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folgen, um uns zu zeigen, wie er sich die lebende, klingende Sprache des Dichters denkt. Die beiden Stellen, eine inhaltschwere Rede des Brutus aus <Julius Caesar, und ein lustiger Verzweiflungsausbruch des Benedick aus Much Ado about Nothing, sind gut gewählt und sehr geeignet, um an ihnen den Gegensatz zwischen der konservativen Lautgebung, wie sie die Würde der Tragödie verlangte, und der weit fortschrittlicheren, im Lustspiel herrschenden Alltagssprache zu zeigen. Professor Franz hat den Mut, im Gegensatz zu Ellis, der auch für einen komischen Dialog zwischen Dienern (Taming of the Shrew IV 1) archaische Aussprache annimmt (EEP III 986 ff.), die Unterschiede zwischen gelehrter und volkstümlicher Sprechweise bis ins einzelne herauszuarbeiten, und m. E. war er zu diesem Vorgehen vollkommen berechtigt, wie auch die Ausführung im ganzen volles Lob verdient. Nur ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen, so ein Druckfehler in § 70, Zeile 4: džandž statt tšandž. Zeile 11 wäre wohl besser hav mit Kürze anzusetzen, weil das Wort zwar im Verse, nicht aber im Satz einen Ton trägt. Zeile 17 ist skorning mangelhaft transkribiert; lies skornin. — Für būs stünde besser bāz; vgl. Gill 103, 28 bäs kindred (vor stimmlosem Konsonanten), dagegen 124, 5 bäz murmur. § 71, Z. 1. Wenn Professor Franz (gewiss mit Recht), mark, armi umschreibt (Zeile 7), so muß es auch hier heißen pæst. Zeile 16 würde ich eher die volkstümliche Form ·kundžər einsetzen; vgl. Gill 14, 33 und Stationers' Registers, Februar 1588/9: «A Ballad of the Life and Death of Doctor Faustus the great Cungerer».

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Nur Rühmenswertes ist von dem letzten der in diesem Buche vereinigten Aufsätze zu berichten; der Abschnitt über Wortbildung wird einer keineswegs leichten Aufgabe in jeder Weise gerecht und bringt uns aufs eindringlichste zum Bewußtsein, was in den Paragraphen über Lautgebung nicht zum Ausdruck kommen konnte: welch ein schöpferischer Geist Shakespeare auch in sprachlichen Dingen war. Ist doch die Wortbildung dasjenige von den hier berührten Themen, bei dessen Behandlung wir am sichersten sein können, mit des Dichters unbestreitbarem geistigen Eigentum zu operieren. Denn die Orthographie regelte der Drucker; was wir über lautliche Verhältnisse bei einem Elizabethaner erschließen können, ist vielfach von der seinem Einfluß sich gänzlich entziehenden Schreibung abhängig, aber der Wortschatz und mehr noch die Wortprägung blieben in der Überlieferung noch am ehesten unberührt. Wie wertvoll ist schon die aus des Verfassers Zusammenstellungen leicht zu gewinnende Erkenntnis, daß irgend ein Wortgebilde bei Shakespeare zuerst vorkommt, so häufig sich natürlich mit der fortschreitenden Durchforschung des fne. Wortschatzes hier Korrekturen und Verschiebungen ergeben werden und ergeben müssen. Aber auch die Art und Weise, wie Shakespeare mit dem übernommenen Besitz schaltet und waltet, ist höchst charakteristisch für den Mann und sein Schaffen.

Der Abschnitt über Wortbildung ist, wie bereits hervorgehoben, die Neubearbeitung eines in den Englischen Studien erschienenen Artikels und von diesem nicht sonderlich verschieden, obwohl die neueste Literatur verwertet erscheint, so die Abhandlungen von Eckhardt, Thiele, Ch. Scott. Hinzugekommen sind nur ein paar Sätze, enthaltend kurze aber wertvolle Bemerkungen und Erläuterungen (z. B. in den §§ 73, 90, 104, 110, 128, 141); dagegen machen zahlreiche kleinere Änderungen die schöne Studie noch

lesbarer als sie es ohnedies schon war, und da die Streichungen im Text der Abhandlung nur ganz geringfügig sind, zum Teil auch Besserungen bedeuten nur § 82 scheint mir unter dem Rotstift etwas gelitten zu haben könnte man sagen, daß die Arbeit in den Englischen Studien nun überholt ist, wenn nicht der Verfasser es gut befunden hätte, die ungemein verdienstlichen, kleingedruckten Beispielsammlungen zum guten Teil wegzulassen. Das war nicht wohlgetan, denn diese Zusammenstellungen können einem viel Zeit ersparen, wenn man rasch ein genaues Zitat braucht, und so wird man denn öfters genötigt sein, auf die ältere Fassung zurückzugreifen. Überdies vermag ich kein rechtes System in diesen Streichungen zu blicken; warum bleiben gerade die Belegstellen in den §§ 92-95, 105, 106, 109, 118, 119 erhalten?

