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Referent sammt und sonders bestreiten, nicht minder die angeblichen aus den Constitutionen, wo nur die Stelle S. 8, 3. 29 noch einer näheren Erwägung bedarf. Hätte übrigens der lezte Redactor auch wirklich die Constitutionen gefannt was angesichts des ὡς καὶ αὐτὸς Κλήμης ὑμῖν διηγήσεται 5. 8, 29 wenigfiens für die epistola Clem. ad Jac. am nächsten liegt so würde sich im. mer noch fragen, in welcher Gestalt ihm die letteren vorgelegen.

S.(11) der Vorrede fündigt de Lagarde eine neue Untersuchung über das Verhältniß der Homilien zu den Recognitionen an, von welcher wir nur wünschen, daß er sie nicht allzulange im Pulte behalte. Die von ihm angedeutete Grundauffassung geht darauf hinaus, daß beide Werke gemeinschaftliche Quellen unabhängig von einander benutzt haben, wobei leicht die eine Quelle bei den Recognitionen, die andere bei den Homilien in ursprünglicherer | Gestalt vorliegen könne. Jedenfalls verlohnt sich's der Mühe, die Frage einmal auch unter diesen Gesichtspunkt zu stellen, da die bisherigen Untersuchungen die Sache noch nicht zum Abschluß geführt haben, und Referent bekennt seinerseits gern, daß er schon seit längerer Zeit zu einer ähnlichen Ansicht gekommen ist. Die der Vorrede beigegebenen Bemerkungen über die Verbreitung der in den Clementinen erzählten Sage“ sind nicht bloß für die Geschichte der clementinischen Literatur selbst, sondern auch für einige ver wandte kirchengeschichtliche Fragen von Interesse und werden auch denen, die sich mit der Geschichte des deutschen Mittelalters specieller befassen, willkommen sein. Wir wünschen dem Heraus. geber im allgemeinen Interesse der Wissenschaft aufrichtig eine kräftigere Unterstüßung seiner verdienstvollen Arbeiten, als ihm bisher zu Theil geworden ist, können jedoch die Bemerkung nicht zurückhalten, daß was er uns bietet noch weit bereitwilligere Anerkennung finden würde, wenn der Ton, in dem er zu schreiben pflegt, etwas weniger berlinisierte.

Chastel, Étienne, le christianisme et l'église au moyenâge. Coup d'oeil historique. Paris, 1859. Leipzig, Brockhaus. (359 S. kl. 8.)

Es ist dieses die tüchtig ausgeführte Arbeit eines Gelehrten, von dem nur Treffliches zu erwarten ist. Der Verfasser theilt uns keine eigentliche Kirchengeschichte des Mittelalters mit, sondern einen resumierenden Ueberblick über dieselbe, ein Gemälde, in welchem die Töne angegeben werden, in denen die mannigfachen Geschichtsbilder des christlichen Mittelalters dem Auge des unbefangenen Forschers sich darstellen. Der Leser findet darum in dem trefflichen Buche nicht etwa kritische Untersuchungen, sondern die Früchte derselben, aber freilich völlig ausgereifte, gesunde Früchte.

Seiner ganzen Einrichtung nach kann das Buch zu einem doppelten Zwecke dienen, indem es ebensowohl dem der Kirchengeschichte des Mittelalters noch unkundigen Leser zur Einführung in dieselbe als auch dem Geschichtskundigen zur Wiederholung des reichhaltiger. Stoffes zu dienen vermag.

Das ganze Werk zerfällt in zwei Haupttheile, einen kürzeren (S. 1-36), worin die griechische, und einen ausführlicheren (S. 89-347), worin die lateinische Kirche besprochen wird. Den Schluß bildet ein resumierender Rückblick auf die gewonnenen Resul tate. Nachdem nämlich der Verfasser die äußere und innere Situa tion der griechischen Kirche mit einigen skizzierenden Strichen gezeichnet hat, werden zunächst die Kämpfe der lateinischen Kirche des Mittelalters mit dem Polytheismus, Mahumedanismus und Judaismus, sowie die allmählige Veränderung und Erweiterung ihres Terrains vorgeführt, worauf der Verfasser die progressive Entwicklung des katholischen Systems bis zum dreizehnten Jahr hundert hin in der Organisation der Kirche, in der Stellung der selben zum Staat, im Cultus, in der Gesittung und in der Wissenschaft nachweist und schließlich die mannigfachen Erscheinungen einer politischen, kirchlichen, wissenschaftlichen und religiösen Reaction, die im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert gegen das katholische Princip hervortrat, charakterisiert. In diesen Aus

