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nahme miserabel. Sehr genau setzt er dann die durch die Staël und Chateaubriand nach Frankreich gebrachten neuen Ideen auseinander, und verweilt sehr natürlich am längsten bei der Schrift „Génie du Christianisme," weil da die Ueberlegenheit der neuen über die alte Kunst nicht ohne grossen Aufwand von Scharfsinn entwickelt werden soll. Dann wird der höchst nachtheilige Einfluss, den das Kaiser-Regiment in literarischer und künstlerischer Beziehung auf Frankreich gehabt, sehr scharf entwickelt. Die Franzosen lernten sich wieder mit übermüthigem Stolze erheben und es fielen officielle, thörichter Nationaleitelkeit schmeichelnde. Aeusserungen, die, wie der Vf. sich ausdrückt, noch über die Narrheit hinausgehen. So sagte Chenier von Goethe:,,tout ce qu'on peut remarquer avec éloge, c'est que Mons. Goethe ose imiter Racine et Voltaire, et c'est beaucoup pour un Allemand." Der Vf. kann nicht Worte genug finden, um sich über solche Narrheit genugsam auszulassen. Der 2. Bd. des Werkes, der bedeutendere an Umfang, steht, besonders im Interesse für Deutschland, hinter dem ersten zurück. Es herrscht keine strenge Ordnung in dem Ganzen. Der Vf. kehrt auf die Gegenstände, die er im 1. Bde. schon besprochen, zurück. Die Restauration wird als eine der Wissenschaft und Kunst nicht ungünstige Zeit, die Julirevolution dagegen als Krämerwerk betrachtet, das sich auch für Literatur und Kunst so offenbare, und noch nichts Tüchtiges hervorgebracht habe, so dass der Kampf zwischen Classicität oder vielmehr Nachäffung des Antiken und der Wahrheit, der Natur und dem Geiste, d. h. dem Romantismus noch unentschieden sei. Barante, Ginguené, Sismondi, Villemain (der heftig wegen gänzlichen Mangels an bestimmten Vorstellungen über Wissenschaft und Kunst getadelt wird), Raynouard, Cousin, Guizot und die Fluth der neuesten, seit der Juli-Revolution aufgetauchten Schriftsteller, besonders wenn sie eine Theorie der Kunst ver– suchten, werden durchgenommen. Die französ. Nation ist dem Vf. zu Folge noch immer nicht dahin gelangt, die neu-europäische Kunst verstehen, geniessen zu können. Ein in Brüssel erschieneuer Nachdruck dieses Werkes. (287 u. 314 S. 18.) kostet 2 Thlr.

Theologie.

[2] Geschichte der deutschen Reformation von 1517-1532, wissenschaftlich nach den älteren und neuesten Quellen bearbeitet von Dr. Chr. Gho. Neudecker, ord. Mitgliede d. hist.-theolog. Gesellschaft zu Leipzig. Mit Luthers Portrait nach einem Originalgemälde des Hans Holbein in Stahl gestochen. Leipzig, Baumgärtner'sche Buchh. 1843. XII u. 596 S. gr. 8. (2 Thlr. 15 Ngr.)

Eine neue pragmatische Bearbeitung der Geschichte der Reformation ist nothwendig geworden, selbst nach Ranke und gewissermassen durch ihn, seitdem von 1817 ab das Materiale derselben theils durch die Veröffentlichung so vieler jene grosse Geisterbewegung betreffender Actenstücke, theils durch die Specialge

