildung ihrer Eigennamen verfuhr.

*) Sie erstreckt sich nicht weiter, als etwa auf Kenntniß der Nominativ- und Genitivformen der Namen auf e und a und der Bedeutung der Nominalsuffixe al, sa und ia. S. Ottfr. Müller, die Etrusker 1. 434. ff.

(Schluß folgt.)

1843 Nr. 64.

Gelehrte Anzeig

München.

herausgegeben von Mitgliedern

Nro. 260. der k. bayer. Akademie der Wissenschaften.

Königl. Academie der Wissenschaften.

Philosophisch - philologische Classe. Schluß des Vortrags des Herrn L. Steub über den Hauptinhalt seines Werkes:

Ueber die Urbewohner Råtiens und ihren
Zusammenhang mit den Etruskern."

Wenn wir nun berücksichtigen, daß die etruskischen Localnamen, deren rafenische Form wir kennen, in grammatikalischer Beziehung vollkommen mit den etruskischen Eigennamen weiblicher Personen übereinstimmen, daß z. B. Velsuna, der etruskische Name von Volsinii, in der Epigraphik eben so gut als weibliches Nomen proprium vorkömmt, daß Vulturnum, der rasenische Name von Capua, in der Epigraphik als Vulturna und zwar auch als Frauenname sich findet, daß es mit Velia, dem rasenischen Namen von Veji, der gleiche Fall ist, daß ferner Vetluna, der rasenische Name von Vetulonium, Pupluna, der rafenische Name von Populonium, Capena, Fidena, Perusia u. s. w., kurz wohl alle etruskischen Städtenamen ihrer grammaticalischen Structur nach so beschaffen sind, daß sie eben so wohl als weibliche Nomina propria vorkommen könnten, wenn wir dieß berücksichtigen, so müssen wir › umgekehrt auch in den weiblichen Eigennamen der Inschriften wieder eben so viele facultative rasenische Städtenamen finden.

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30. December.

1843.

Unser Bestreben gieng daher nicht dahin, die schon früher zu gleichen Zwecken vorgebrachten Vergleichungen von Lavin im Engadein mit Lavinium in Latium, von Ardez mit Ardea, von Fläsch mit Falisci zu vermehren, sondern dahin zu zeigen, daß die ganze rätische Nomenclatur in derselben Art und Weise von einsylbigen Stämmen und mit denselben Formationen gebildet sen, wie die etruskischen Frauennamen in der Epigraphik.

Unser Calusa (Schleiß), Velusa (Bels), Veluthurusa (Velthurusa) (Pfluders) sind daher ein und dasselbe mit den gleichlautenden etruskischen Frauennamen, wie unser Arthalusa (Dertles), unser Perusalusa (Presels), unser Carcuna (Tschirgant) identisch ist mit den epigraphischen Arthalisa, Perisalisa, Carcunia und auf diesem Wege zeigt sich denn Schritt für Schritt die gänzliche Identität der beyden Idiome, wie sich denn auch folgerech terweise fast alle etruskischen Städtenamen in Rä-tien wieder finden.

Die beyden andern unter 2 und 3 erwähnten. Ergebnisse dieser Untersuchung, nämlich das Geset, daß nicht zwey Consonanten unmittelbar auf einander folgen und daß in den Formationssylben nur u oder a stehen können, find deßwegen nicht unwichtig, weil sie zur Einsicht in den früheren Zustand des Etruskischen führen. Es ist nämlich mit Buhilfenahme der rätischen Formen nicht schwierig nachzuweisen, daß das Etruskische nicht, wie man bisher

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scheinlicher, je größer und umfangsreicher das Gebiet erscheint, welches jene verjagten Etrusker co

Nun käme es weiter darauf an, zu untersu chen, ob diese Räto - Rasener einen eigenen, zwischen Kelten und Pelasger eingeschobenen, von beyden unabhängigen Hauptstamm bilden, oder ob sie einer dieser beyden Racen beyzuzählen seyen. Wir haben e es wahrscheinlicher gefunden, daß jene Völker zur pelasgischen Familie gehören und haben der vorläufigen Unterstützung dieser Ansicht einige Seiten unserer Schrift gewidmet - ob sie sich zur histori schen Gewißheit erheben lasse, wird die Zeit lehren.