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führungen ist uns Einzelnes als mangelhaft erschienen. In dem die karolingische Zeit darstellenden Abschnitte vermissen wir z. B. die Kennzeichnung des specifisch evangelisch-protestantischen Elements, welches sich in derselben nach so vielen Seiten hin, und zwar ziemlich lange Zeit hindurch, geltend machte. Auch hätten zur Charakterisierung der slavischen Religionssysteme ganz andere treffendere Züge hervorgehoben werden können, als die sind, welche der Verfasser S. 50 berührt. Außerdem können wir dem Raisonnement desselben nicht in allen Punkten beipflichten. Hr. Chastel will nämlich in der Geschichte und in den Geschicken der Kirche des Mittelalters einen stetigen Fortschritt des Cultur- und Humanitätsinteresses nachweisen (was ihm auch im Allgemeinen gelungen ist), und glaubt hierbei selbst die Ausbreitung des Muhamedanismus als einen wesentlichen Fortschritt der religiösen Cultur begrüßen zu dürfen, indem doch der Islam den biblischen Monotheismus selbst unter solchen Völkern heimisch gemacht habe, unter denen das Christenthum niemals hätte Eingang finden können. Aber zwischen dem monistischen und fatalistisch, deistischen Gottesbegriff des Islam und dem Monotheismus des Alten Testamentes und der Bibel überhaupt ist doch ein Unterschied. Der Muhamedanismus gewährt seinen Bekennern nicht die Erkenntniß des wahren Einen Gottes, sondern hält ihnen ein Trugbild (?) vor, und hat darum die Völker, die von ihm bewältigt wurden, nicht zur Cultur und Humanität, sondern zum Gegentheil beider geführt. Allein wenn schon das vorliegende Werk außer dem von uns berührten noch mancherlei andere Punkte enthält, über die wir mit dem geehrten Verfasser rechten möchten, so hindert uns dieses doch nicht dem trefflichen Buche, welches so recht dazu gemacht ist, in dem Leser das lebendigste Interesse an dem behandelten Gegenstande zu erwecken, unsere vollkommenste Anerkennung zu zollen.

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eine von der Wurzel aus in allen ihren Wendungen innerlich corrigirte und kritisch berichtigte Darstellung derselben geben, und zwar so, daß wenigstens die Grundlage dieser durchgreifenden Berichtigung in dem unmittelbaren Zurückgreifen auf die Quellen in die Darstellung mit aufgenommen ist." Ueber diese Grundlage, d. h. über den Standpunkt, von welchem aus der Verfasser die Darstellung der Geschichte der Philosophie „von der Wurzel aus“ einer Correctur und kritischen Berichtigung zu unterziehen sich veranlaßt und berechtigt findet, ist es am besten ihn selbst sprechen zu laffen. Der innerste und wahre Herzpunkt der christlichen und aller Philosophie liegt in dem Bestreben, die Welt aus dem inneren Leben des dreieinigen Gottes zu verstehen (S. 263). Der Sub. jectobjectivirungsproceß im absoluten Eein, d. h. das absolute Sein als Selbstbewußtsein ist nichts Anderes, als der philosophische Ausdruck der Trinitätslehre, deren reale Momente (Person und Wesenheit) im creatürlichen Gegensaß (Geist und Stoff) als end. liches Gegenbild erscheinen, aus dem eben für das endliche in diesem Gegensatz subsistirende Denken der dialektische Proceß zu dem Absoluten führt (S. 312). In demselben Momente, wo das endliche Denken, um sich selbst zu conservieren, das persönliche Absolute seßt, muß es erkennen, daß es diesen Denkact umkehren muß, daß es in Wahrheit nicht das absolute Persönliche als seine Sehung, sondern umgekehrt sich nur als Sezung des absolut Persönlichen begreifen kann. Durch diese Umkehr ist dann die Möglichkeit, die Wahrheit des Denkens durchzuführen gegeben; . . . die Hemmung, welche das empirische Denken in dem diesseitigen Zustande in dieser an sich als möglich erkannten Durchführung erfährt, erkennt das christliche Bewußtsein als Folge der Störung, die in das Verhält niß des Geschaffenen zu Gott durch die Creatur eingetreten ist, eine Störung, die in Christo, dem Menschgewordenen, und seinem Werke objectiv wieder aufgehoben ist und durch das Denken und die Philosophie subjectiv mehr und mehr wieder aufgehoben werden joll (S. 332). Da nun Plato der erste und im Alterthum einzige Denker ist, bei welchem sich die im Denken erfaßte und festgestellte Unterscheidung des realen Unendlichen und des realen Endlichen (jo daß jenes mit dem Begriffe des persönlichen Gottes, dieses mit dem Begriffe des durch den Willen Gottes Geschaffenen zusammenfällt), wenn auch nicht als vollständig erreichtes Resultat, doch als die höchste Intention seiner Philosophie zu erkennen giebt, so hängt von dem Verständnisse des platonischen Begriffes der Bewegung und seiner Bedeutung für die Philosophie nicht bloß das Verständ niß des ganzen geschichtlichen Entwi felungsganges, sondern auch die wirkliche Lösung der Aufgabe der christlichen Philosophie ab.“ (E. 50. 230.) Dabei unterliegt es für den Verfasser keinem Zweifel, daß Glaubensgeheimnisse, wie die Dreieinigkeit, die Incarnation u. s. w. wirklich Gegenstände eines philosophischen Wissens werden können; denn „den Saß, daß in der Theologie etwas wahr jein könne, was in der Philosophie falsch sei, hat die Kirche als häretisch bezeichnet und darin ist die Bürgschaft einer möglichen vollständigen Lösung der Frage gegeben" (S. 252). Ein vorzügliches Mittel, dieses Ziel zu erreichen, scheint, so viel sich aus zer. itreuten Andeutungen schließen läßt, das „tiefere Verständniß der Sprache“ sein zu sollen. Da das den Begriff firirende Wort als Glied im Bau der Sprache ein jedem individuellen denkenden Sub. jecte Vorausliegendes sei, so müsse man die Sprache als ein Ob. jectives und Allgemeines in ihrem Zusammenhange mit dem schaffenden Logos auffassen; thue man dies, so werde man durch den Denfact in der Sprache in den wahren und ewigen Zusammenhang des Seins eingeführt (S. 232); daher denn auch z. B. an Nicolaus von Cusa gerühmt wird, daß er, obwohl er mit Aristoteles die Worte nur als äußere Zeichen betrachte, doch aus ihrer ur. iprünglichen Mittheilung durch Gott alle Erkenntniß des Menschen. entspringen lasse (E. 256). Hiermit soll auch wohl die „dialektische Durchführung“ zusammenhängen, deren Mangel der Verfasser fast regelmäßig und beinahe in der Form einer stehenden Redensart auch an den Philosophen rügt, mit deren Richtung er übrigens zu

frieden ist; wenigstens erfährt man S. 273, daß „die universale Dialektik sich allein im richtig gefaßten Logosgedanken vollzieht."