schichten grösserer und kleinerer bei ihr betheiligten Städte aufs Bedeutendste angewachsen ist. Wenn nun gerade der Gelehrte, dessen Name bei der hier gebotenen Geschichte uns entgegentritt, in der ersten Reihe Derjenigen steht, welche die angedeutete archivalische Ausbeute fördern halfen und dadurch recht eigentlich hinter den Vorhang der Ereignisse in der Periode der Reformation blicken lernten, so erweckt diess für sein Werk ein gutes Vorurtheil, welches man auch bei näherer Bekanntschaft mit demselben vollkommen gerechtfertigt. finden wird. Denn der Verf., durch Talent für historische Forschung und Fassung schon anderweit rühmlichst bekannt, hat nicht nur die alten Quellen, namentlich Luthers Schriften fleissig studirt und seine Geschichtserzählung aus ihnen immer gehörig belegt, sondern er hat auch das Neuhinzugekommene theils in den Text verarbeitet theils in Anmerkungen eingebracht und auf diese Weise neue Ansichten gegeben, falsche Meinungen umgestossen, streitige Ergebnisse belegt, richtiges Verständniss wichtiger streitiger Daten vermittelt, widersprechende Angaben zur Erlangung eines wahren Resultats vereinigt und durch dieses Alles selbstständige Urtheile begründet. Vielleicht hätte die neu hinzugekommene Ausbeute hier und da noch mehr ins Gros der Erzählung verwebt werden können, indem doch noch immer sehr Vieles in den Noten quellenmässig weiter ausgeführt wird; doch tritt die jetzt sonst so häufig vorkommende mosaikartige Geschichtsschreibung nicht störend hervor. Denn im Ganzen beurkundet die Erzählung das Streben nach innerer Einheit und Geschlossenheit, und ein ebenmässiges Fortschreiten wird durch kurze commentatorische Episoden nicht wesentlich gestört. Dabei tritt der Held der Reformation, in sehr vielen Stellen durch seine eigenen Worte, so in den Vorgrund, wie es in einer Geschichte der Reformation der Fall sein muss, gegen welche ein eigentliches Leben Luthers, in welchem die psychologische Entwickelung seiner Gemüthsart und die Ausprägung seines Charakters in Schrift und That als Hauptsache erscheint, sich ganz anders gestalten wird. Da endlich der Verf. hauptsächlich auch jene Unparteilichkeit angestrebt hat, welche den höchsten Vorzug eines Geschichtswerkes ausmacht und welche namentlich früher gerade auf dem Gebiete der Reformationsgeschichte vorzugsweise vermisst ward, wo es auf der einen Seite nicht ohne Lobrednereien, auf der andern nicht ohne Invectiven abgehen zu können schien, so trägt auch diess hauptsächlich dazu bei, dem vorliegenden Werke in der Literatur der Reformationsgeschichte einen bedeutenden Rang zu sichern, Ref. ist überzeugt, dass die hier nur in allgemeinen Zügen andeutbaren Vorzüge dieser Schrift auch in solchen Beurtheilungen werden anerkannt werden, welche ins Einzelne einzugehen Beruf und Raum haben, wenn sich auch im Detail Manches zur Berichtigung herausstellen dürfte, vielleicht auch in der Anlage selbst Manches anders gewünscht werden könnte. In letzterer Beziehung dürfte die Einleitung an einem Mangel insofern leiden, inwiefern

nicht mit dem beklagenswerthen Verfalle der christlichen Religion und Kirche vor Luthers Auftreten von einem unbestimmteren Termine an hätte ausgegangen werden sollen, sondern eine gedrängte Schilderung der allmäligen Degeneration des Christenthums nicht fehlen durfte, um das, was dem Leser wirklich geboten wird, in grösserer genetischer Anschaulichkeit vor Augen zu legen. Dann erst wird die Reformation in ihre eigentliche Lebenssphäre gerückt, da sie das in der Kirche gar nicht mehr vorhandene Evangelium zurückzuführen hatte, und es ganz unhaltbar ist, zu glauben, die Reformation sei eine blosse Hinwegräumung einzelner Irrthümer und abergläubischer Dinge gewesen und es habe nichts weiter bedurft, als das Evangelium zu reinigen, wie etwa ein ächtes, unbeschädigt gebliebenes Originalgemälde von dem mit der Zeit darauf gekommenen Schmutze gereinigt und restaurirt wird. Auch ist ein für die ursprüngliche Einfalt und Lauterkeit der ersten christlichen Kirche passender Maasstab in einer vollständigen Reformationsgeschichte als rechtfertigend um so unerlässlicher, da es jetzt noch immer an Katholiken nicht fehlt, welche einen Verrath an ihrer Kirche zu begehen glauben, wenn sie die Reformation für etwas anderes, als für eine schwere und traurige Verirrung, für ein von gemeinen unwürdigen Leidenschaften hervorgerufenes Extrem, von dem man sich zur Kirche zurückzuwenden habe, für einen dunkeln Fleck in der Geschichte der deutschen Nation halten.

