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binnen wenig Monaten ein Heer von beinahe einer halben Million Streitern zu bekleiden und auszurüsten, führte zu der Erfindung des Shoddy, der Schuh- und Zuschneide-Maschine, und der sehr wesentlichen Vervollkommnung der Nähmaschinen u. s. w.

Die Beziehungen des Heeres zur Industrie sind demnach die innigsten; sie sind wechselseitig und es erleichtert die ausgiebige Benützung der einen sehr wesentlich die Erfolge des anderen. Wenn die Kämpfe in den Tropen Abessyniens und in den Wüsten Central-Asiens verhältnissmässig rasch und siegreich beendet wurden, so darf die Industrie einen sehr wesentlichen Antheil an diesem ruhmreichen Erfolge für sich in Anspruch nehmen. Sie schuf die Mittel, welche die Kraft eines modern organisirten Heeres den Schrecknissen der Wüste und der Elemente trotzen liessen, und zum Entsetzen der weniger cultivirten Völker des Ostens die von ihnen für unüberschreitbar geglaubten natürlichen Schranken fallen machten.

Aber auch die Kriege der neuesten Zeit, mit ihrer überwältigenden Massenhaftigkeit in Aufgebot und Verwendung imposanter Streitkräfte, mit ihren so raschen und durchschlagenden Erfolgen, basiren zum nicht geringen Theile auf der entsprechenden Ausnützung der Industrie, die für Alles sorgt und Alles schafft, was das Heer zu seiner Ausrüstung, Verpflegung und - Verwendung braucht.

Je entwickelter die Industrie eines Landes ist, desto unabhängiger ist dasselbe nicht allein in volkswirthschaftlicher und finanzieller, sondern ebenso sehr auch in militärischer Beziehung. Aus eigener Kraft vermag es schon im Frieden dafür zu sorgen, dass die Wehrkraft des Staates, insofern es sich um deren materielle Bedürfnisse handelt, die Kraft zur Wehr auch voll besitze. Es wird ferner im Stande sein, diese Kraft während des Kampfes zu erhalten, die Verluste zu ersetzen, die Wunden zu heilen. Wenn die Industrie ihre zahlreichsten und bedeutungsvollsten Impulse durch die Befriedigung der Bedürfnisse des Heeres empfängt, so wurde anderseits die hohe Bedeutung der Industrie von den Feldherren aller Zeiten gewürdigt und ausgiebig benützt. Es wird dies künftig in höherem Grade der Fall sein müssen, da durch die letzten Kriege der Beweis geliefert wurde, dass ohne die Unterstützung der Industrie die Verwendung gewaltiger Heeresmassen kaum möglich gewesen wäre.

Oesterreich-Ungarn, die Vorzüge des Agricultur- mit jenen des Industrie - Staates vereinend, hat sich, trotz schwer empfundener Ungunst der Verhältnisse, in industrieller Beziehung nicht nur fast ganz vom Auslande emancipirt, sondern in vielen Artikeln auch einen hervor

ragenden Platz erkämpft, den es gegen die mächtig andrängende Concurrenz fremder Kraft mit Erfolg zu behaupten vermag und immer neue Gebiete sich erringt.

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Speciell die Bedürfnisse für die gesammte Wehrkraft des Staates werden mit wenig Ausnahmen Dank der Fürsorge der Heeresverwaltung durch die vaterländische Industrie gedeckt, welche unter normalen Verhältnissen den an sie gestellten Anforderungen im Allgemeinen vollständig entspricht; aber auch aussergewöhnlichem Bedarfe gewachsen ist, wie z. B. die Textil-Industrie der Monarchie, welche - nur nebenbei bemerkt an 170.000 Kraft- und Handstühle beschäftigt, nebst einem bedeutenden Exporte in Militär-Tuchen, per Jahr eventuell 159,352.000 Ellen verschiedener, ausschliesslich für Militär- Bedarf geeignete Woll-, Calicot- und Leinen-Stoffe zu erzeugen vermag. - Aber auch die Leder-Industrie, welche in den letzten Jahren bedeutenden Aufschwung genommen hat und in allen Kronländern sowohl in Fabriken. als handwerksmässig betrieben wird, liefert alle stärkeren Sorten, und werden nicht nur sämmtliches Riemen werk, Sattel- und TornisterAusrüstung, dann alle Schuhwaaren für die Armee im Inlande erzeugt, sondern es geht namentlich letzterer Artikel in bedeutenden Mengen in den Orient; dasselbe gilt auch in Betreff der Confection von Kleidung und Wäsche.