Diesen Andeutungen über den Standpunkt des Verfassers ge. genüber dürfte es ziemlich unfruchtbar sein, der Art, wie er die Versuche und Systeme der einzelnen Denker weniger darstellt als beurtheilt, ins Einzelne zu folgen. Am ausführlichsten ist die pa. tristische und scholastische Philosophie behandelt (S. 125-252); da die philosophischen Bestrebungen dieser Periode sich ausschließend auf dem Gebiete bewegen, auf welchem er die wesentliche Aufgabe aller Philosophie findet, so verweilt er bei ihnen mit einer leicht kenntlichen Vorliebe, und es mag den Freunden der Echolastik überlassen bleiben, die einzelnen eigenthümlichen Auffassungen des Verfassers zu prüfen. Die neuere Zeit seit Cartefius, welche bis auf Kant unbewußt, seit Kant mit Bewußtsein „das ganz auf die subjective Thätigkeit des Individuums beschränkte Denken von seiner geschichtlichen Grundlage losgerissen und so die Philosophie nicht mehr als eine Weiterentwickelung der im Mittelalter schon erreichten Höhe, sondern in Opposition zu Christenthum und Kirche erscheinen läßt", muß sich mit 80 Seiten begnügen (S. 264-344); davon kommen auf Rant 20, auf Fichte, Schelling und Hegel zu sammengenommen 26 Seiten; man mag daraus abnehmen, mit welchem Erfolge der, welcher von den Problemen, Principien, Methoden, Zielpunkten und Resultaten der Philosophen der lezten zwei Jahrhunderte noch nichts wüßte, dieses Buch als Hülfsmittel historischer Belehrung würde benußen können. -- In den oben angeführten Worten der Vorrede spricht der Verfasser auch vom „unmittelbaren Zurückgreifen auf die Quellen." Soll damit gemeint sein, daß er durch ausreichende und sorgfältig gewählte Belegstellen dem Lejer Gelegenheit gebe, über die Angemessenheit der Darstellung an das Dargestellte sich selbst ein Urtheil zu bilden, so sind dazu die wenigen Originalstellen, die er seinem Tert einverleibt, viel zu sparsam und dürftig. Daß er aus den Quellen gear. beitet habe, soll deshalb nicht bezweifelt werden; wenigstens ist nicht wahrscheinlich, daß er ein Citat aus Kant in einem anderen Buche so gefunden hat, wie es hier S. 286 steht. Nämlich aus den Worten Kants: quod determinal subjectum respectu praedicati cujusdam, dicitur ratio. Ratio distinguitur in antecedenter el consequenter determinantem, macht der Verfasser Folgendes: quod determinat subjectum respectu praedicati, ejusdem dicitur ratio sive antecedentem sive consequentem. Die Schreib. art Loke statt Locke könnte man für einen Druckfehler gelten lassen, wenn sie nicht so gar beharrlich festgehalten würde.

Geschichte. Biographie.

Sprenger, A., das Leben und die Lehre des Mohammad nach bisher grösstentheils unbenutzten Quellen bearbeitet. 3. Band. Berlin, 1865. Nicolai's Verlag. (3 B., CLXXX, 554 S. 8.)

Mit diesem Bande liegt der Schluß von Sprengers lehrreichem. Werke vor. Er enthält zunächst eine umfangreiche Vorrede, die uns nach einigen einleitenden Bemerkungen mit den Quellenschriften des Verfassers bekannt macht (S. XVIII folgende). Der Koran selbst, wenige Urkunden, die Biographen Mohammads, die Sunna und die genealogischen Traditionen lieferten das überreiche Material, mit Hülfe dessen der Verf. sein Werk construirte. In dem be. schränkten Raume von CLXXX Seiten war es freilich nicht möglich, eine bis ins Einzelne gehende Quellenkritik zu geben. Was aber aus dem schwer zu beherrschenden Stoff hervorgehoben ist und namentlich was der Verf. über den Werth der arabischen Tra dition überhaupt, zumal der Genealogien gesagt hat, ist ebenso interessant als instructiv und läßt nur wünschen, er möge die Seite XVII ausgesprochene Absicht, über seine Quellen eine Monographie zu geben, nicht fallen lassen. Wohl keiner unserer Drientalisten hat so viel Traditionreihen und Geschlechtsregister por Augen gehabt

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Genauigkeit im Kleinsten sollte dem Orientalisten ebenso am Her. zen liegen, wenn er sinnentstellende Fehler vermeiden will, wie die | interessantesten und das größere Publicum allein ansprechenden Realia. Wer aber diese popularisiren will, sollte doppelt ängstlich Fehler in Namen und Zahlen vermeiden und die sorgfältigste Druckrevision ermöglichen. Das ist keine überflüssige Pedanterie, über die der Verf. in der Vorrede zum ersten Bande so sehr die Nase rümpft.

