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truppen schon auf 1200m (1600 Schritte), welches den Angreifer zum Stehen brachte, vollkommen gerechtfertigt.

Wenn weiters die Artillerie in Folge der Terrain - Verhältnisse, oder weil das Gefecht sich der Entscheidung nähert, gezwungen ist, innerhalb der Distanzen von 1400 Schritten herwärts Stellung zu nehmen, so wird es stets lohnend sein, gegen dieselbe ein Massenfeuer zu eröffnen. Eine in Feuerlinie postirte Artillerie besitzt zwar eine sehr geringe Tiefe, dafür ist dieselbe gegen Verluste um so empfindlicher; auch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, beim Zusammentreffen günstiger Umstände ihre Thätigkeit vollständig zu lähmen. In dieser Beziehung wäre zu erwähnen, dass in dem Feldzuge 1870-71 bei Verneville eine deutsche Batterie durch Infanterie - Feuer auf 800m (1066 Schritte) in kürzester Zeit vollständig deroutirt wurde.

2. Nach vorangegangener tactischer Würdigung des Zieles wird der Commandant weiters zu erwägen haben, ob die Formation dieses Zieles derart beschaffen ist, um einen durchgreifenden Erfolg erwarten zu können. Wie schon erwähnt wurde, versprechen Ziele von grosser Tiefe die meisten Treffer, weshalb speciell gegen Infanterie- und Cavalerie-Truppen nur dann auf grossen Distanzen geschossen werden soll, wenn dieselben eine genügende Ausdehnung in die Tiefe besitzen. So wird auf 1400 Schritt noch gegen tiefe, ungedeckt stehende InfanterieColonnen mindestens in der Stärke eines Bataillons, gegen CavalerieAbtheilungen in der Stärke einer Escadron geschossen werden können. Gegen Batterien wird das Feuer während des Aufmarsches in die Feuerlinie und während des Positions-Wechsels am wirksamsten sein.

3. Der Commandant wird ferners die Distanz, den Zielpunct und die Anzahl der per Mann abzufeuernden Schüsse anzugeben haben.

In Bezug der Distanz gilt die Regel, dass es zweckmässig ist, die Distanz eher kürzer als zu weit zu schätzen, weil Kurzschüsse gesehen werden können, und das Einschiessen erleichtern, abgesehen von dem moralischen Einflusse, welcher durch die gellenden Geschosse auf den Gegner ausgeübt wird.

Wenn die Distanz bekannt ist, so ist die Abgabe von Probeschüssen nicht unbedingt nothwendig, weil jene Längen-Abweichungen, welche sich in Folge der atmosphärischen Einwirkung geltend machen, durch die immerhin bedeutenden Längen-Streuungen, wie solche das Massenfeuer in der Praxis ergibt, nahezu behoben werden. Der Commandant wird in diesem Falle behufs Zeit- und Munitions-Ersparniss sofort zur Abgabe des eigentlichen Feuers schreiten.

Gezielt wird in der Regel auf die Fusslinie des Gegners, weil dieselbe noch am meisten markirt ist, und mit genügender Schärfe erfasst werden kann.

Es kann aber auch ein nahe vor oder nach Umständen auch hinter dem Ziele befindlicher Gegenstand, welcher ein scharfes Anvisiren gestattet, als Zielpunct gewählt werden, nur ist erforderlich, dass derselbe im gleichen Niveau mit dem zu beschiessenden Ziele sich befindet, weil im Gegenfalle die Schussweite sich verkürzen, beziehungsweise vergrössern würde.

Für gewöhnlich ist die Breiten mitte des Zieles anzuvisiren, nur wenn heftige seitliche Windströmungen sich geltend machen, ist bei Zielen von geringer Breite jener Flügel anzuvisiren, welcher der Windrichtung zugekehrt ist.

Im Interesse des Munitions - Haushaltes und der Aufrechthaltung der Feuer-Ordnung wird vom Commandanten die Zahl der von jedem Manne zu verschiessenden Patronen angegeben.

Diese richtet sich nach der Wichtigkeit und Ausdehnung des Zieles und dürfte, weil in der Regel verhältnissmässig viele Feuergewehre in Thätigkeit versetzt werden mit 3 bis 4 Patronen genügend gross sein.