Die Anordnung des Ganzen, in drei Abschnitte, je in zwei Büchern vertheilt, ist folgende: Die herrschende Kirche; die evangelische Kirchenreformation bis zum Schlusse des Reichstages zu Worms, 26. Mai 1521; die evang. Kirche vom Schlusse des Reichstages zu Worms bis zum ersten (Nürnberger) Religionsfrieden, 23. Juli 1532. I. 1. Die herrschende Kirche (nach ihrem äusseren und inneren Zustande im Allgemeinen). I. 2. Der Widerspruch gegen die herrschende Kirche. (Widerspruch durch die philosophische Speculation, durch einzelne kirchliche Männer und Parteien, durch allgemeine Kirchenversammlungen und weltliche Mächte; scheinbar ungünstiger Erfolg dieses Widerspruchs und scheinbar wachsende Macht der herrschenden Kirche: Aufleben der Wissenschaften, deren Anwendung und Wirkung auf die Lehren und Zustände der herrschenden Kirche.) II. 1. Erste reformatorische Unternehmungen Luthers bis zur Disputation in Leipzig. (Papst Leo X. und Beendigung des fünften Lateranconcils; Luther bis zu seinem ersten Auftreten als Reformator; L.'s Thesen und Streit gegen den Ablass; Verhältniss des Kurfürsten Friedrichs des Weisen zu Luther, Anstellung Melanthons in Wittenberg; Maximilians Tod, Wahl Kaiser Karls V.; erstes öffentliches Verfahren gegen Luther; Verhandlung durch Thomas de Vio und Miltitz.) II. 2. Gesteigerter Kampf Luthers gegen Rom; Bann und Achtserklärung Luthers. (Streit mit den Franziskanern zu Jüterbog, Disputation zu Leipzig; nächste Folgen derselben; weitgreifende Opposition Luthers; Empfehlung und Vertheidigung der

Lehre Luthers durch die Humanisten; Luthers Schreiben an den Kaiser etc., päpstliche Bulle vom 15. Juni 1520; feierliche Lossagung L.'s vom Papstthume, Bannbulle vom 3. Januar 1521; Achtserklärung L.'s durch den Reichstag zu Worms.) — III. 1. Die reformatorischen Bewegungen bis zum ersten Reichstage in Speier; Gestaltung der evangelisch-lutherischen Kirche im Gegensatze zur römisch-katholischen. (Luther's Aufenthalt auf der Wartburg, Rückkehr nach Wittenberg und Thätigkeit für die evangelische Sache; Papst Hadrian VI. und Clemens VII., erster und zweiter Reichstag zu Nürnberg; Verbreitung der evangelischen Lehre und Kirchenreformation, Hemmnisse durch die Streitigkeiten mit Erasmus und Carlstadt, durch den Bauernaufstand; erste öffentliche Trennung der Römisch-Katholischen durch den Convent zu Regensburg (1524); Reichstag zu Augsburg (1525); Gothaisch-Torgauisches Bündniss (1526); Reichstag zu Speier 1526.) III. 2. Reformatorische Bewegungen bis zum Nürnberger, Religionsfrieden; Fortentwickelung und Befestigung der evangelisch-lutherischen Kirche. (Weitere Ausbildung der evangelischen Kirche; Einführung der Kirchen-Visitation; neue Gefahren der evangelischen Kirche; Pack'sche Händel; Versuche zur Abwendung der Gefahren, Convente zu Rodach, Saalfeld, Schleiz, Marburg, Schwabach, Nürnberg; Reichstag zu Augsburg; Bund von Schmalkalden, Nürnberger Religionsfriede.)

Das beigegebene Portrait Luthers nach einem Originalgemälde Holbeins in der königl. Sammlung zu Windsor giebt einen von den gewöhnlichen Bildnissen sehr abweichenden Gesichtstypus des Reformators. Da vorzugsweise die nach Lucas Kranach für die besten und ähnlichsten gehalten werden, es auch, so viel Ref. weiss, nicht constatirt ist, dass Holbein in Luthers Nähe gekommen sei, so wird des Letzteren Künstlerehre wol nicht beeinträchtigt, wenn man der Portraitähnlichkeit seines Luthers weniger Glauben zu schenken geneigt ist.

[3] Die heiligen Gebräuche, welche in der katholischen Kirche (ritus latini) vom Sonntage Septuagesimä bis Ostern beobachtet werden, nach Anleitung hewährter katholischer Schriftsteller erklärt von Joh. Kutschker, Dr. d. Theol. k. k. o. 8. Prof. der Moraltheologie, Olmützer fürsterzbisch. geistl. Rath u. Consistorialbeisitzer etc. 2 Bde. Wien, Braumüller u. Seidel. 1843. XX u. 372, 440 S. gr. 8. (2 Thlr. 20 Ngr.)