Aber übersehen wir über allen diesen kleinen Uebelständen nicht den bedeutenden Gewinn, den die Geschichte von dieser lebens. vollen Zeichnung einer der interessantesten und einflußreichsten Per. sönlichkeiten ziehen wird. Reiche Quellen sind aufgedeckt; ihre volle Ausbeutung kann nicht Sache eines Einzelnen sein. Die interessan.i teste Frage blieb freilich auch mit ihrer Hülfe ungelöst, wir meinen den genaueren Nachweis der organischen Entwickelung des Islam aus den damals gegebenen culturhistorischen Factoren in Arabien.

Theoderici libellus de locis sanctis editus A. D. 1172. Cui accedunt breviores aliquot descriptiones Terrae Sanctae. Nach Handschriften mit Bemerkungen herausgegeben von Titus Tobler. St. Gallen, 1865. Huber u. Co. (261 S. kl. 8.) 1 Thlr. 15 Sgr.

und verglichen und keiner dürfte so befähigt sein, über das ganze Traditionswesen wie über Werth und Glaubwürdigkeit der einzelnen Traditionsmänner endgültige Resultate in einer Schrift niederzulegen, die jeden weitern Schritt, den die Kritik in der Ge. schichte der Araber thut, wesentlich leichter und sicherer machen müßte. Den eigentlichen Inhalt des Bandes bildet in acht Kapiteln Mohammads Auftreten in Medina als Gesetzgeber, Eroberer und Herrscher bis zu seinem Tode. Die Fülle des verarbeiteten Materials ist auch in diesem Bande bewunderungswürdig. Gegen die beiden früheren berührt den Leser besonders angenehm das geringere Maß von Hypothesen, die, ebenso kühn wie geistreich, doch wenig befriedigen konnten. Zwar gilt, wenn von einer, so von der geschichtlichen Ueberlieferung der Araber, daß sie „eine conventionelle Lüge" jei (S. LXVII). Aber Aufgabe der historischen Kritik sei kann doch nur sein, die Unwahrscheinlichkeiten in ihr und ihre Lücken aufzudecken, und wo sich keine Mittel zu ihrer Ausfüllung finden lassen, ist es besser, hierbei stehen zu bleiben, als sie durch Hypothesen ausgleichen zu wollen, die doch nur dann Zutrauen verdienen, wenn alle betreffenden Phänomene durch sie erklärt werden können“ (S. 1). Für diese Periode von Muhammeds Leben, dessen Geschichte hier mit der des entstehenden Staates identisch wird, sind die Quellen so, daß sie dem Bearbeiter mehr zu ordnen und zu sichten, als aus der Fülle seiner Voraussetzungen zu er gänzen übrig lassen. Auch in diesem Bande hat der Verfasser dem spröden Stoffe durch mannigfache Abschweifungen mehr Farbe zu geben versucht. Oft wird durch interessante Seitenblicke auf analoge Verhältnisse bei anderen Völkern und in anderen Zeiten den fraglichen Punkten mehr Licht gegeben, und nicht selten muß auch unsere Zeit zur Illustration dienen. Hierbei scheint uns der Verfasser oft mit zu großer Vorliebe verweilt und des Guten zu viel gethan zu haben; manchmal will es uns bedünken, als ge. wönnen wir daraus mehr für eine Biographie des Verfassers als Muhammads. Enger aber an den Stoff schließt sich der lehrreiche Anhang an über die Tauschmittel der Araber (S. 134) und manche | andere Digression, wie der Abriß über Geographie und Stämme in Südarabien (S. 435), treffliche Skizzen zu culturhistorischen Monographien, die unumgänglich nothwendig sind, ehe man in der Geschichte der Araber einen Schritt weiter thun will. — Um schließlich auf einige Einzelheiten zu kommen, so wäre es für das ganze Werk wünschenswerth gewesen, daß die jest fast allgemein gewordene Transcriptionsweise des Arabischen angewandt worden wäre. Umschreibungen wie Natzâyir (XXXVII, 3. 9) geben eine falsche Aussprache. Die meisten der ziemlich zahlreichen Druckfehler find leicht zu verbessern. Manche freilich geben Falsches, z. B. CIII, 1 Muslim (+26) statt 261; als Druckfehler muß wohl auch Muta statt Muta (S. 80 unt.) und bidha statt bidhâ'ah (S. 141 unten) gelten. In der Schreibung der Eigennamen ist aber jedenfalls die größte Sorgfalt anzuwenden. Neben dem richtigen Abu Kilâbah findet sich auf derselben Seite (238) Abu Kulabah, wie Alkâma (S. 401) neben Alkama (S. 400). Gabbalah (S. 263) sollte Gabalah heißen und Schimr ebendaselbst Schammir. G. 483 lies Schu'bah statt Scha'bah und 517 ‘Ablah für Ibla u. f. w. Die Uebersetzung: „Die Geduld ist schön“ (S. 65, 3. 30) sollte einem Kenner der Korancommentare nicht aus der Feder kommen. 'Arg (S. 438 Anm.) heißt nie Treppe, Leiter, sondern mi 'râg. Statt ma çun (S. 36, Anm. 2) ist jedenfalls ma'sûm zu lesen uud S. 63, 17 Muçfarrât. In dem classischen Arabisch ist nur Mufâ'alah der Masdar der dritten Verbalform und diese Form wäre in diesem Buche besser am Plaze als die abgeschwächte, bei den Türken und vielleicht auch in Indien gebrauchte Mufa'ilah, vgl. Musâhifah und Murâfikah (LXXII) und Musâmirah (S. CLXVII, unten). Die Erklärung von Nasy (S. 536) Die Erklärung von Nasy (S. 536) beruht auf einer Vermengung der freilich aus derselben Wurzel erwachsenen Stämme nasa'a und nasija. Die Liste von solchen kleinen Versehen und Unrichtigkeiten im Einzelnen ließe sich leicht noch vermehren. Richtige Vocalisation, überhaupt gewissenhafteste

