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Ueberschiffen in Bereitschaft halten und mit dem ersten Tagesgrauen überschiffen.

Ist auf diese Art das jenseitige Ufer gesichert, kann erst der Brückenschlag beginnen.

Die ausgezeichnetsten Schriftsteller im Pontonnier-Wesen wie Drieu Haillot und Meurdra halten den Anbruch des Tages für den günstigen Zeitpunct zu einem gewaltsamen Uebergange.

Ich muss aber beifügen, dass sich im Spätsommer und Herbste auf grossen Flüssen immer Morgen-Nebel bilden, die jedwede Arbeit noch viel mehr erschweren, als eine ganz finstere Nacht.

Bei kleineren Flüssen können Nachtübergänge je nach den FlussVerhältnissen unter den üblichen Vorsichten immerhin eintreten. Jedoch müssen stets alle jene technischen Erhebungen und Bestimmungen, welche für einen Fluss-Uebergang vor Ausführung desselben nöthig sind, in allen Details sorgfältig bei Tage gemacht und den ausführenden Organen an Ort und Stelle mitgetheilt werden, weil man sich sonst der Gefahr aussetzt, sein Material zu verlieren und dadurch die Armee in eine missliche Lage zu bringen.

Recapituliren wir, so kommt man zum Schlusse, dass bei der Wahl des Uebergangs-Punctes die tactischen und technischen Verhältnisse nicht einseitig, sondern in ihrem Zusammenhange richtig gewürdigt werden müssen, und zwar umso mehr, als ein anscheinend unbedeutender Umstand oft bedeutende Veränderungen verursachen kann.

Das Schiessen mit dem k. k. Infanterie- und JägerGewehre mit Werndl-Verschluss auf grossen

Distanzen,

Vortrag, gehalten im militär wissenschaftlichen Vereine zu Wien am 23. Februar 1877, von Oberlieutenant Grossmann des k. k. Artillerie-Stabes.

(Hiezu Tafel I.)

Das im Nachfolgenden über das Fernfeuer aus Gewehren Gesagte soll gleichsam als Erläuterung, respective Ergänzung eines in dieser Beziehung vor nicht langer Zeit in den „,Comité-Mittheilungen" unter dem Titel „Werth des Infanterie-Feuers auf grossen Distanzen“ erschienenen Aufsatzes, sowie der in jüngster Zeit an die Truppe verabfolgten „provisorischen Instruction über das Schiessen auf grossen Distanzen" dienen.

Bevor ich zum eigentlichen Thema meiner Vorlesung gelange, erlaube ich mir als Einleitung und zur Vervollständigung des Ganzen einige, wenn auch bekannte Thatsachen vorangehen zu lassen.

Den Anlass zur Anwendung des Fernfeuers aus Gewehren gab der deutsch-französische Krieg; die eminenten Leistungen des ChassepôtGewehres in diesem Kriege sind vielfach besprochen und gewürdigt worden. Die nicht geringen Verluste der Deutschen durch Gewehr-Feuer, speciell in den Gefechten bei St. Privat, Vionville u. a. O. selbst auf Entfernungen bis zu 2000 Schritt, riefen die Erkenntniss wach, dass die Erweiterung der Wirkungs-Sphäre des Infanterie-Feuers über die bisher üblich gewesenen Distanzen in manchen Fällen nicht allein zulässig, sondern auch geboten erscheint.

Es ist bekannt, dass die beachtenswerthen Erfolge mit dem ChassepôtGewehre nicht vielleicht in der verständnissvollen Ausnützung dieser Waffe, in einer perfecten Feuerleitung u. s. f. zu suchen waren, diesen Bedingungen wurde bei dem damaligen Zustande der französischen Armee möglichst wenig entsprochen.

Die Grundbedingungen für die besondere Leistungsfähigkeit des Chassepôt-Gewehres, namentlich auf den grossen Entfernungen, waren durch den kleinen Caliber (11mm), das lange Geschoss, respective die

günstige Querschnitts - Belastung desselben, dann die verhältnissmässig starke Pulver-Ladung von 55 gegeben.