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Auch die für jedes Heer beinahe wichtigste Industrie, nämlich jene in Eisen und Stahl, erfreut sich in Oesterreich-Ungarn eines solch hohen Aufschwunges, dass das Heer beinahe seinen gesammten Bedarf im Inlande decken kann, was speciell in Bezug auf Fabrication der Handwaffen der Fall ist, deren vollendete Güte und Leistungsfähigkeit auch vom Auslande, und zwar selbst von jenem Staate durch bedeutende Bestellungen anerkannt wurde, dessen Industrie in diesem Fache einen hervorragenden Rang behauptet. War ferner OesterreichUngarn früher für den Bezug chirurgischer und wissenschaftlicher Instrumente beinahe ausschliesslich auf das Ausland angewiesen, so hat sich nun dieses Verhältniss gründlich geändert, indem seit neuerer Zeit „draussen" mit Vorliebe Wiener Instrumente gesucht werden, und die gesammte militärische Sanitäts-Pflege mit Ruhe an die inländische Industrie appelliren kann. Noch ist dies auch in Betreff der Instrumente für Blechmusik der Fall, in welchen die österreichische Industrie lange Zeit die erste in jeder Beziehung tonangebende war.

Doch nicht allein für Bekleidung und Ausrüstung jeder Art sorgt die heimische Industrie, sie wird auch den Bedürfnissen des Magens gerecht, indem sie alle Nahrungsmittel, an denen

namentlich die östliche Hälfte so reich ist, bereitet, und z. B. ausser mehreren Fabriken für Conserven, für die Verarbeitung des Getreides allein an 60.000 Mühlen beschäftigt, die den Bedarf an Mehl nicht nur decken, sondern stark für den Export arbeiten. Aber auch in Production von Wein und Bier leistet Oesterreich ganz Ansehnliches; so wurden z. B. von letzterem Artikel im Jahre 1876 an 12,280.000 Hektoliter erzeugt und beinahe auch verbraucht. Die Fabrication von Branntwein, namentlich in den nordöstlichen Theilen des Reiches stark betrieben, deckt zwar nicht vollständig den Consum, wird aber dem Bedarfe des Heeres unter allen Umständen genügen können. Tabak, dieser Sorgenbrecher, der häufig schwerer entbehrt wird als ein guter Schluck", wird im Vaterlande genug erzeugt. Wenn noch bemerkt wird, dass die verschiedenen Banken und Credit-Institute Oesterreich-Ungarns am Schlusse des Jahres 1875 - also nach dem Krach mit circa 350 Millionen Gulden wirklich eingezahltem Capitale arbeiten, und die Spar-Einlagen in der Monarchie die ansehnliche Höhe von 690 Millionen Gulden erreichen, so sprechen die erwähnten Thatsachen deutlich genug dafür, dass die vaterländische Industrie nicht nur der seiner Nachbarn voll ebenbürtig ist, sondern auch jene Aufgaben vollständig zu lösen vermag, welche in Durchführung der wirksamen Unterstützung der Forderungen des Heerwesens gelegen sind.

In Italien hat die Industrie einen sehr lebhaften Aufschwung genommen; dieselbe bildet aber im Vergleiche zur Urproduction erst nach dieser den Hauptnahrungszweig der Bevölkerung. Besonders reich entwickelt und im ganzen Königreiche dominirend ist die Industrie in den nördlichen Provinzen, speciell in Piemont, in der Lombardei und Toscana.

Eine Action nach dem Süden fände in den Tiefebenen des Po nicht allein reiche und mehr als genügende Mittel zur Ernährung des Heeres, sondern es würden die Tuch-Manufacturen in Lodi, Vicenza, Mailand und Biella; die Leder-Industrie der Lombardei und Piemonts; die Schuhwaaren-Fabriken in Florenz, Turin und Genua; die Waffen von Brescia und Turin; die Stahl-Etablissements von Bergamo, Brescia und Pisa; die Industrie in Trommeln und Blas-Instrumenten von Mailand und Bergamo; die Liqueur-Fabrication der Lombardei und Piemonts den Bedürfnissen der Operations-Armee genügen.

Die Textil-Industrie, welche im Allgemeinen noch handwerksmässig und in den Familien sehr lebhaft betrieben wird, doch kaum dem eigenen Bedarfe genügt, dürfte den Massenverbrauch von Kleidung und Wäsche einer operirenden Armee nicht zu decken vermögen.

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Anfänge zum Besseren sind wieder durch die Bedürfnisse des Heeres angeregt - vorhanden, und ist speciell die Erzeugung von Militär-Tuchen vom Auslande bereits unabhängig. Zur Beschaffung und Ergänzung aller übrigen, der Armee nothwendigen IndustrieArtikel fände die österreichische Industrie ein weites Feld zur Thätigkeit, eventuell zur Anbahnung neuer Verbindungen, die in den 240 Millionen Gulden, welche das volleingezahlte Capital der Banken und Credit-Institute repräsentiren, sowie in den 186 Millionen Gulden Spareinlagen eine genügende Sicherheit für die Erfüllung eingegangener Engagements finden können.

Wenn auch Verträge theoretisch einen ebenso sicheren Schutz bieten mögen, als mächtige Bergeswälle, so hat die Schweiz doch vollkommen. recht, wenn sie nach dem Grundsatze handelt: „Selbst ist der Mann!"