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Der für die historische Forschung der geographischen Kenntniß des heiligen Landes unermüdlich thätige Dr. Tit. Tobler beschenkt uns in der vorliegenden Schrift mit einer Beschreibung Jerusa. lems und des heiligen Landes aus dem 12. Jahrhundert, welche durch Genauigkeit und Klarheit vor allen übrigen alten Beschrei bungen sich auszeichnet und in dieser Beziehung, wie Tobler be. merkt, einer ziemlich zahlreichen Classe leichtfertig schreibender Heiliggrabpilger als Muster dienen könnte. Von dem Verfasser wissen wir nichts weiter als den Namen; durch scharfsinnige Com. binationen macht der Herausgeber es aber höchst wahrscheinlich, daß er der dilectus socius et domesticus Dietricus ist, welchem Johannes von Würzburg seine Beschreibung des heiligen Landes widmete und der nach ihm die Pilgerfahrt in den Jahren 1171– 1173 antrat. Daß er von Geburt ein Rheinländer war, schließt Tobler daraus, daß er und seine Genossen einen Wallbruder, Namens Adolf aus Köln, in Jerusalem begruben, und daß er die Grabesrotunde in Jerusalem mit der Kirche in Aachen vergleicht. Theoderich giebt seine Mittheilungen theils aus eigener Anschau, ung, theils nach den Berichten Anderer, wobei ein altes Compen. dium, welches den meisten Beschreibungen des heiligen Landes aus damaliger Zeit zu Grunde liegt, eine nicht unbedeutende Rolle spielt. In der Darstellung scheidet sich beides ziemlich bestimmt; wo er aus eigener Anschauung erzählt, ist er klar, ausführlich und manches Neue und Eigenthümliche bringend, wo er dem alten Compendium folgt, ist er weit kürzer, undeutlicher und mehr oder minder verworren. Dies lettere ist aber bei ihm doch noch weniger der Fall als bei Johannes von Würzburg, wo dieser ebenfalls nach dem alten Compendium berichtet. Die Anordnung des Ganzen ist bei Theoderich gleichfalls viel regelmäßiger und folgerichtiger. Dem Terte des Theoderich sind vier Fragmente von Beschreibungen Jerusalems und des heiligen Landes angehängt, von unbekannten Verfassern, ebenfalls aus der Zeit der Kreuzzüge, von denen das | dritte sich durch eine gewisse Vorliebe für Wundererzählungen auszeichnet. Die Zuthaten Tobler's in Einleitung und Anmerkungen verrathen, wie dies von ihm nicht anders zu erwarten, einen Reichthum historischen Wissens, den man nicht leicht bei einem andern finden wird. Der Tert ist im Ganzen gut und lesbar hergestellt, wogegen kleine Inconsequenzen, wie, daß er S. 1 die falsche Lesart trinitatis und S. 78 civitatis in den Tert seßt und die Verbesse rung in den Anmerkungen bringt, während er sonst zweckmäßiger das umgekehrte Verfahren befolgt, und daß die falschen Lesarten S. 3 adventiis für adventitiis, S. 9 in arcu für in area, S. 39 respicientem für respiciens, S. 86 affuturum für affuturam

(oder ist dies bloß Druckfehler ?) gar nicht berichtigt werden, nicht | endlichen Einfluß auf die Palastintrigen und die äußere Politik in Betracht kommen.

A.