Dem gegenüber musste das Zündnadel-Gewehr selbstverständlich den Kürzeren ziehen, und wenn nichtsdestoweniger das End-Resultat des Krieges zu Gunsten der Deutschen ausfiel, so war dies erwiesenermassen der geschickten Heeresleitung, der tüchtigen Disciplin der deutschen Armee, zum grossen Theil aber auch der nicht genügenden Kenntniss des französischen Soldaten im rationellen Gebrauche seiner Waffe, sowie auch der mangelhaften Feuerleitung seitens der Unterabtheilungs-Commandanten zuzuschreiben.

Die empfindlichen Verluste der Deutschen, selbst durch das ungeregelte Gewehrfeuer der Franzosen, führten zur Schlussfolgerung, dass unter Voraussetzung eines mit Verständniss durchgeführten Kleingewehrfeuers seitens der französischen Truppen, diese Verluste sich um ein Bedeutendes gesteigert haben würden, und dass unter dieser Voraussetzung so mancher Erfolg der deutschen Truppen in Frage gestellt worden wäre.

In richtiger Würdigung der Erfahrungen bezüglich des Fernfeuers, hat Deutschland gleich nach Beendigung des Krieges eine neue, unter dem Namen Mauser- oder das Deutsche Reichs-Gewehr M. 1871 bekannte Feuerwaffe mit der Portée bis 1600m (2100 Schritte) geschaffen, und hiemit bereits sämmtliche Infanterie- und Jäger-Truppen ausgerüstet.

Aber auch Frankreich beeilte sich, den Zündnadel-Verschluss seines Chassepôt-Gewehres durch einen Verschluss, basirt auf die Anwendung der Metall-Patrone umzutauschen, und aptirte demgemäss den KolbenVerschluss nach dem Systeme Gras. Es wurden die bestehenden Chassepôt-Gewehre nach diesem Systeme umgestaltet, und überdies ein neues Gewehr geschaffen, welches die Bezeichnung „M. 1874" führt; bei beiden Gewehr-Gattungen reicht der Aufsatz bis 1800m (2400 Schritte).

Die Bestrebungen Deutschlands und Frankreichs, die Leistungsfähigkeit der Hand-Feuerwaffen auf Grund der im Feldzuge 1870-71 gesammelten Erfahrungen zu Gunsten der Fernwirkung zu erhöhen, wurden bekanntlich auch in Oesterreich einer entsprechenden Würdigung unterzogen. Obwohl in Oesterreich, woselbst schon im Jahre 1867 der kleine Caliber und die Metallhülse mit Central - Zündung eingeführt war, die Nothwendigkeit zu Neuerungen im geringeren Maasse vorlag, als in Deutschland und Frankreich, welch' beide Staaten sich vom Zündnadel-Systeme emancipiren mussten, SO war es dennoch geboten, Versuche zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Hand-Feuerwaffen mit Werndl-Verschluss durch Vermehrung des Geschoss- und Pulver

Organ der milit.-wissenschaftl. Vereine. XV. Bd. 1877.

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Gewichtes anzubahnen. Diese Versuche, welche nunmehr als abgeschlossen zu betrachten sind, umfassten das Schiessen einer vergrösserten Patrone mit 5 Pulver-Ladung und 24 GeschossGewicht, comparativ mit der normalen Patrone aus normalen Werndl-Gewehren bis auf Distanzen über 2000 Schritte.

Nachdem die heutige Vorlesung nur eine übersichtliche Darstellung der Leistungen des Werndl-Gewehres mit der bestehenden Patrone. namentlich auf den mittleren Distanzen von 600 bis 1000 Schritten und auf den grossen Distanzen von 1000 bis incl. 1400 Schritten enthalten soll, so übergehe ich sogleich zu diesem Thema und erlaube mir nur noch beizufügen, dass die nachfolgenden Daten über die StreuungsGrössen, bestrichenen Räume etc. nicht allein aus den Versuchen des technischen und administrativen Militär- Comité's, sondern auch zum grossen Theile aus den diesbezüglichen Experimenten der Armee-Schützenschule stammen.