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Diese kleinen Bedenken können natürlich die aufrichtige Freude nicht schmälern, welche uns die Würdigung Shakespeares, des Wortbildners, auch in ihrer neuen Gestalt bereitete. Vielmehr scheiden wir von dem Aufsatz mit der angenehmen Empfindung, auf einem bisher nie ganz ausgebauten Wege zu neuen Geistesschätzen des Dichters vorgedrungen zu sein, und wissen dem Verfasser für seine kundige Führung aufrichtigen Dank. Wien. R. Brotanek.

Sidney Lee. Stratford on Avon from the Earliest Times to the Death of Shakespeare. With forty-five Illustrations by Edward Hull. New Edition. London. Seeley and Co. 1902.

The far-famed town of Stratford-on-Avon has been made the subject of numerous guide-books and monographs which almost exclusively fix the attention on points of Shakespearean interest. Mr. Lee pursues a different aim approaching the subject from a more general point of view and descending from the unknown to the known. The book falls into two parts, the former dealing solely with the history and development of the town down to the Reformation, the latter being more particularly concerned with Elizabethan Stratford in its various aspects.

The book offers many points of interest and there are probably not many important things connected with Stratford which Mr. Sidney Lee has left unmentioned. But when all is said, the marvel is how a transcendent genius like Shakespeare could have found nourishment in a village like Stratford. Perhaps it is well to be candid and say that he did not find adequate nourishment there. Had he been content to keep the noiseless tenor of his way he would doubtless have lived and died a mute inglorious Shakespeare. It is a generally accepted view that matrimonial embarassments forced him to leave Stratford for London at the age of about twenty. But no one has ever proved that he resided at Stratford all the time before his marriage. Each student is at perfect liberty to form his private opinion and place him where he pleases. Mr. Lee, of course, places him in Stratford. I said of course»; for Mr. Lee is of eminently conservative bent of mind and rarely differs from traditionary opinion. His method of treatment reminds us at every step of Halliwell-Phillipps, to whom indeed he pays the

compliment of being the soundest scholar among Shakespeare's biographers». The information Mr. Lee gives us is without doubt trustworthy and his name is a sufficient guarantee for thoroughness of research and reliability, though I would have preferred a work with more copious notes as to its sources of information. The book necessarily contains much conjectural matter as to what Shakespeare may have seen and heard and what he may have done and experienced. In regard to this we have no wish to quarrel with Mr. Lee. But we venture to place marks of interrogation after the following assertions:

The bust above the inscribed tablet . . . . is the most authentic memorial of the poet's features. I certainly prefer to give the preference to Droeshout's cutting, praised by Jonson for having well hit his face in brass.

On page 186, Mr. Lee quotes Aubrey, he was formerly in this town bound apprentice to a butcher», and equates a butcher = his father, which (whether we accept Aubrey's statement or no) seems very doubtful. On page 177 we read: Holofernes's words. 'sanguis, blood, . . . . coelum, the sky, the welkin, the heaven, . . . . terra, the soil, the land, the earth', are veritable extracts from phrase-books like the Sententiæ Pueriles, which lads had to learn by heart ». There are no phrases of this kind in the Sententiae Pueriles, which is a little manual consisting of brief Latin sentences collected from divers authors.

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But these are points of minor importance.