Andlaw, Frz. Freih. v., die byzantinischen Kaiser, ihre Palast, und Familien - Geschichten, ibre Schicksale. Historische Studien., Mainz, 1865. Kupferberg. (XIII, 379 S. gr. 8.) 1 Thlr. 5 Sgr. Eine neue gründliche und lesbare Bearbeitung der byzantini. schen Geschichte ist ohne Zweifel ein längst gefühltes Bedürfniß. In den lehten 12 Jahren ist bei uns eine Fülle urkundlichen Ma. terials ans Tageslicht gefördert worden, auf das hin die Geschichte des oströmischen Reiches größtentheils ganz umgestaltet werden muß. Vor allem sind es die Handelsbeziehungen der Byzantiner zu den italienischen Seestaaten, die in den Vordergrund treten müssen, und zu deren Aufhellung der verstorbene Tafel und sein rüftiger College Thomas so viel beigetragen haben. Die kirchlichen Verhältnisse sind erst durch Miklosichs und Müllers Uriundensammlung ganz verständlich geworden. Finlay hat in seinen verschiedenen Werken, die eine zusammenhängende Geschichte Griechenlands von der Römerzeit bis heute bilden, ohne selbst neue Urkunden beizubringen, auch die Geschichte der byzantinischen Kaiser mit fritischem Scharfsinn und politischem Scharfblick behandelt, mögen auch, wie er selbst nicht verkennt, manche seiner Hypothesen auf schwachen Füßen stehen und jüngeren Forschern unhaltbar erscheinen. Aber ein gewaltiger Fortschritt ist denn doch nicht zu ver kennen, wenn wir seine Arbeit mit der Gibbons vergleichen, die, so hochachtungswerth auch die Gesinnung ihres Verfassers ist, doch auf ein ganz unzureichendes Material basirt ist, und daher von vorgefaßten Meinungen nicht frei sein kann. Wie verhält sich | nun vorliegendes Buch zu den neuesten Forschungen? Die Arbeiten von Tafel und Thomas, Miklosich und Müller, Finlay und anderen find dem Verfasser vollständig unbekannt geblieben, wie er selbst naiv eingesteht. Die lange Reihe der byzantinischen Reichs. historiker hat er gewiß ebenso wenig durchgelesen, seine Quelle ist Gibbon und das „ausgezeichnete, gediegene“, aber troß St. Mar. tin's und Brosset's Zusäßen längst veraltete Werk von Le Beau. Es ist ein verwässertes Excerpt aus Gibbon, was wir hier vor uns haben, reine Dilettantenarbeit, ein schwaches Seitenstück zu Vehse's deutschen Hofscandalgeschichten. Der bejahrte Herr Verfasser tritt nun freilich durchaus nicht mit gelehrten Prätensionen hervor; er will in der Chronique scandaleuse der byzantinischen Dynastie der Mit- und Nachwelt eine „Warnungstafel, ein abschreckendes Beispiel" aufstellen. Weit entfernt, diese ehrenhafte Gesinnung zu tadeln, müssen wir denn doch bekennen, daß ein solches Moralifiren in Rotted'scher Manier für die Geschichtsforschung ein längst überwundener Standpunkt ist. Und da eben alle Punkte in der byzantinischen Geschichte lediglich auf dem Probirstein haus. | badener Moral geprüft werden, kann es an schiefen Urtheilen nicht fehlen. Die Komnenen, die Palaeologen, wie sehen die bei Finlan ganz anders aus als bei Gibbon und dessen modernstem Nachbeter. Gewaltige Confusion in der Chronologie, die doch nach Muralts Vorarbeiten sich ziemlich genau feststellen läßt, frappirt auf jeder Seite; dazu die Menge ungriechischer Endungen: Kantakuzeno, Komnenus, Balaeolog, Staura (für Staurakios), Aleris, Johan nices, Duras (Durazzo oder Dyrrhachion); dann Galerus für Galerius, Montserrat für Montserrat consequent, so daß kein Druckfehler obwalten kann, u. s. f. Die genealogischen Tafeln sind ganz ungenau; in der der Palaeologen fehlt z. B. Thomas von Morea, während deffen Brüder aufgeführt sind; auch die Kaise. rinnen zu numerieren, wie hier geschehen ist, scheint höchst bedenklich, da nur einzelne als solche Regentinnen wie Pulcheria, Irene, Zoe, Theodora — historische Bedeutung haben, im Uebrigen aber schon jezt die Namen mancher Kaiserinnen festgestellt sind, die hier nach Gibbons Vorgang ignorirt werden. Die Trichotomie in Kriegs-, Kirchen- und Palastgeschichte ist im höchsten Grade störend, da nirgendwo alle drei enger zusammenhängen als in Byzanz; bei Beleuchtung der theologischen Streitigkeiten, die so un

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ausübten, falls sie nicht nur politischen Parteiungen als Folie
dienten, hat sich der Verfasser zu sehr von seinem katholischen
Standpunkte beirren lassen. Daß daneben eine Menge ungenauig-
keiten unterlaufen, z. B. ein Graf von Auxerre und Guy (Guido,
hier für einen Ort angesehen), wird Niemanden mehr wundern.
Kurz, eine zwar gut gemeinte, doch den Anforderungen unserer
Zeit auch nicht im mindesten entsprechende Arbeit, ohne Quellen-
studium, ohne historische Kritik, im höchsten Grade unzuverlässig.
Die Darstellung ist nicht im Stande, uns mit dem Mangel an
eigener Forschung zu versöhnen; sie ist ungelent und manierirt,
trocken und farblos.

Soden, Frz. Freih. v., Oberstlieut., Gustav Adolph und sein
Heer in Süddeutschland von 1631 bis 1635. Zur Geschichte
des 30jährigen Krieges. 1. Bd. Von Gustav Adolphs Erscheinen in
Süddeutschland bis zu seinem Tod. 1631 bis 1632. Mit Plan.
Nach archivalischen und anderen Quellen bearbeitet. Erlangen, 1865.
Bläsing. (XXII, 525 S. gr. 8.) 2 Thlr.