Ich wiederhole nochmals, dass die nachfolgenden Daten die Leistungen des Gewehres als solches, d. h. wenn dasselbe von einem guten Schützen bei bekannter Distanz gebraucht wird, reprāsentiren.

Um beurtheilen zu können, welcher Erfolg beim Beschiessen von Zielen von verschiedener Grösse und Ausdehnung angehofft werden kann, ist zunächst die Höhen-, Breiten- und Tiefen - Streuung des Gewehres zu wissen nothwendig. In dieser Beziehung kann auf Grund einer grossen Zahl Schiess-Daten die Höhen-Streuung auf der Distanz von: 200 Schritten mit 0.4TM 1200 Schritten mit 6.5m

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angenommen werden; d. h. ein Ziel von entsprechender Breite muss diese Höhe besitzen, wenn auf der zugehörigen Distanz erwartet werden soll, dass sämmtliche Schüsse Treffer sind.

Die Breiten-Streuungen ergeben sich auf:

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Analog wie früher gilt auch hinsichtlich der Breiten-Streu

ungen die Annahme, dass ein Ziel von entsprechender Höhe die voran

geführten Breiten-Dimensionen auf den verschiedenen Distanzen besitzen muss, wenn angehofft werden soll, dass sämmtliche Schüsse Treffer sind.

Werden nun die Höhen- und Breiten-Streuungen auf den entsprechenden Distanzen zu einer Fläche combinirt, so ergeben sich jene verticalen Streuflächen, in welche sämmtliche Schüsse fallen. So müsste z. B. auf 1400 Schritte das Ziel 10m hoch und 8m breit sein, wenn ein Maximum von Treffern erwartet werden soll.

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Die in der Praxis vorkommenden Ziele besitzen entweder die Höhe eines Reiters, oder die ganze, /, / oder / Manneshöhe. Ziehe ich die ganze Manneshöhe von 1.8m in Betracht, so zeigt die Scala der Höhen-Streuungen, dass innerhalb 600 Schritten ein Ziel a b, Fig. 1, von der besagten Höhe stets getroffen wird, von 600 Schritten aufwärts jedoch ein Theil der abgegebenen Schüsse über das Ziel a b gehen, ein anderer Theil aber vor dasselbe Ziel auftreffen wird.

Sollen nun auf Distanzen über 600 Schritte sämmtliche Schüsse Treffer sein, so müsste vor dem Ziele in c und hinter demselben in d ein gleiches Ziel sich befinden, d. h. das zu beschiessende Ziel müsste nebst Höhen- und Breiten-Ausdehnung auch noch eine Ausdehnung ed nach der Tiefe besitzen, wenn sämmtliche Geschosse der Streugarbe op treffen sollen.

Die Entfernung des Auftreffpunctes e der tiefsten Flugbahn vom Auftreffpuncte der höchsten Flugbahn der Streugarbe heisst die Tiefen- oder Längen-Streuung (cq).

Die Längen-Streuungen betragen auf:
800 Schritte circa 48 Schritte

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Werden nun diese Längen - Streuungen mit den Breiten-Streuungen zu einer Fläche combinirt, so ergeben sich jene horizontalen Streuflächen (bedeckte Flächen), in welche sämmtliche Schüsse fallen.

Es handelt sich nun darum, zu untersuchen, wie weit bei einem tiefen, aus mehreren hintereinander stehenden Abtheilungen gebildeten Ziele, diese Abtheilungen von einander abstehen sollen, damit jeder Schuss trifft und keiner in die Zwischenräume einschlägt.

Das Maass dieser Entfernung entspricht offenbar dem bestrichenen. Raume ac, Fig. 2, welcher für 1.8m hohe Ziele auf:

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