On page 280 seq. Mr. Lee refers to the proposed enclosure of the common fields at Welcombe near Stratford. It has been asserted time and again that gentle Shakespeare championed the popular rights and resisted the scheme. But Mr. Lee clearly shows that Shakespeare was in favour of enclosure. The words in Greene's diary are: «Sept. Mr. Shakespeare tellyng J. Greene that I was not able to beare the encloseing of Welcombe.» J. Greene continues Mr. Lee is to be distinguished from Thomas Greene the diarist. The entry therefore implies that Shakespeare told J. Greene that the writer of the diary, Thomas Greene, was not able to bear the enclosure. Dr. C. M. Ingleby published in 1885 a careful facsimile of the extant pages of Greene's diary (now preserved at Stratford) with a transcript by Mr. E. J. L. Scott of the British Museum. Mr. Scott showed that Greene's writing of this entry can only be read as we give it . . . . All the correspondence addressed to Shakespeare on the subject by the council makes it clear that he and they took opposite views throughout.

Jena.

H. Anders.

Henry Thew Stephenson. Shakespeare's London. Illustrated. New York. Henry Holt and Company. 1905. $ 2.00 net.

Ein Gang durch das elisabethanische London an der Hand eines kundigen Führers gehört zu den interessantesten Wanderungen; denn es eröffnet sich uns ein Einblick in eine von dem heutigen London grundverschiedene Welt. In John Stow, dem gelehrten Schneider aus Shakespeares Metropole, zu dem der Dichter selbst gewiß auch mit Hochachtung aufge

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blickt hat, haben wir einen ausgezeichneten Wegweiser. Aber doch hat sich der Brennpunkt unseres Interesses verschoben, vieles was Stow in seiner Survey of London» peinlich sorgsam aufzählte, erscheint uns heute nicht mehr so wichtig wie anderes, was er nur streift oder ganz übergeht. Es sind namentlich die Theaterverhältnisse, die Stow ferner liegen als uns. Daß er diese bösen Institute als loyaler Bürger von London mit Groll betrachtet habe, brauchen wir aber nicht mit Stephenson anzunehmen. Er, dem vor Jahren (1568) protestantische Ketzerriecher einen Teil seiner alten Bücher, weil sie papistische Gedanken enthielten, konfisziert und vor den Richter geschleppt hatten, war gewiß frei von aller Sympathie mit den Puritanern in der Londoner Stadtvertretung. Der Grund ist ein anderer. Stow ist Altertumsforscher, er beschreibt uns zumeist als alter Mann die Stadt seiner Jugend. Die Theater aber waren eine ganz moderne Einrichtung und fielen deshalb nicht in seinen Rahmen. Professor Stephenson von der Universität Indiana hat sich nun zur Aufgabe gemacht, auf Stows Spuren, aber mit Zuhilfenahme von möglichst viel anderem Material, die Topographie von Shakespeares London darzustellen. Das ist ihm im allgemeinen recht gut gelungen. Eine Menge interessanten kulturgeschichtlichen und historischen Details belebt das an sich ja leicht trockenene deskriptive Thema. Ich hätte nur noch mehr gewünscht, daß der Verfasser in einem einleitenden Kapitel die von ihm benutzten Quellen - auch für die circa 40 vortrefflichen Illustrationen kurz charakterisiert und daß er durch Beigabe einer möglichst wenig ins einzelne gehenden Karte des heutigen London dem Leser das Folgen durch die winkligen Gassen der alten Stadt erleichtert hätte. Das Buch schildert in 14 Kapiteln das frühe Wachstum der Stadt, London im allgemeinen Überblick, die alte Paulskirche ein höchst interessanter Abschnitt das Flußufer, den Tower, die Hauptstraße, den Norden von Cheapside, Militärbanden, Holborn und Smithfield, den Strand, Southwark und endlich die Theater und die Wirtshäuser. Ein allgemeines kulturgeschichtliches Kapitel über Leben und Sitten der Elisabethaner geht dem Ganzen voraus. Diese alten Sitten und Gewohnheiten sind naturgemäß die interessantesten Seiten des Buches, und wir freuen uns, daß der Verfasser einen zweiten Band nur diesem Gegenstand widmen will. Nicht übereinstimmen kann ich mit einigen Ausführungen in dem Abschnitt über die Theater. Ein von oben herabzulassender Vorhang gehört nicht zur elisabethanischen Bühne. Dieser Vorhang wird nicht mit «arras» bezeichnet (S. 320), das Stephenson selbst S. 15 richtig aufgefaßt hat. Daß von dem Turm über der Oberbühne Rollen mit bemalter Leinwand als Hintergrund herabgelassen werden (S. 323), widerspricht der ganzen Konstruktion. Bei der Topographie wäre wohl noch etwas größere Vollständigkeit erwünscht gewesen: ein Gebäude, wie den Tempel oder Gray's Inn. oder Bridewell sollte man hier nicht vergeblich suchen. Und die Orte, die John Norden 1593 auf Pieter van den Keeres Karte von London als die wichtigsten bezeichnet hat, wären doch alle kurz zu erwähnen. Vielleicht läßt sich das in einer zweiten Auflage des Buches, die wir ihm recht bald wünschen, nachholen.