Soll man sich freuen, oder soll man es bedauern, daß in nenester Zeit die Zahl der schriftstellerischen Arbeiten von „NichtHistorifern" auf dem Gebiete der Geschichte so sehr anwächst, daß selbst gewisse „historische“ Kreise von „historischer Zunft“ mit Verachtung zu sprechen anfangen? Was an der Geschichtswissenschaft Handwerk ist, hat heut zu Tage eine staunenswerthe Vollständigkeit und Gesezmäßigkeit erreicht. Es giebt die strengsten mechanischen Regeln für Kritik; die Methode steht so fest, daß man sie nicht umgehen kann, wenn anders man nicht das Gebiet des Wissenschaftlichen unbetreten lassen will. Die meisten von denen, die das leugnen, laborieren gerade an dem, was sie für unnöthig erklären und was doch nicht unnöthig ist; oder was sie selbstverständlich nennen und sie doch nicht auszuüben verstehen. Vollends derer, die meinen die nöthige Zahl gelehrt scheinender Anmerfungen unter einem bald anziehenden, bald durch unnahbare Trockenheit abstoßenden Tert, ein bischen „Geräuspere und Gespucke“ von Kritik und Methode -: vollends ihrer ist eine unab sehbare Zahl. Wir könnten da zehn Werke für eins nennen; Werke, die zum Theil wenigstens in hoher Gunst bei dem Publicum stehen. Wir bescheiden uns, nur auf das vorliegende zu weisen. Gewiß, ein Werk über Gustav Adolf ist ein Bedürfniß, denn Gfrörer-Klopp dürfte doch wohl kaum ausreichend genannt werden. Zweifelhaft aber dürfte es sein, ob die Frage nach Gustav Adolf und seinem Heere, die Frage nach der mili. tärischen Bedeutung des schwedischen Krieges die richtige wäre, um diese Periode der Geschichte zu ergründen, oder auch nur, um fie erfolgreich aufzuhellen. Ja, wenn diese Frage noch in der Art eines Clausewit oder gar eines Lofsau beantwortet würde: in der brillanten Weise dieser geistreichen Militärs, die troß aller Fehler im Einzelnen im Ganzen ein großartiges Bild zu entrollen verstehen. Statt der großen Gesichtspunkte, statt eingehender genialer Raisonnements und Entwicklungen über die strategischen Pläne | Gustav Adolf's, statt überhaupt nur Fragen wie die nach den | Gründen, weshalb der König nach der Zerstörung Magdeburgs nicht auf Wien, sondern in die ligistischen Lande marschiert 2c. — statt solche Fragen aufzuwerfen, überfluthet der Freiherr v. Soden den Leser mit einem wahren Sturzbade von Details, das zum guten Theil nicht einmal wichtig ist, und jedenfalls in dem Zusammenhange des vorliegenden Werkes eine flägliche Rolle spielt. In ein Werk über Gustav Adolf und sein Heer, das kurzsichtig immer nur auf das Nächste schaut, nur auf Futter- und Bestellzettel, auf den Wortlaut gehaltener Reden und geschriebener Briefe, gehört nicht auch noch das und jenes, was der Verfasser gerade weiß, und was doch auch interessant ist. In ein solches Werk gehört nicht (6.27) eine Schlange von unglaublicher Größe mit einem Kopf, wie eine große englische Dogge", die nach allgemein verbreitetem Gerücht“ der Kaiser im Prater angetroffen habe; gehörten nicht die Lieferungen des Apotheker Paulus Gärtner zu Ochsenfurt" an

den König von Echweden, die in ein halb Pfund Ingber, ein halb Pfund Pfeffer, vier Pfund ganze Nelken 2c. 2c. 2c. bestehen (S. 112; dazu eine andere Lieferung von demselben königlich schwedischen Hoflieferanten auf S. 175), gehört ebensowenig das in dem „Inventar über die im Teutschen Hof zu Nürnberg vorhandenen Möbeln und anderen Sachen" enthaltene Verzeichniß, das ich vollständig mitzutheilen keinen Anstand nehme" (S. 231 f.), gehört vollends nicht eine Betrachtung über Herenprozesse (auch begegnen uns um dieselbe Zeit einzelne Fälle von Herenprozessen, wobei jedoch der Rath von Nürnberg, wie früher, so auch jezt sehr schonend verfuhr“ u. s. w. S. 315), oder ein Referat à la Clauren über die beiden im Mai und Sep. tember üblichen Rathsmahlzeiten", die der Nürnberger Rath „troß der herrschenden Noth und des allgemeinen Elends" hielt (S. 434 f.) u. s. w. u. s. w.

Aber das sind am Ende doch Nebendinge, nur Geschmacklofigleiten, an denen der gelehrteste, gründlichste Schriftsteller laborieren fann. Auch die introducierenden Worte des ersten Abschnittes (S. 3) mögen aus dem Wunsche hervorgegangen sein, möglichst rasch in medias res zu eilen. Wir meinen jene weder besonders geistreiche, noch eben Neues enthaltende Stelle, welche auf die Erwähnung der Breitenfelder Schlacht vom 7./17. September 1631 folgt: „Die Schlacht bei Breitenfeld (deren Kunde übrigens, wie der Verfasser schon vorher sehr aufhellend (!) bemerkt, sich blizes. schnell in ganz Deutschland verbreitete und mit sehr verschiedenen Gefühlen aufgenommen wurde u. s. w.“) hatte auch in so fern großen Einfluß auf die Weltereignisse, als sie die unmittelbare Veranlassung gab, daß der am 4. Juli n. St. 1630 vom Kaiser auf dem Fürstentage zu Regensburg entlassene Wallenstein zum unumschränkten Feldherrn der kaiserlichen Armee ernannt, den Kriegsschauplah nun abermals betrat, während Gustav Adolf am nämlichen Tage, wie schon anderwärts (wo?) erwähnt, an der deutschen Küste in Pommern an's Land gestiegen war." So etwas kann nur dazu beitragen, dieses Buch zur allgemeineren Lecture untauglich, es ungenießbar zu machen. Wenn nur dann für das Studium der wenigen gelehrten Fachgenossen um so größere Weisheit in ihm verborgen läge. Wir werfen einen Blick zunächst und vor Allem auf die „benußten Schriften.“ Zuerst eine Reihe von Archivalien und ungedrucktem Material, aus denen, wie das Buch selbst lehrt, fast nur Beiträge zum allerminutiösesten Detail zu schöpfen waren. Sodann 48 gedruckte Bücher. Von ihnen ist vielleicht der sechste Theil ungefähr oder genau gleichzeitig, das übrige sind spätere Bearbeitungen zum guten Theil noch aus der Zeit des heiligen römischen Reichs teutscher Nation. Die allerbekanntesten wichtig. sten Bücher fehlen: Chemniz, Londorp u. s. w., dafür findet man zum Troste unter Nr. 33 Galetti, Geschichte des dreißigjährigen Krieges u. s. w.