Räter einen ältern Typus als die etruskische und
wenn sich auch dagegen anführen läßt, daß zur
Zeit der gallischen Einwanderung und der dadurch_lonisiet, haben sollten.
veranlaßten Vertreibung der Tusker aus dem Polande
die Sprache dieser lehtern noch auf gleicher Stufe
mit jener im eigentlichen Etrurien gestanden, das
Rätische alsdann die Alterthümlichkeit des Idioms
länger bewahrt, das Etruskische sie aufgegeben ha
ben könne
also auch aus der Sprache
nichts zu folgern wäre, so läßt sich doch den schon
von Niebuhr und Ottfried Müller angeführten Grün-
den noch beyfügen, einmal, daß schon der Umfang
des Gebiets, in dem diese Namen ununterbrochen
sich an einander reihen von dem Genfersee bis
Bregenz, von da über Tölz in Oberbayern in die
Gegend von Salzburg und von dort in die carni-
schen Alpen zu weit scheine, um seine Bevöl
kerung jenen versprengten Haufen der poländischen
Etrusker verdanken zu können, und daß ferner,
die Wahrscheinlichkeit eines solchen Anfangs der Rä-
ter immer mehr abnehme, je mehr die Hypothese,
daß auch die Carner und Noriker, die Helveter,
die Rauraker, die westlichen Alpenvölker und die
Ligurer ursprünglich rasenischer Sippschaft waren,
an Boden gewinne. Dürfen nämlich alle diese,
wozu Livius Alpinis quoque gentibus tusca
origo aufzufordern scheint, als eines Stammes
· betrachtet werden, so ist ihr Ausgehen von den
Etruskern, theils, wie bey den Ligurern und ihren
Nachbarn, gegen alle Geschichte, theils, wie bey
Carnern, Norikern, Rätern u. s. w. um so unwahr-

Zum Schlusse der Sizung hielt Herr Dr. Braun, der ebenfalls als Gast in die Classen: sizung eingeführt war, einen Vortrag über eine von ihm gefundene und erläuterte bemalte Schale griechischer Arbeit, auf welcher Scenen aus dem Mythos der Attischen National: Heroen Kekrops, Theseus und Ajas in einer Art von Trilogie dargestellt sind. Die Erklärung wird durch die den Figuren beygeschriebenen Namen erleichtert und gesichert.

Mit diesem Stücke wird das Inhalts

Verzeichniß des sechszehnten und siebenzehnten Bandes der Gelehrten Anzeigen ausgegeben.

Gedruckt in der k. Central - Schulbuch - Druckerey,
im Verlage der königlichen Akademie der Wissenschaften,
in Commission der Franz'schen' Buchhandlung.

Inhalts- Verzeichniß

der Gelehrten Anzeigen von 1843, Band XVI. und XVII.

Die römische Ziffer verweist auf den Band, die arabische auf die Seite des Bandes.

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3

4

Cavour, Gust. de, Fragmens philosophiques. Turin 1841. XVII. 745. Cesati, Vincentio, stirpes italicae rariores vel novae etc. Fasc. I. II. Mediol. 1841. XVII. 17. Chalybäus, Dr. Heinr. Mor., historische Entwick lung der speculativen Philosophie von Kant bis Hegel. 3. Aufl. Dresd. u. Leipz. 1843. XVII. 849.

XVI. 647.

Chenier, C. de, Histoire de la lutte des Papes et les empereurs de la maison de Souabe etc. Paris 1841. Cicero's sämmtliche Werke gungen von Reinhold Klog.

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In deutschen Uebertra 2. Bd. 2. Thl. XVII. 481. und Palingenesie.

Cieszkowsky, Dr. Aug., Gott
Erster kritischer Theil. Berl. 1842. XVI. 436.
Cousin, V., Cours de l'histoire de la philo-·
sophie. Tom. I. II. nouv. édit. Paris 1841.
XVII. 657.

Danske, Det Kong. D. Videnskabernes Sel kabs naturvidenskabelige og mathematiske Afhandlinger. Thl. 9. 1842. XVII. 585. Desnoyers, M. J., note sur les cavernes et les brèches à ossements des environs de Paris 1842. XVI. 585. Dieffenbach, E., Travels in New-Zealand. Vol. I. II. Lond. 1843. Döderlein, Dr. Ludw., Jahresbericht von der k. Studienanstalt zu Erlangen. Vorausgeschickt eine Uri stologie für den Vortrag der Poetik und Rhetorik. Erlangen 1812. XVI. 381.

XVII. 569.

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XVI. 193.

Fabri, Ern. Guil., emendationes Liviana e.
Norimb. 1842.
Fittbogen, Chr. W., Observatives Livianae.
Francof. ad. V. 1842.
XVI. 641.

Fontes rerum germanicarum. Geschichtsquel-
len Deutschlands, herausgegeben von Joh. Friedr.
Böhmer. 1. Bd. 1843.
XVII. 425.
Frankenheim, System der Krystalle. Breslau
1842.
XVI. 113.
Frauenstädt, Dr. J., Schellings Vorlesungen in
Berlin, Darstellung und Kritik der Hauptpunkte der-
selben c. Berlin 1842.
XVI. 513.
Fries, Jac. Friedr., Versuch einer Kritik der Princi-
pien der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Braunschweig
XVII. 889.

1842.

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