Indem daher die Schweiz ihr Wehr-System in modernem Sinne änderte, schützte sie zugleich ihre hochbedeutsame Industrie, welche namentlich in einigen Zweigen einen ersten Rang in der Welt einnimmt, und dem Lande hohen Wohlstand, geistige und sittliche Entwicklung gab und immer fördert.

Trotz der bestehenden Verträge kann es immer möglich sein, dass das Gebiet der Republik der Schauplatz kriegerischer Operationen werde. In diesem Falle würde die occupirende Armee für die Zufuhr von Nahrungsmitteln sorgen müssen. Denn, wenn die Schweizer Industrie auch vortreffliches Kirschwasser und Tabak stark exportirt, so ist sie selbst unter normalen Verhältnissen ausser Stande, den eigenen. Bedarf an Cerealien und anderen Lebensmitteln zu decken. Dafür wird aber die schweizerische Industrie zur Lieferung von Baumwollwaaren, in welchen sie erfolgreich sogar mit England concurrirt, von Tuch, allerdings in geringer Menge, ferner von Sohlenleder, fertigen Schuhen, namentlich aber von chirurgischen Instrumenten, Conserven (besonders condensirte Milch für Spitäler), Maschinen jeder Art und guten Waffen heranzuziehen sein. 89 Millionen Gulden volleingezahltes Capital der Banken und 115 Millionen Gulden Spareinlagen geben glänzendes Zeugniss von dem durch Industrie erworbenen Reichthume des kleinen, von der Natur so stiefmütterlich ausgestatteten Landes.

Wenn je ein Land von der fast unglaublichen Actions- und Widerstandskraft hochentwickelter Industrie-Staaten geradezu staunenerregende Beweise gab, so war es Frankreich, welches nach Heimsuchungen, die

in bestimmten bezeichneten Bahnen der physischen oder geistigen Thätigkeit; der Waffenstand zieht diese gesonderten Elemente zum innigen Gesammtverbande in das schrankenlose, blos durch Schicksalsschlüsse begrenzte Reich seines Wirkens.

Im Frieden übt die Gewohnheit leichte Macht über die socialen Verhältnisse in den bequemen Geleisen der gesetzlichen Ordnung; lösen aber Nationen gegenseitig die Bande der Eintracht, da schwankt die Waagschale des Rechtes, und des Brennus Degen wird das giltigste Gewicht für den Ausschlag.

Der Krieg ist die letzte Instanz der Völker-Tribunale. Es bleibt keine Stütze des Gesetzes mehr, keine andere Hoffnung für den Erfolg, als die eigene Kraft. Diese zur höchsten Entwicklung zu steigern, müssen alle im Ganzen und in den Theilen der Nation vorhandenen Fähigkeiten und Thätigkeiten, den jedesmaligen Umständen entsprechend, vereint, zur festen Schutz- und Trutzwaffe gebildet werden. Die Kunst dieser Bildung aber ist das Studium des Militärs.

Die Kriegsführung im weiteren Sinne umfasst daher ein ausgedehntes Gebiet von Wissenschaften, Kenntnissen und Fertigkeiten, deren erschöpfende Gewinnung und praktische Aneignung, selbst bei immer gleicher Kraft und Fülle des Geistes, mehr als ein Lebensalter in Anspruch zu nehmen scheint, denn ungeachtet ihrer regen inneren Verbindung sind sie doch in ihren äusseren Formen mehr oder minder getrennt; Entwurf zum Kriege, Ausführung desselben, Bewegung und Bewaffnung der Heere, Kenntniss der Länder und des Bodens und künstliche Erhöhung ihrer Vertheidigungs-Fähigkeit, Benützung der politischen und administrativen Hilfsquellen, sammt ihren stufenweisen, wissenschaftlichen und technischen Unterabtheilungen, haben alle im Laufe ihrer Entwicklung abgesonderte Gestaltungen angenommen, in denen sie, als selbständige Ergebnisse des Geistes und der Zeit, in dem jeweiligen Standpuncte ihrer Vollendung, dem Studium abgeschlossen entgegen treten.

Der junge Militär fühlt sich befangen von der Menge dieser vollendeten Einzelheiten; nach der Aneignung ihrer vorzüglichsten Beziehungen auf seinen besonderen dienstlichen Wirkungskreis, weiss er selten tiefer in ihr Wesen einzudringen, ihre Folgeweise bis zum ersten Ursprunge zu erforschen; während er sich zu dem nächsten wissenschaftlichen Zweige wendet, sind die früher ergriffenen seinem Gedächtnisse entschwunden, und nur schwache Erinnerungen bleiben zurück, um das frühere Studium wieder von Neuem beginnen zu können. Will er dies aus Besorgniss einer unzureichenden Oberflächlichkeit meiden, und seine Thätigkeit auf eine einzige Richtung der Berufswissenschaften concentriren,

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