Jena.

Wolfgang Keller.

J. W. Gray. Shakespeare's Marriage, his Departure from Stratford and Other Incidents in his Life. London, Chapman and Hall, 1905. VII u. 285 S. (10 sh. 6 d. net.)

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Nichts Gewisses, oder doch nichts Neues: das sind die Ergebnisse dieses Buches, das durch den Abdruck vieler bekannter Dokumente sogar von Shakespeares Testament und durch die Einfügung von ShakespeareAnnalen, 1552–1670, einen beträchtlichen Umfang gewonnen hat. Die Heiratslizenz wird mit Lupe und Fernglas untersucht; wir überzeugen uns, daß die Lizenzurkunde (bond) mit den Namen William Shagspere und Anne Hathway of Stratford-upon-Avon verläßlich ist und nicht etwa die Eintragung in das Bischofsregister mit den Namen William Shaxpere und Anne Wateley of Temple Grafton; wir erhalten eine Spezialuntersuchung über Bischof Whitgifts gesamte Haltung betreffs Heiratslizenzen und sind beruhigter, aber nicht gescheiter als früher. Gray erlaubt uns nach wir vor, das HathawayHäuschen bei Stratford als die Heimat von Shakespeares Frau zu betrachten. Möglichkeiten aller Art stellen sich ihm ein und dienen ihm als Beweis, daß bei Shakespeares Heirat lauter Tugend und Sitte gewaltet haben mag; namentlich muß sein Vater mit der Heirat einverstanden gewesen sein, wenn er nicht etwa geistesschwach war. Der einzige Punkt, der originell berührt, ist der Versuch, die Übersiedlung des Dichters von Stratford nach London bereits in das Jahr 1582 zu verlegen, mit der etwas schwachen Begründung, die Hast der Abreise möge die Beschleunigung der Heirat veranlaßt haben. Ungleich stärker als diese freie Kombination fällt gewiß die Tatsache ins Gewicht, daß der Dichter noch 1585 seine Zwillinge in Stratford taufen ließ. Auch darf man vielleicht jetzt, wo die Entstehungszeit der damaligen Dramen besser aufgehellt ist, darauf achten, wann die Technik, von der Shakespeare ausging, in den Theatern zuerst auftauchte; denn anfangs war er ja, wie Greene bezeugt, ein ausgeprägter Nachahmer. Da nun seine Anfänge auf dem Gebiete des Lustspiels von Lylys Endymion» (gespielt zuerst 1586) und die auf dem tragischen Gebiete von Marlowes «Tamerlan » (1587) beherrscht sind, so dürfte er unter dem frischen hinreißenden Eindruck dieser Stücke in die Londoner Theaterwelt eingetreten sein. Einige Jahre vorher hätte er als Neuling in den Londoner Schauspielhäusern einen wesentlich archaischeren Stil, Vers und Gestaltungsmodus geerbt, von dem er sich schwer im Handumdrehen hätte befreien können. Auch verrät die Begeisterungsrede des sterbenden Gaunt in «Richard II.» über das meergeschützte England und seinen Königsrang über andern Königen auf die Zeit Richards II. wahrhaftig nicht passend einen so unmittelbaren Anhauch der Armada-Stimmung, daß es verwunderlich wäre, wenn Shakespeare dies Ereignis nicht in der Hauptstadt miterlebt hätte. Das sind gewiß nicht sichere Gründe; in Ermangelung anderer Anzeichen aber deuten sie doch eher auf 1586-1587 als Übersiedelungszeit. Endlich darf man gegen eine so frühe Datierung wie 1582 selbst die Angaben der frühesten Anekdotensammler ins Feld führen. Wenn Shakespeare wirklich, wie Aubry um 1662 bezeugt, in his younger years a schoolmaster in the country gewesen war, so wird er schwerlich, wie derselbe Aubry meint, schon mit 18 Jahren nach London gezogen sein; ein Schulmeister mit 16–17 Jahren wäre wohl jünger gewesen 17

Jahrbuch XLII.

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