Ueber die Anwendung des Einzel- oder Salven-Feuers wurde das Nöthige bereits besprochen.

Diese kurze Schilderung über den Werth und die Anwendung des Infanterie-Feuers auf grossen Distanzen lässt erkennen, welch' eminente Bedeutung das Hinterlad-Gewehr, vorwiegend aber der kleine Caliber erlangt hat, indem nicht allein die Feuerschnelligkeit, sondern namentlich die Treff-Sicherheit und Percussion auf grössere als bisher übliche Distanzen wesentlich gesteigert worden ist. Die richtige Ausnützung der Leistung des Gewehres versetzt die Infanterie in die Lage, das Gefechtsfeld auf bedeutende Distanzen beherrschen zu können, und die Erfahrung hat gezeigt, dass ein rücksichtsloses Vorgehen des Gegners, selbst wenn keine Artillerie vorhanden ist, auch durch Infanterie-Feuer empfindlich gestraft werden kann.

Welche Bedeutung die Erweiterung der Wirkungs - Sphäre des Gewehrfeuers erlangt hat, wurde auch von der Artillerie erkannt und gewürdigt, welche nunmehr darauf bedacht sein musste, auch ihrerseits nicht allein die Schussweiten, sondern auch die Wirksamkeit ihrer Geschütze zu vergrössern, um zwischen Artillerie- und Infanterie-Feuer das alte Gleichgewicht herzustellen.

Die Schlacht von Lobositz und die Gründung von Theresienstadt,

Vortrag, gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine zu Theresienstadt im Jahre 1876, von Emerich Streitenfels, k. k. Hauptmann des Linien-Infanterie-Regimentes Nr. 66. (Hiezu Taf. II und III.)

I. Theil.

Die Schlacht von Lobositz am 1. October 1756.

Im Nachstehenden wird die Schlacht von Lobositz zur Darstellung gebracht, welche sich vor nahezu anderthalb Jahrhunderten in nächster Nähe der heutigen Festung Theresienstadt abspielte und deshalb trotz ihres ehrwürdigen Alters namentlich für die Garnison von Theresienstadt von grossem Interesse ist.

Der Gegenstand erscheint in nachstehender Weise gegliedert:

1. Die militärisch-politische Lage der beiden kriegführenden Staaten zu Beginn des siebenjährigen Krieges, dessen erste Schlacht jene von Lobositz war.

2. Kurze Skizzirung der dieser Schlacht vorangehenden Operationen. 3. Die Schlacht selbst.

4. Betrachtungen über dieselbe.

1. Militärisch-politische Lage der kriegführenden Staaten.

Wir wissen, dass Maria Theresia in Folge der schlesischen Kriege und durch die Friedensschlüsse von Dresden (1745) und Aachen (1751) den grössten Theil des Herzogthums Schlesien an Preussen verloren hatte.

Doch die grosse Kaiserin konnte diesen Verlust nicht verschmerzen, und der Gedanke, noch einmal den Versuch zu machen, Schlesien wieder zu erobern, fand in ihrem Herzen immer wieder neue Nahrung.

Um aber diesmal ihrer Sache möglichst sicher zu sein, benützte sie und ihr gewandter Kanzler Graf Kaunitz die nächsten Friedensjahre, um die anderen Mächte, als: Frankreich, Russland, Schweden, Sachsen und das Reich für ihre Sache zu gewinnen und so einen grossen Bund gegen Preussen zu bilden, welches letztere nur von England unterstützt wurde.

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Friedrich der durch geheime Agenten von dem gegen ihn geplanten Vorhaben frühzeitig Kenntniss erhielt versuchte diesen Bund durch diplomatische Einwirkungen zu trennen, und als ihm dieses nicht gelang, glaubte er, der drohenden Gefahr dadurch am besten zu entgehen, dass er mit seinem bereits wohlgerüsteten Heere über seine noch nicht gerüsteten Gegner herfalle und sie einzeln vernichte.

Und da Oesterreich die Seele des Bündnisses gegen ihn und jedenfalls sein erbittertster Gegner war, so richtete er sein erstes Augenmerk auf den Kaiserstaat.

