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Das internationale Seerecht in

Kriegszeiten.

Ad Artikel „Kriegsgesetze".

Declaration von St. Petersburg vom 11. December 1868

über die Ausschließung gewisser Sprenggeschosse vom Kriegs

gebrauche.

Nachdem sich auf Vorschlag des kaiserlich russischen Cabinetes eine internationale Militär-Commission in St. Petersburg versammelt hat, um die Frage einer Prüfung zu unterziehen, ob es nicht passend wäre, die Anwendung gewisser Geschosse im Kriegsfalle unter civilisierten Nationen zu untersagen,

und nachdem diese Commission im gemeinschaftlichen Einverständnisse die technischen Grenzen gezogen hat, wo die Anforderungen der Menschlichkeit den Nothwendigkeiten des Krieges ein Ziel setzen,

sind die Unterzeichneten durch Auftrag ihrer Regierungen zu nachstehender Erklärung ermächtigt:

In Erwägung, dass die Fortschritte der Civilisation so viel möglich eine Verminderung der Leiden des Krieges herbeiführen sollen;

dass die Staaten in der Kriegführung berechtigter Weise nur Ein Ziel verfolgen sollen, nämlich die militärischen Kräfte des Feindes zu schwächen;

dass es zu diesem Zwecke hinreichend ist, eine möglichst große Zahl von Kriegern kampfunfähig zu machen;

dass die Anwendung von Waffen, welche die Leiden der kampfunfähig Gewordenen unnöthiger Weise vergrößern

oder deren Tod nothwendig herbeiführen würden, über dieses Ziel hinausgienge;

dass daher der Gebrauch solcher Waffen den Geboten der Menschlichkeit zuwider wäre;

so verpflichten sich die contrahierenden Theile gegenseitig im Falle eines Krieges unter ihnen, bei ihren Landund Seetruppen auf den Gebrauch von Projectilen zu verzichten, deren Gewicht geringer wäre als 400 Gramme (23 Loth) und welche explodierbar oder mit explodierenden oder leicht entzündlichen Stoffen gefüllt sind.

Sie werden alle jene Staaten, welche an den Berathungen der internationalen Militär-Commission in St. Petersburg durch keinen Vertreter theilgenommen haben, einladen, der gegenwärtigen Erklärung beizutreten.

Dieselbe ist nur verbindlich für die contrahierenden oder später beigetretenen Theile im Falle eines Krieges zwischen zwei oder mehreren unter ihnen, sie findet keine Anwendung Denjenigen gegenüber, welche nicht contrahierende Theile sind oder nicht ihren Beitritt erklärt haben.

Diese Verpflichtung würde ferner aufhören, sobald in einem Kriege zwischen contrahierenden oder beigetretenen Theilen ein nicht contrahierender und nicht beigetretener Theil auf die Seite eines der Kriegführenden treten würde.

Die contrahierenden und die beigetretenen Theile behalten sich vor, in weiteres Einvernehmen zu treten, so oft in Absicht auf die Verbesserungen, welche die Wissenschaft in der Bewaffnung der Truppen künftighin einführen könnte, ein bestimmter Vorschlag gemacht würde, um die von ihnen aufgestellten Grundsätze festzuhalten und die Gebote der Menschlichkeit mit den Nothwendigkeiten des Krieges in Einklang zu bringen.

So geschehen zu St. Petersburg den 29. November, 11. December Eintausend achthundert sechzig acht.

Inhalt der Genfer Convention.

Art. 1. Die Ambulanzen und Militärspitäler werden als neutral anerkannt und demgemäß von den Kriegführenden geschützt und geachtet werden, so lange sich Kranke oder Verwundete darin befinden.

Die Neutralität würde aufhören, wenn solche Ambulanzen oder Spitäler mit Militär besetzt wären.

Art. 2. Das Personal der Spitäler und Ambulanzen für die Aufsicht und den Gesundheits-, Verwaltungs- und Krankentransportdienst, sowie die Feldprediger haben, so lange sie ihren Verrichtungen obliegen und Verwundete aufzuheben oder zu verpflegen sind, Theil an der Wohlthat der Neutralität.

Art. 3. Die im vorgehenden Artikel bezeichneten Personen können auch nach der Besitznahme durch den Feind in den von ihnen besorgten Spitälern oder Ambulanzen ihrem Amte obliegen oder sich zu dem Corps zurückziehen, dem sie angehören.

Wenn diese Personen unter solchen Umständen ihre Verrichtungen einstellen, so sind sie den feindlichen Vorposten von Seite des den Platz innehabenden Heeres zuzuführen.

Art. 4. Das Material der Militärspitäler unterliegt den Kriegsgesetzen, und die denselben zugetheilten Personen dürfen daher bei ihrem Rückzuge nur die ihr Privateigenthum bildenden Sachen mitnehmen.

Dagegen verbleibt den Ambulanzen unter gleichen Umständen ihr Material.

Art. 5. Die Landesbewohner, welche den Verwundeten zu Hilfe kommen, sollen geschont werden und frei bleiben. Die Generäle der Krieg führenden Mächte sind verpflichtet, die Einwohner von dem an ihre Menschlichkeit ergehenden Rufe und der daraus folgenden Neutralität in Kenntnis zu setzen.

