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der Incoronata-Fresken in seinem vollen Werth als eines der grössten Denkmäler mittelalterlicher italienischer Malerei anerkannt. Demzufolge war ihr Schöpfer, Roberto Oderisi, einer der grossen Meister des Trecento. Da er sich selbst als Neapolitaner bezeichnet, so müssen wir uns ein für alle Mal frei machen von der falschen, doch durch ihr Alter ehrwürdig gewordenen Ansicht, die auch Dr. Schubring wiederholt, dass Neapel unter der angiovinischen Herrschaft keine eingeborenen Künstler besessen hat. Für den, der Augen hat zu sehen und Geduld zu studieren, ist kein Mangel daran.

Es ist klar, dass Oderisio den überwältigenden Einfluss des Simon Martini erfahren hat, wenn er nicht sogar bevorzugt war als Schüler dieses feinsten unter den Malern des Mittelalters sich zu bethätigen. Ebenso leuchtet ein, dass er mit Werken Giotto's zum mindesten vertraut war. Konnte Oderisio stärkere Anregungen empfangen? Sie sind nicht verloren gegangen, denn ausser Giotto und Simon, hat vielleicht kein Künstler des Trecento Grösseres geschaffen. B. Berenson.

Erwiderung.

Herr Berenson scheint zu glauben, dass ich die Kreuzigung in Eboli nicht kenne; dem ist nicht so. Aber ich habe auch heute noch keine Veranlassung, sie zu erwähnen, da ich nicht glaube, dass dies Bild und die Fresken von einem Meister stammen. Auch Graf Erbach glaubte wie er mir mündlich sagte als er Eboli besuchte, nicht an dieselbe Hand. Die von der Neapler Localforschung seit langer Zeit vorgeschlagene Zuweisung der Fresken an Roberto Oderisi beruht auf keiner urkundlichen Grundlage. Ich habe ausdrücklich den Vorschlag: Paolo di maestro Neri als Hypothese bezeichnet und hinzugefügt: „den Namen gebe ich preis." Worauf es mir ankam, war zu beweisen, dass es sich bei den Incoronatafresken nicht um indigene, sondern importirte und zwar sienesische Kunst handelt. Factisch nimmt dies ja auch Berenson an; denn auch sein Meister ist ein Schüler Simone Martini's. P. Schubring.

Das dem Raffael zugeschriebene Portrait der

Maddalena Doni.

Vor Kurzem veröffentlichte der Unterzeichnete in dieser Zeitschrift einen Aufsatz unter dem Titel „Das Ehepaar Doni und seine von Raffael gemalten Portraits1)". Auf Grund der Eintragung in einem, bis dahin unbekannten Todtenbuch der Florentiner „Badia“ wurde der Nachweis geführt, dass die auf dem Bilde der Pitti-Galerie dargestellte Frau nicht Maddalena Doni sein könne, oder dass, wenn man das Bild nicht dem Raffael absprechen wolle, man es in seine letzten Lebensjahre verweisen müsse, in die Zeit seines römischen Aufenthaltes, als der Künstler 1515 nochmals zu vorübergehendem Aufenthalt in Florenz weilte. Da die letztere Alternative schwerlich bei irgend jemandem Gunst finden dürfte, da kaum jemand annehmen wird, Raffael habe noch einmal in der Zeit seiner reiferen Entwickelung in der Art seines frühen Florentiner Aufenthaltes gemalt, so blieb nur übrig, das Bild für nicht von dem Urbinaten herrührend zu erklären. Hierzu mochte man sich indess schwer entschliessen; zu allgemein hat in den 75 Jahren, seitdem das Portrait in der Galleria Pitti hängt, die Ueberzeugung Wurzel gefasst, es sei ein Raffaelisches, als dass man selbst den urkundlichen Nachweis gelten lassen wollte. Die in jenem Aufsatz mitgetheilte Notiz aus dem Nekrologium lautete, wie hier nochmals angeführt werden muss:

E addi 22 di Dicembre (1540) seppelimmo la donna di Agnolo Doni d'eta circa 50 anni et fu messa nella sua sepultura da Santa Maria Magdalena, ch'era stata in deposito nell'orto, essendo noi interdetti."

Es war angeführt, dass wegen des damaligen Interdictes die kirchlichen Beerdigungen in der Badia vom 20. August 1540 an unterblieben seien, und Maddalena Doni mithin zwischen August und Dezember „circa 50 Jahre alt gestorben wäre. Sie sei demnach, als Raffael's Florentiner Periode begann, 1505, ungefähr 15, als diese endete, ungefähr 18 oder, wenn man das „circa 50 anni des Sepultuarium auf 51 deuten wolle, nicht älter als 19 Jahre gewesen. Das Bild aber, das nie für das einer jüngeren als einer 25 jährigen Frau gehalten wurde, zeige beginnende

1) Repertor. XXIII. Bd. 3. Heft 1900.

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R. Davidsohn: Das Portrait der Maddalena Doni.

Ueberreife der Formen. Es könne das einer Achtzehn- oder Neunzehujährigen nicht sein. In diesem letzteren Punkte ist eine abweichende Meinung dem Verf. nicht bekannt geworden, sie ist auch wohl nicht denkbar.