Der Wissenschaftlichkeit in der Sammlung des Materials entspricht die Wissenschaftlichkeit seiner Benußung. Diese Benutzung besteht in nichts als in einer Aneinanderreihung aller nur möglichen Notizen, in möglichster Ordnung. In einer Ordnung freilich, die nicht als mustergültig hingestellt zu werden verdient. 218 Seiten hindurch ist — beispielsweise bereits von Gustav Adolf gere. det, dann auf S. 219 findet sich plößlich die Notiz, daß er „auch der Löwe aus Mitternacht“ genannt worden sei u. s. w. Kritik fehlt ganz. Der Verfasser hätte Gelegenheit, er hätte die Pflicht gehabt, die genauesten Untersuchungen über Gustav Adolf's berühmte Rede in Nürnberg anzustellen: er hat in Betreff ihrer nicht einmal eine Ahnung von Zweifeln. Er untersucht nie, er erzählt nur oder vielmehr er häuft zusammen, auch da, wo es sich um Untersuchung und Zerlegung handeln mußte.

Bei dieser freiwilligen Selbstbeschränkung seines literarischen Unterbaues ist es dann freilich nicht zu verwundern, wenn der Verfasser mit einer ganz merkwürdigen Sicherheit seine Zahlen angiebt, und mit einer nicht minder merkwürdigen Unschuld als Beleg für sie einen Gfrörer nennt (S. 289).

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Das ist das Buch, über einen Gegenstand, der einer streng wissenschaftlichen Behandlung nicht minder werth ist, wie einer rein populären Darstellung. Freiherr von Soden aber hat es, fürchten wir, weder der Gelehrtenwelt, noch dem Publicum recht gemacht.

Annalen des Friedrich- Wilhelms - Gymnasiums zu NeuRuppin. Programm zur 500jährigen Jubelfeier desselben, von Dir. Prof. Dr. W. F. L. Schwartz. Neu-Ruppin, 1865. Oehmigke u. Riemschneider in Comm. (60 S. kl. 4.)

Eine fleißige annalistische Zusammenstellung der auf die Geschichte des Gymnasiums zu Neu-Ruppin von dem Jahre 1365, wo desselben zuerst erwähnt wird, bis auf die Gegenwart bezüglichen Facten, welche hic und da einen interessanten Beitrag zu der deutschen Schul. und Bildungsgeschichte im Allgemeinen liefern. Voran geht (S. 5—14) eine diese Einzelheiten zu einem Gesammt. bilde zusammenfassende Einleitung, wobei es einigermaßen befremdet, daß selbst in dergleichen Darstellungen „die nationalen Triumphe unseres preußischen Volkes bei Düppel und Alsen" hineingezogen

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Mit einer fleißigen Erstlingsarbeit tritt hier ein junger Schweizer Gelehrter auf, der sich die Aufgabe gestellt hat, an der Geschichte der militärischen Ereignisse und der diplomatischen Verhandlungen nachzuweisen, wie einst in einer kurzen, abge. grenzten Periode die Eidgenossen entscheidend und bestimmend in die Welthändel eingegriffen haben. Die Arbeit unterscheidet sich“, wie er selbst sagt, „wenn sich Kleines mit Großem vergleichen läßt, von den entsprechenden Abschnitten von Ranke, Havemann, Lanz u. A. dadurch, daß sie die Schweizer zum Mittelpunkte der Darstellung macht, von denen der schweizerischen Geschichtschreiber, daß sie mehr als diese die schweizerischen Dinge im Zusammenhange mit den europäischen behandelt, von fast allen dadurch, daß sie auch das außerordentlich reiche, seit Zlug und Ranke erschienene historische Material in den Kreis der Betrachtung gezogen hat." Die Zusammenstellung, Vergleichung und Benutzung des gerade über diesen Zeitraum bei Italienern und Franzosen, Schweizern und Deutschen, Engländern und selbst Spaniern neuerdings besonders massenhaft veröffentlichten Materials machen das Unternehmen schon an sich zu einem verdienstvollen. Eine umfangreiche Uebersicht der Quellen und die mit großer Gewissenhaftigkeit abgefaßten Anmerkungen und Auszüge, die fast den vierten Theil des Bandes füllen, zeigen, wie sehr es dem Verfasser darum zu thun ist, nicht nur aus alten Historien und Biographien, aus den neuesten Publicationen der venetianischen, florentinischen, Pariser oder Londoner Archive sich selber zu belehren, sondern für seinen Gegen. stand, nämlich eine zusammenhängende, auch das Detail nicht verschmähende Darstellung die breiteste Grundlage zu gewinnen. Nach einer Einleitung, die in kurzer Uebersicht noch einmal die allgemeinen Ereignisse von dem Zuge Karl's VIII nach Italien bis zu der | Schlacht bei Ravenna resumiert, werden in zwei Abschnitten die Kämpfe der Schweizer mit Ludwig XII um Mailand und die Anfänge Franz I, sein großer, entscheidender Sieg bei Marignano bis auf den Abschluß des ewigen Friedens mit der Eidgenossenschaft, also kurz ihre Eroberung Norditaliens und der Verlust desselben an Frankreich erzählt. Bescheiden, in einem schlichten, hier und da vielleicht noch etwas ungelenken Stil hält sich der Verfasser treu annalistisch und streng objectiv an dem Faden der Ereignisse. Er weiß mit Geschick aus den Documenten selber die oft sehr wirren Knäuel der Verhandlungen, der von den kriegenden und paciscie. renden Mächten um die Wette bunt durch einander abgeschlossenen Tractate abzuwickeln; auch hat er sich durch die Lecture der

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