Jeder in einem Hause aufgenommene und verpflegte Verwundete soll diesem als Schutz dienen. Wer Verwundete bei sich aufnimmt, soll mit Truppeneinquartierungen und theilweise mit allfälligen Kriegscontributionen verschont werden.

Art. 6. Die verwundeten oder kranken Krieger sollen, gleichviel, welchem Volke sie angehören, aufgehoben und verpflegt werden.

Den Feldherren soll gestattet sein, die während des Kampfes Verwundeten sofort den feindlichen Vorposten zu übergeben, wenn die Umstände es erlauben und beide Theile. zustimmen.

Diejenigen, welche nach ihrer Genesung dienstuntüchtig befunden werden, sind heimzuschicken.

Die anderen können ebenfalls nach Hause entlassen werden, unter der Bedingung, dass sie für die Dauer des Krieges die Waffen nicht mehr tragen.

Die Evacuationen und das sie leitende Personal werden durch unbedingte Neutralität gedeckt.

Art. 7. Eine auszeichnende und überall gleiche Fahne wird für die Spitäler, Ambulanzen und Evacuationen angenommen. Ihr soll unter allen Umständen die Landesfahne zur Seite stehen.

Desgleichen wird für das neutralisierte Personal ein Armband zugelassen, dessen Verabfolgung jedoch der Militärbehörde überlassen bleibt.

Fahne und Armband tragen das rothe Kreuz auf weißem

Grund.

Art. 8. Die Vollziehungsdetails zur gegenwärtigen Übereinkunft sind von den Oberbefehlshabern der Krieg führenden Heere nach den Weisungen der betreffenden Regierungen und in Gemäßheit der in dieser Übereinkunft ausgesprochenen allgemeinen Grundsätze zu ordnen.

Art. 9. Die hohen vertragschließenden Theile sind übereingekommen, gegenwärtige Übereinkunft den Regierungen, welche keine Bevollmächtigten zur internationalen Conferenz in Genf abordnen konnten, mitzutheilen und sie zum Beitritte einzuladen, zu welchem Ende das Protokoll offen gehalten wird.

Ministerial-Erklärung vom 21. Juli 1866,

über den Beitritt der k. k. österreichischen Regierung zu der am 22. August 1864 zu Genf abgeschlossenen Convention wegen Verbesserung des Loses der im Kriege verwundeten Militärs; welcher Beitritt von dem Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft namens der hiebei betheiligten contrahierenden Staaten mittelst Gegen-Erklärung ddo. Bern den 30. Juli 1866 acceptiert worden ist.

Der unterzeichnete k. k. Minister des kaiserlichen Hauses und des Äußern erklärt hiemit infolge erhaltener Allerhöchster Ermächtigung Seiner k. k. Apostolischen Majestät und im Hinblick auf den Artikel 9 der zu Genf am 22. August 1864 von den Regierungen Badens, Belgiens, Dänemarks, Frankreichs, Hessens, der Niederlande, Portugals, Preußens,

Sardiniens, Spaniens, der Schweiz und Württembergs*) abgeschlossenen Convention wegen der Behandlung und Pflege im Felde verwundeter Krieger, dass die Regierung Seiner Majestät des Kaisers der besagten Convention beitritt.

Urkund dessen hat derselbe gegenwärtige Erklärung eigenhändig unterzeichnet und das Siegel des Ministeriums des kaiserlichen Hauses und des Äußern beidrucken lassen. Wien, den 21. Juli 1866.

Pariser Declaration

vom 16. April 1856 über die Rechte der Neutralen.

Die Bevollmächtigten, welche den Pariser Vertrag vom dreißigsten März Eintausend achthundert sechsundfünfzig unterzeichnet haben,

in Erwägung,

dass das Seerecht in Kriegszeiten durch lange Zeit der Gegenstand bedauerlicher Streitigkeiten gewesen ist;

dass die Ungewissheit des Rechtes und der Pflichten in dieser Beziehung zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Neutralen und den Kriegführenden Anlaß gibt, aus welchen ernste Schwierigkeiten und selbst Conflicte entstehen könnten;

dass es folglich vortheilhaft ist, eine gleichmäßige Rechtsanschauung in einem so wichtigen Punkte festzu

stellen;

daß die auf dem Congresse zu Paris versammelten Bevollmächtigten den Absichten, von welchen ihre Regierungen beseelt sind, nicht besser zu entsprechen vermögen, als indem sie in dieser Hinsicht in die völkerrechtlichen Beziehungen feststehende Grundsätze einzuführen trachten;

sind, hierzu mit der gehörigen Vollmacht versehen, übereingekommen, sich über die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes zu verständigen, und haben nach erzieltem Einverständnisse folgende feierliche Erklärung erlassen:

1. Die Caperei ist und bleibt abgeschafft.

2. Die neutrale Flagge deckt die feindliche Ware, mit Ausnahme der Kriegs-Contrebande.

*) Nachträglich sind noch beigetreten: Schweden, Griechenland, Großbritannien, Mecklenburg-Schwerin, die Türkei und Bayern.

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