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Wichtigkeit. Niemals wird die Rinderpest-Impfung reussiren, wenn sie nicht von solchen Männern gehandhabt wird. Diplom-Amt-Rang-Titel, selbst Gelehrsamkeit genügen keinesweges. Jetzt gilt es nicht mehr,, experimentiren", sondern wirklich,,impfen" d. b. mit dem möglichst geringsten Verluste den Viehbesitzern in der Steppe die grösstmöglichste Anzahl von Rindern gegen deren Pest zu sichern.

:

IV.

Ueber die Verwerthung der Impfung zur Tilgung und allmähligen Ausrottung der Rinderpest als Seuche in den Steppen Chersons.

Von Demselben.

Dieser Artikel, der, auf Grundlage practischer Erfahrungen, nachweisen soll, wie ich mir die Ausrottung der Rinderpest in den Steppen durch Schutz und Nothimpfung denke, muss sich zuerst einem Aufsatze im Journal des Ministeriums der Reichsdomainen, October 1863, S. 243 - 273 zuwenden. Der Verfasser desselben spricht sich nämlich (S. 272) folgendermassen aus:

,,Ich bin aber weit davon entfernt, die Impfung als eine Maassregel anzusehen, welche zur gänzlichen Ausrottung der Rinderpest in Russland führen könnte," Darüber wäre freilich nicht mit ihm zu rechten, denn es ist nicht Jedermanns Sache, den Blick in eine ferne Zukunft zu erheben. Dass er aber in eine eben so

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fernte schaut, wenn er (S. 273),, die Ausrottung der Rin

derpest von der richtigen Wartung und Pflege des Steppenviehes" erhofft, ist ihm vielleicht selbst nicht klar geworden!

Niemand wird läugnen, dass zur Bewältigung der Seuche in den Steppen wie der Verfasser am Schlusse sagt gebildete Veterinaire nothwendig sind. Die Steppenveterinaire der Zukunft werden aber die Impfung der Rinderpest, für diesen Zweck, hoffentlich höher schätzen als er.

Doch wir müssen uns seinen Aufsatz noch etwas näher ansehen,

So viel mir bekannt ist, hat der Verfasser, Herr Adjunct-Professor Roshnow, sich 1862 zum ersten Male, in dem Orenburgischen Impfinstitute, am Salmysch, als praktischer Impfer versucht und nun die erworbenen Kenntnisse im Jahre 1863 im Cherson'schen zur Anwendung gebracht. Unglücklicherweise brach aber die natürliche Rinderpest unter den nicht geschützten Rinderu aus, und so geschah es, dass das, bis dahin eines so guten Rufes sich erfreuende Impfinstitut in Bondarewka, noch kurz vor seiner Aufhebung, viele Thiere als Opfer einbüsste, während, nach R. eigner Aussage (S. 267 und 278), von Sergejew dort in 3 Jahren über 1000 Rinder, mit einem Verluste von nicht mehr als 10 Stück, geimpft wurden. Und er muss das wissen, denn ihm haben alle Berichte aus dem Institute zu Gebote gestanden.

Dennoch spricht er mit einer Entschiedenheit über die Impffrage ab, als wüsste er davon viel besser Bescheid, als Alle die sich seit 1852 in Russland damit beschäftigt haben! Es giebt ja nun allerdings geniale Männer, die es mit geringer Mühe in kurzer Zeit weiter bringen, als andre nach vieljährigen Anstrengungen, und man müsste sich um so mehr freuen, wenn der Herr Adjunct Profes

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sor Roshnow zu diesen schnell gereiften Celebritäten zu zählen wäre; da er vor wenigen Jahren noch nichts weniger als Autorität für viele seiner Petersburger Collegen war. Als er damals nachwies, dass die Rinderpest in der Hauptstadt herrschte, erhob sich ein wahrer Sturm gegen seine Meinung und selbst mein geringes Wissen wurde in Anspruch genommen, um, den Behörden gegenüber, die Richtigkeit seiner Angaben zu bekräftigen, wodurch ich denn, natürlicherweise, auch den Zorn der Gegner auf mich lenkte. Wenn es mir nun auch einerseits leid thun muss, dass ich diesmal seine Aussprüche nicht als vollkommen gültig anerkennen kann, so muss ich mich doch, andererseits, im Interesse der Rinderpestimpfung, darüber freuen.

