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so kann er hierin zwar allerdings Erfolge erreichen, jedoch auch den Nachtheilen nicht entgehen, die aus Einseitigkeit, besonders in unserem Stande, entspringen und nur bei einer stets untergeordneten, einflussbeschränkten Stellung ohne grössere nachtheilige Folgen bleiben werden.

Es muss also der Weg aufgesucht werden, auf welchem es möglich ist, die Lösung dieser sehr schwierigen Aufgabe vorzubereiten, den vielfältigen Studien des Militärs bei ihrem möglichsten Umfange Klarheit, Sicherheit und Erfolg zu geben.

Obwohl das freie Forschen des Geistes keinen unverrückbaren Normen sich unterwerfen lässt, sondern nach Verschiedenheit der Temperamente, der physischen Spannkraft und der Einwirkungen des äusseren Lebens auch ganz eigenthümliche Richtungen seiner Entwicklung ergreift, so lässt sich doch für diese Richtungen eine gewisse Grundlage bestimmen, von der sie ausgehen sollen, ein Ausgangspunct für die allgemeine Tendenz ihres Fortschreitens aufstellen.

Dieser Grundstamm für alle Zweige der Wissenschaft, die OperationsBasis des intellectuellen Wirkens, wenn es anders mit Thatkraft, humanem Sinne und Lebenstact sich verbrüdern soll, scheint uns in dem Studium der Geschichte überhaupt und in der Betrachtung ihrer besonderen Einflüsse auf den Gang aller menschlichen Dinge zu liegen.

Die Verbindung der physischen Welt mit der geistigen nach bestimmten Verhältnissen der Zeit und des Raumes, von der ersten Erhebung des Menschen über die Gewalt der rein sinnlichen Natur, bis zur vollkommenen Mündigkeit aller Seelenkräfte, vom patriarchalischen Familienleben bis zur Protokollsweisheit der heutigen Staatenpolitik, die im Kreislaufe der Begebnisse sich zeigenden ewigen und unumstürzlichen Gesetze der Aufsteigung, Culminirung und Absteigung, diese Gesammtbegriffe aller Lebenserscheinungen finden sich in der Geschichte niedergelegt. Sie allein ist es, die uns die möglichen Leistungen der Menschennatur bis in ihre kleinsten Bestandtheile zergliedert und sicher an die Schranken weiset, wo das weite Reich luftiger Theorien und gefährlicher Utopien beginnt, das den bewegten Geist nur zu leicht in seine bodenlosen Tiefen zieht. An der Wiege des menschlichen Geschlechtes zeigt sie uns die Embrione aller Wissenschaften, deren Entwicklungs-Phasen mit jenen der Völker immer gleichen Schritt halten, und die sowohl in Form als Inhalt genau jene Eigenthümlichkeiten wiedergeben, die der Lebensweise und dem Charakter der Nationen aufgeprägt sind. Dies ist vor Allem bemerkenswerth für jene Wissenschaften, die nicht in dem todten Gebiete der Speculation bleiben, sondern im Strome der erschütterndsten Bewegungen des Völkerlebens als Steuer und Pilot dienen sollen. Die Fächer der