Dagegen sind (zunächst privatim) andere Einwendungen erhoben worden. Nämlich diese: „La donna di Agnolo Doni" könne eine zweite Gattin gewesen sein. Die Notiz brauche nicht mit zwingender Sicherheit auf Maddalena Doni Bezug zu haben. Ferner das circa 50 annisei deutungsfähig. Bei so ungenauer Ausdrucksweise könne man etwa, wenn die Notiz sich auf Maddalena bezöge, auch an 56 oder 57 Jahre denken.

Obwohl beide Einwürfe wenig stichhaltig schienen (weil von einer anderen Gattin des Angelo Doni sich keine Spur findet und es ganz unzulässig scheint, unter „circa 50%, 56 oder 57 zu verstehen), wünschte der Verf. dieser Notiz möglichst völlige Klarheit über den einmal angeregten Gegenstand zu schaffen.

Vasari nennt den Namen der Gattin des Angelo Doni nicht: er sagt nur, dieser liess von Raffael „fare il ritratto di se e della sua donna“. In dem vorerwähnten Artikel ist erwähnt, dass in den (jetzt zerstörten) Registern der Gabella zum Jahre 1504 die Angabe stand, dass „Angelus olim Francisci Jacobi de Donis de Florentia" verheirathet sei mit „Maddalena olim Johannis domini Marcelli de Strozzis."

Es galt aus dem Taufregister, welches beim Battisterio von Florenz geführt wurde und geführt wird, den Geburtstag der Maddalena herauszufinden. Hier folgt nun die betreffende Eintragung aus dem Verzeichniss der getauften Mädchen. Unter dem Februar 1489 (1488 Florent. Styles) steht:

„Maddalena e Ginevra di Giovanni di Messer Marcello Strozi popolo di Santa Trinita; nata adi 19, hore 15, batezzata adi 20.“

Maddalena Doni, die mit vollem Namen Maddalena Ginevra hiess. ist am 19. Februar 1489 geboren. Das „circa 50 anni“ des Nekrologiums bedeutet demnach 511⁄2 oder 5134 Jahre. Das Bild der Pittigalerie kann mithin das von Vasari erwähnte Raffaelische Portrait der Maddalena Doni nicht sein, denn diese war bei Beginn von Raffael's Florentiner Aufenthalt 16, bei dessen Abschluss erst 19 Jahre alt.

Florenz, December 1900.

Robert Davidsohn.

Zu Dürer's Stich ,,Adam und Eva" von 1504.

Es ist eine bekannte Thatsache, dass sich in den Werken Albrecht Dürer's, die er vor seinem Aufenthalt in Italien geschaffen hat, unverkenn bare italienische Einflüsse nachweisen lassen. Einige Forscher halten daher sogar noch heute die früher allgemein gültige Ansicht fest, Dürer sei schon vor dem Jahre 1505 einmal in Italien gewesen, obschon durch Daniel Burckhardt's Arbeit1) mit Sicherheit nachgewiesen ist, dass dies nicht der Fall war. Es ist nun von besonderem Interesse, gerade die vor des Meisters Italienfahrt entstandenen Werke mit italienischen zu vergleichen. So glaube ich denn zwischen einem der berühmtesten Stiche Dürer's aus jener Zeit, „Adam und Eva“ von 1504,2) und zwischen dem bekannten Gemälde „Adam und Eva" des Palma Vecchio) in der Herzoglichen Gemäldegalerie zu Braunschweig eine merkwürdige Wechselbeziehung zu sehen. Der genannte Stich zeigt uns nebst seiner in Tusch ausgeführten Vorzeichnung in der Albertina zu Wien) das Bemühen Dürer's, der natürlichen Schönheit des menschlichen Körpers gerecht zu werden und zugleich dessen Verhältnisse richtig darzustellen, wie die auf der Rückseite der Tuschzeichnung erhaltenen Proportionslinien beweisen. Gewiss sind auch antike Anklänge in den beiden Gestalten des Stiches nicht wegzuleugnen, wir können jedoch nicht umhin, die Vermuthung auszusprechen, dass Dürer für die Composition seines Stiches das schon genannte Braunschweiger Bild des Palma dürfte vorgeschwebt haben. Sehen wir uns nun zunächst einmal nach der chronologischen Möglichkeit einer solchen Anlehnung Dürer's an den venezianischen Künstler um. Palma Vecchio, nach dem das Braunschweiger Bild neuerdings benannt wird, ist geboren um 1480; in der Zeit von 1500-1504 könnte er also dieses Gemälde (im Katalog von 1891 ist es um 1500" angesetzt) recht wohl geschaffen haben. Will man als Maler Giorgione (geb. 1477) annehmen, so geht die Sache noch leichter. Da wir uns, wie wir Anfangs betonten, der Ansicht anschliessen, die eine italienische Reise Dürer's vor 1505 für unmöglich hält, so müsste Dürer etwa durch einen Stich von dem Werke Kenntniss erhalten haben. Auch Zahn) ist der Ansicht, es sei vor der italienischen

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1) Dürer's Aufenthalt in Basel (München 1892).

2) Abbildung bei Knackfuss in der Dürer- Monographie p. 33.

3) Früher dem Giorgione zugeschrieben; Abbildung auf Blatt 856 des Classischen Bilderschatzes.

4) Abbildung bei Knack fuss, Dürer p. 32.

5) Zahn, Dürers Kunstlehre und sein Verhältniss zur Renaissance p. 42.

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