Was in diesen beiden Bänden zusammengestellt ist der Complex alles Liturgischen und Rituellen, das die römische Kirche in dem Zeitraume von der Abkündigung des Osterfestes und dem Eintritte der Fastenzeit an bis mit dem Schlusse des Ostersamstags beim Gottesdienste ihren Confessionsverwandten zu hören giebt und zu sehen vorführt, Auslegung des für den Cultus vorgeschriebenen göttlichen Wortes und Ausdeutung dessen, was die Geistlichen vor den Augen der Gemeinde verrichten oder dessen Verrichtang den Laien selbst obliegt bildet einen Theil der Vorträge, welche der Vf. im Olmützer Klerical-Seminarium gehalten hat,

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um die künftigen Priester in eine genaue Kenntniss desjenigen einzuführen, wodurch sie dem Volke die liturgischen Formeln und die heiligen Gebräuche der Kirche verständlich zu machen haben würden. Macht man nun von dem, was hier mit einem grossen Aufwande von Gelehrsamkeit und Belesenheit und in grösster Ausführlichkeit zur Erläuterung des katholischen gottesdienstlichen Wesens in einer ganz kurzen Periode freilich aber auch zugleich der, in welcher das kirchliche Leben zu seinem Culminationspuncte sich entfaltet geboten wird, einen Schluss auf das nach diesem Maasstabe sich ergebende Verhältniss für das ganze Kirchenjahr: so kann der Protestant nicht umhin, zu denken: tantae molis erat, romanum condere ritum! da er im Schoosse seiner Kirche daran gewöhnt worden ist, es mit dem Grundsatze zu halten, den Cicero (de rep. II. 14.) einem weisen Könige beilegt: sacrorum apparatum perfacilem esse voluit Numa. Die Auseinandersetzung des Vfs. bezieht sich in der 1. Abth. auf die heiligen Gebräuche der kathol. Kirche von Septuagesima bis zur Charwoche; (die Sonntage Septuagesima, Sexagesima und Quinquagesima, Aschermittwoch, die Quadragesimalfaste, liturgische Gebräuche in der Quadragesima.) in der 2. Abth. werden die heiligen Gebräuche der Charwoche (die heilige Woche bis zum grünen Donnerstag, die feria V. in coena Domini, der Charfreitag, der Ostersamstag) vollständig erörtert. Das Liturgische ist nach den in dem Missale Romanum, dem Ceremoniale Episcoporum etc. enthaltenen Vorschriften gegeben; zur Erläuterung der Vorschriften sind die bewährtesten katholischen Ritualisten benutzt; auch sind die Erklärungen der sonntäglichen Evangelien von Canisius mit eingeschaltet. Die redliche, stets mit genauen Angaben der gebrauchten Quellen belegte Treue des Vfs. ist allerwärts sichtbar und anerkennungswerth. Bei dieser, allerdings nur eine oberflächliche Inhaltskenntniss herausstellenden Anzeige muss es Ref. bewenden lassen, da Eingehen in das Einzelne ohne Polemik nicht möglich wäre. Denn indem der Vf. die künftigen Volkslehrer factisch an das Stabile in Liturgie und Ritus verweiset und bindet, lässt er doch etwas von dem Verdachte auf sich kommen, als werden die ritus in ihrer nicht selten offen liegenden Missgestalt nur als ein brauchbarer Kappzaum und als eine geistliche Spielpuppe für das unmündige Volk, nicht als ein heiliges Bildungsmittel für den vernünftig denkenden Katholiken angesehen; wenigstens rückt er seinen Pflegebefohlenen Alles das aus dem Gesichtskreis, was im Geiste eines Wessenbergs und anderer ihm Gleichgesinnten zur Verbesserung und Vereinfachung des katholischen Cultus theils vorgeschlagen worden, theils wirklich geschehen ist, obschon sich nicht verkennen lässt, dass derartige Bemühungen eigentlich schon ausserhalb des katholischen Princips liegen und protestantische Erscheinungen innerhalb der katholischen Kirche sind.

[4] Mormonism in all Ages; or the Rise, Progress and Causes of Mormonism, with the Biography of its Author and Founder, Jos. Smith, Jr. By Prof.

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