gesammten Kriegskunde gehören in diesen Bereich. Wer das geistige und materielle Leben der Völker in den Haupt-Epochen der Geschichte, die Grundideen grosser Ereignisse und die Einwirkungen nicht kennt, welche sie auf den Geist der Kriegführung hervorbrachten, der wird vergebens an dem fertigen Stoffe der Kriegsresultate sich abmühen, Nutzen aus Erfahrungen zu ziehen suchen, deren tiefe und in der Vergangenheit liegende Quellen für ihn unentdeckt sind. Welche unendliche Verschiedenheit zwischen den Kriegen der republikanischen Legionen Roms und jenen des Kaiserreiches, dem dreissigjährigen deutschen Religionskriege und den Kämpfen gegen Frankreichs geistige und politische Gewaltversuche am Knotenpuncte der beiden letzten Jahrhunderte! Nicht allein die Vervollkommnungen der Kriegskunst geben hier den Stützpunct zur Beurtheilung; er muss in den freiesten Lebensäusserungen der Völker, in den Gestaltungen der ganzen Zeit gesucht werden. Alle Veränderungen im Gebiete der Kriegswissenschaften sind nothwendig nur hiedurch bedingt, und können nur von diesem Höhenpuncte aus in ihrem Zusammenhange überblickt und mit Erfolg studirt werden. Die nach der Elementar-Ausbildung des Militärs als unerlässliche Folge anerkannten Studien der Geschichte der Kriegskunst und der Kriegsgeschichte bleiben. stets lückenhaft ohne jene Uebersicht in das innere Getriebe der Begeberheiten, welche die allgemeine Geschichte verschafft. Die Prüfung einzelner Kriegsereignisse oder Erfahrungen der Kriegskunst veranlasst, wenn sie nicht durchaus pragmatisch behandelt wird, häufig eine Beschränktheit und Schiefe des Urtheiles von den nachtheiligsten Wirkungen und stellt Ideen fest, deren rücksichtslose Ausführung dem steten Gange einer zeitentsprechenden Veränderung oft grosse Hindernisse entgegen stellt oder ihm wenigstens eine fehlerhafte Richtung gibt. Wer aber mit dem Geiste der Geschichte studirt, wird bald erkennen, dass im Bereiche der Erfahrungswissenschaften, kein Zustand derselben als unumstössliche, für alle Zeiten geltende Wahrheit angenommen werden dürfe, sondern dass auch hier das Naturgesetz der steten Bewegung immer neue Modificationen nothwendig mache. Er wird die Unerlässlichkeit einsehen, dass man Institute und den Geist ihrer Ausführung den Menschen anpassen müsse, dass der menschliche Wille und die That sich nicht den Berechnungen der algebraischen Analyse fügen.

Daher wäre es auch, um dem Militär das Studium seiner Berufswissenschaften in diesem Sinne zu erleichtern und erfolgreicher zu machen, sehr wünschenswerth, wenn diese Wissenschaften eine mehr geschichtliche Bearbeitung erhielten. Sie sind durch die Zeit entstanden und nur die Anschauung dieses Entstehens gibt deutliche Begriffe über ihre Theorien und Grundgesetze.

In Beziehung auf das praktische Leben erzeugt das Studium der Geschichte jenen Geist der Humanität, der den gebildeten Militär auf das in seiner Kraft beruhende Uebergewicht in der gesellschaftlichen Stellung verzichten und zur Behauptung seiner Würde nur auf geistige Superiorität und Gediegenheit des Charakters sich stützen lässt. Es vernichtet alle Vorurtheile über absolute Prärogative unseres Standes, deren Grundlosigkeit durch eine genauere Kenntniss des staatsbürgerlichen Zusammenwirkens bald einleuchtend wird. Endlich ist es besonders für den jungen Militär von überwiegender Wichtigkeit, den der Drang nach Thaten und eine weit geöffnete Zukunft bei den unzureichenden Beschäftigungen des Friedens oft zu extremen Entwürfen verleiten und ihn das Ziel seines unbestimmten Strebens, die Erfüllung seiner grossen Hoffnungen, auf kriegerischen Abenteuern in fernen Ländern suchen machen. Die Geschichte überzeugt von der Nichtigkeit solcher Phantasie - Verirrungen und stellt den uneigennützigen, aufopfernden Dienst für das Vaterland als das erhabenste, sich selbst vollständig lohnende Ziel der Thätigkeit seiner Krieger dar, die nicht allein zum Kampfe in der Gefahr, sondern auch zur steten Vorbereitung für diesen Kampf berufen sind. Brixen, am 27. Februar 1836.

Die Industrie als Hilfsmittel des Krieges.

Vortrag, gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine zu Wien am 23. März 1877, vom k. k. Hauptmann Baron Potier des Echelles.

Kampf, die Lebensbedingung jeder Existenz im Weltall, ist auch das Motiv zum Werden und zur Entwicklung der Industrie.

Von den Uranfängen der Zeiten bis zur Gegenwart, von der Keule bis zum Hunderttons-Geschütz, ist Erwerben und Erhalten, und naturgemäss auch Angriff und Vertheidigung in ewig wechsel vollen Wogen das Streben der Menschheit geblieben, und wird es immer bleiben, so lange es Leidenschaften, d. h. so lange es Menschen gibt.

Während die übrigen von der Natur mit Werkzeugen zu Schutz und Trutz ausgerüsteten Geschöpfe immer nur auf diese, ihrem Organismus eigenthümlichen Waffen angewiesen sind, war des Menschen Geist bedacht, weniger durch rohe Kraft, als vielmehr durch Ueberlegenheit der Waffe und deren Gebrauch sich des Sieges zu versichern.