Zur besseren Bekämpfung von Oesterreich schien es ihm aber rathsam, sich zuerst Sachsens zu bemächtigen.

Am 28. August 1756 zog Friedrich II. an der Spitze seiner Garden von Potsdam aus, und die Würfel fielen zum blutigen Spiele, das sieben Jahre lang dauerte.

Betrachten wir für einen Augenblick die politisch-militärische Lage beider kriegführenden Haupt-Staaten ').

„Während des siebenjähriges Krieges waren die Mittel, mit welchen Oesterreich und Preussen in's Feld zogen und sich bekämpften, nahezu dieselben.

Die beiden Armeen wurden in gleicher Weise aufgebracht, sie hatten dieselbe Bewaffnung, dieselbe innere Gliederung; sie lagerten, marschirten und kämpften nach den gleichen Grundsätzen.

Wenn aber trotzdem, dass Oesterreich an Einwohnerzahl den preussischen Staat beinahe um das Doppelte übertraf, der letztere schliesslich siegreich aus dem Kampfe hervorging, so ist dieses Resultat nebst der intelligenteren, energischeren Führung der Armee des Gegners hauptsächlich dem zuzuschreiben, dass sich hier in der Hand des königlichen Feldherrn die ganze Macht eines geordneten, einheitlich organisirten Staatswesens concentrirte.

Der König einerseits als Feldherr für seine Action Niemandem verantwortlich, brauchte anderseits nur zu wollen, um die ganze Kraft des Staates für Kriegszwecke zu verwenden. Oesterreich dagegen war ein lockeres Gefüge einzelner Länder, deren jedes das volle Gefühl seiner Besonderheit besass.

Die neue Erbfolge-Ordnung der pragmatischen Sanction erklärte wohl die Erbländer untrennbar und unauflöslich" miteinander verbunden, aber eine engere Annäherung in der Verfassung wurde durch dieselbe

1) „Beiträge zur Geschichte des österreichischen Heerwesens."

nicht erzielt; alle besonderen Rechte und Privilegien blieben vielmehr gewahrt.

In Oesterreich war der Wille der Regierung noch nicht genügend, um denselben zur Ausführung zu bringen; es bedurfte erst der Zustimmung der Landstände der einzelnen Erbländer, sowie in Ungarn des Reichstages, denn nur diese konnten ausserordentliche Hilfe für Kriegszwecke bewilligen.

Diese Ueberlegenheit der inneren staatlichen Organisation ermöglichte dem kleinen Preussen eine Kraftäusserung, welche jener des ausgedehnten Oesterreichs beinahe immer das Gleichgewicht hielt.“

Noch ungünstiger gestalten sich die Verhältnisse auf Seiten Oesterreichs, wenn man bedenkt, dass dem souveränen preussischen Feldherrn ein österreichischer General gegenüberstand, der wohl eine reiche Kriegserfahrung hinter sich hatte, der aber ohne Zustimmung der Monarchin keine besondere Unternehmung wagen durfte, und dessen Verhältniss zu seinem Unterfeldherrn (Piccolomini) nicht so klar gestellt war, dass er von Seite des letzteren auf unbedingten Gehorsam rechnen konnte. Die gesammte österreichische Kriegsmacht bestand vor Ausbruch des siebenjährigen Krieges aus:

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Hievon standen jedoch bei 40.000 Mann in Italien und den Niederlanden.

Die österreichische Armee theilte sich in:

54 Linien- und 11 Grenz-Infanterie-Regimenter; 18 Cürassier-, 12 Dragoner- und 10 Huszaren-Regimenter.

Vor dem Kriege wurde eine neue Organisation der Infanterie angenommen und jedes Regiment bestand aus 2 Feld-Bataillonen à 6 Compagnien und 1 Garnisons-Bataillon à 4 Compagnien. Ein Regiment zählte 2410 Mann, und zwar:

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Ein Grenz-Regiment hatte 2 Feld-Bataillone à 1 Grenadier- und 4 Fusilier-Compagnien. 1 Bataillon zählte 1080 Mann.

Ein Cürassier-Regiment bestand aus 6 Schwadronen und 1 Schwadron Carabinieri, zusammen 818 Reiter;

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