Leider fängt sein erwähnter Aufsatz gleich mit einem Verstosse gegen die Wahrheit an. Er sagt nämlich:

„Der Hauptzweck meiner Abcommandirung bestand darin, die Resultate der Versuche, welche früher an Rindern in dem Cherson'schen Institute für die Impfung der Rinderpest angestellt waren, zu prüfen, eine neue Reihe von Beobachtungen über die Impfung der Rinderpest anzustellen und aus den gewonnenen Ergebnissen mein Urtheil darüber zu fällen, ob und in welchem Grade die Impfung der Rinderpest in Neu-Russland nützlich ist oder nicht!" Dem Sachverhältniss gemäss hätte dieser Satz folgendermassen lauten müssen:

,.zu den angegebenen Zwecken war ich einer Commission von Veterinairen, unter der Leitung der Professoren Jessen und Ravitsch zukommandirt. Da aber die letztgenannten Herren später als ich in Bondarewka eintrafen, so leitete ich die Versuche aus eigner Machtvollkommenheit und nach eiguem Gutdünken ein, betrachtete den Director des Impfinsti

tuts als meinen Untergeordneten und war nicht wenig erstaunt, als der Professor Jessen bei seiner Ankunft sich darüber missbilligend äusserte."

Bevor wir nun auf die Versuche selbst eingehen, müssen wir einige Aeusserungen des Verfassers in seinem Aufsatze näher prüfen, da diese auf Wissenschaftlichkeit Anspruch machen, und werden dann daraus einen Schluss auf die Zuverlässigkeit seiner Urtheile ziehen können.

Auf Seite 263 sagt er u A.:

,.Alles dieses beweist, dass das Contagium der Rinderpest, entgegen der Meinung Vieler, keine flüchtigen Eigenschaften besitzt, sondern ein contagium fixum ist, und nur in der allergeringsten Entfernung ansteckt,"

Dem Nichtsachkundigen möchte diese Behauptung vielleicht als sehr gelehrt, oder gar als eine neue Entdeckung erscheinen. Sie ist aber keines von beiden, sondern einfach falsch. Jeder Student der Veterinairmedicin, der seinen Cursus über Epizootien gehört hat, weiss, dass das Contagium der Rinderpest, sowohl in der Art, wie die fixen Ansteckungsstoffe, d. h. an ein Vehikel: Nasenschleim, Thränenfeuchtigkeit, Blut etc gebunden, als auch nach derjenigen der flüchtigen, d. h. mittelst der die Kranken umgebenden Atmosphäre anzustecken vermag.

Dem Verfasser ist es dabei noch passirt, dass er es gar nicht bemerkt hat, wie die letzte Hälfte seines Satzes die erste umstösst; denn wenn die Rinderpest auch nur in der allergeringsten Entfernung ansteckt, so ist ja ihr Contagium ohne Zweifel ein flüchtiges.

Da er es aber nur für ein fixes hält, wie soll man sich die Aeusserung auf S. 273 erklären:

,,kann man dafür einstehen, dass der Rinderpestimpfer während der Impfung, (wegen der grossen Anstekkungskraft der Seuche) selbst die Impflinge nicht auf natürlichem Wege inficirt?"

Der Autor meint doch wohl, dass der Impfer

allerdings geschehen kann

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wenn er zuvor mit Rinderpestkranken zu thun hatte, durch seine Kleider die Ansteckung überträgt? Dann ist dies ja aber wieder ein Beweis für die Flüchtigkeit des Contagiums.

Als der Verfasser dem eben angeführten Satze die Worte:

„wie es bei den Impfungen häufig geschehen ist“ hinzufügte, wäre es seine Pflicht gewesen, die Beweise für diese Behauptung aus den Relationen oder den officiellen Berichten der Impfer beizubringen; denn nun kann er den Vorwurf nicht von sich ablehnen, dass er sie, unerwiesen, der Nachlässigkeit und Unvorsichtigkeit verdächtigt.

Auf S. 269, 4, führt er unter anderen Kennzeichen der Rinderpest auch Folgendes an:

,,die Ablagerungen der Pestmasse (чумной маCCL) in der Form von Knötchen auf der Schleimhaut (besonders der Unterlippe und des Zahnfleisches)" etc.

Dass er hier etwas gänzlich Unwissenschaftliches gesagt hat, scheint ihm selbst eingefallen zu sein, indem er hinzufügt: „wenn man sich so ausdrücken darf“. Damit ist aber nichts gebessert,

Auf S. 270, 7, heisst es:

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Beim Rindvieh nehmen alle fieberhaften Krankheiten, bei ungünstig einwirkenden Umständen, im Verlaufe weniger Tage den asthenischen Character an und haben dann eine grosse Aehnlichkeit mit der Pest etc.,,

Das klingt wieder sehr gelehrt; aber ich möchte doch wissen, welcher erfahrene Veterinär diese seine Meinung unterschreiben und sie nicht vielmehr für eine Absurdität erklären würde!

Der Autor lässt sich aber nicht beirren, und fährt weiter fort (S. 271):

Mag. f. Thierheilk. XXX. IV.

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