Dieses Streben nun regte den industriellen Sinn des Einzelnen zur Verbesserung der Waffen an, welche der Zeiten Lauf hat daran nichts geändert vom Besiegten als wesentliche Ursache der erlittenen Niederlage betrachtet, nicht allein nachgeahmt, sondern meist auch vervollkommnet wurden.

Brachte der Sieg dem Einen Vortheile und mit ihnen die Kenntniss mancher ungeahnter Bedürfnisse, so musste dagegen der Andere bemüht sein, den Schaden zu verbessern und auf Wiedergewinn zu denken. In allen Fällen musste die Industrie in Anspruch genommen werden, welche, indem sie den an sie gestellten Forderungen genügte, die Impulse zu ihrer Thätigkeit doch eigentlich der Wirkung jener Factoren verdankt, welche die Resultate des Kampfes sind.

Was für das Individuum, für Stämme galt, hat nicht minder Werth für Völker und Nationen. Krieg und Handel, diese Culturträger aller Zeiten, haben nicht allein Kunst und Wissenschaft verbreitet, sondern in höherem Maasse noch die Kenntniss von Wehr und Waffen und ihrer Anfertigung gefördert.

Doch nicht nur indirect, sondern unmittelbarer führte das Bedürf niss des Heerwesens zur Erfindung von Objecten, welche heute so

unentbehrlich geworden sind, dass selbst die Vorstellung, es könne einmal anders gewesen sein, der Gegenwart entrückt ist. Und doch führte um nur Ein Beispiel anzuführen das Bedürfniss, bei Bekleidung der Soldaten an Stoff zu sparen und jene selbst bequemer, anpassender und dauerhafter zu machen, zur Erfindung der Knöpfe.

Die Metall-Industrie, speciell die Giesserei, datirt ihren Aufschwung seit Einführung der Kanonen; die Textil-Industrie seit Errichtung der Landsknechte, deren Heerhaufen durch die Haus-Industrie nicht mehr bekleidet werden konnten. Die Gründung stehender Heere war für viele Industriezweige von epochemachender Bedeutung, indem fast in allen Ländern der Wunsch, die Bedürfnisse des Heeres innerhalb der eigenen Grenzen zu decken, zur Errichtung von Fabriken führte, die theils direct vom Staate, theils mit dessen Unterstützung gegründet den Keim zur industriellen Entwicklung des Landes und dessen erhöhtem Wohlstande legten.

In Oesterreich gibt es, Dank der Initiative der grossen Kaiserin Maria Theresia fast keine einzige bedeutendere Industrie, welche ihre Impulse nicht in Folge der Bedürfnisse des Heerwesens empfangen hätte; welch' letzteres häufig selbstthätig eingreifen musste, um Indolenz und Vorurtheile zu besiegen.

Heute gibt es auf dem beinahe unermesslichen, von Gewerbe und Industrie beherrschtem Gebiete fast keinen Zweig, der nicht in irgend einer Weise an den Arbeiten für die Herstellung der Bedürfnisse des Heerwesens betheiligt wäre. Es war immer so, und ist nun in weit höherem Maasse der Fall, seit der Krieg eine Kunst, dessen Führung eine Wissenschaft geworden ist.

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Die grossen Fortschritte auf allen Gebieten des Lebens, der Technik und Industrie, die Massenhaftigkeit der aufgebotenen, schon im Frieden für den Krieg auszubildenden Streitkräfte, haben die Bedürfnisse des Heerwesens in hohem Grade vervielfältigt und gesteigert. Wo früher einzelne Gewerke arbeiteten, sind jetzt Fabriken fast ausschliesslich für das Heer in Anspruch genommen, steht die Entwicklung und Vervollkommnung vieler Industriezweige im innigsten Zusammenhange mit moderner Kriegs- Technik, wie anderseits diese in einer hochentwickelten Industrie ihre kräftigste Unterstützung findet.

Was dieselbe zu leisten vermag, zeigte die Erfindung und rasche Einführung der gezogenen Kanonen, welche jene der Panzerschiffe zu Folge hatte, die wieder die Torpedos zeugten. Das Bedürfniss, gelegentlich des amerikanischen Bürgerkrieges gleichsam aus Nichts

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