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Auch dieses neue Gesetz bedeutet nicht nur die Verbesserung eines wichtigen Dienstzweiges und die volle Würdigung der durch die allgemeine Wehrpflicht entstandenen Mehranforderungen; sondern es entlastet die HeeresVerwaltung in sehr bedeutender Weise und vereinfacht ungemein die gesammte Krankenpflege in der Armee. Freilich sind es keine kleinen Opfer, die hiedurch seitens der Gemeinden dem Heere gebracht werden.

So hat Frankreich mit diesen beiden, unseren Lesern hier vorgeführten neuen Normen abermals einen hochwichtigen Schritt gethan, um die durch die allgemeine Wehrpflicht angebahnte grössere Verschmelzung der Heeres- und Volks-Interessen auf praktischem Gebiete immer weiter auszubilden.

Die anderen, am Eingange unseres Aufsatzes als noch ausständig bezeichneten neuen Militär-Gesetze, welche nur mehr der Schlussberathung der Deputirten Kammer harren, um gleichfalls perfect zu werden, dürften vollends den Beweis erbringen, dass mit Opfermuth, Energie und patriotischem Sinne das Unglaublichste zu erzielen möglich ist, und dass Frankreichs mächtiges Heerwesen den Vergleich mit den modernen Wehrkräften der anderen europäischen Staaten nicht länger zu scheuen braucht.

Hauptmann C. Wibiral.

Das russische Bekleidungs- und Ausrüstungswesen.

Die Bekleidung der russischen Armee beruht, wie es auch früherer Zeit in Oesterreich der Fall gewesen, auf dem sogenannten Kategorie-Systeme.

Die Tragzeit ist bei einigen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken festgesetzt, bei anderen aber durch ihren Zustand bedingt und trennt sich hiernach in vier verschiedene Classen.

Zur ersten Classe gehören die Leibes- Montur und die zu ihrer Herstellung und Erhaltung systemisirten Pauschal-Gelder. Diese Sorten, für welche nur eine einjährige Tragzeit besteht, treten gleich in das unbeschränkte Eigenthum des Mannes 1).

Zur zweiten Classe gehört die grosse Montur, für welche nach der hinterlegten Tragzeit das erforderliche Material in Natura und das bemessene Pauschale für Mittelding aus den Intendanz-(Monturs-)Depots an die Truppen zur Erzeugung neuer Kleidungsstücke durch eigene Professionisten verabfolgt werden).

Die dritte Classe umfasst sämmtliche Ausrüstungs- Gegenstände, welche nach Ablauf der festgesetzten Tragzeit und erst bei Constatirung ihrer Unbrauchbarkeit durch die Divisions-Chefs und ihnen gleichgestellte TruppenCommandanten durch neue Stücke ersetzt werden 3).

Alle diese Gegenstände fassen die Truppen meistens im fertigen Zustande. Die Tragzeit der Ausrüstungs-Sorten ist ziemlich lang und beträgt z. B. für die Patrontaschen und das Tornister-Riemzeug 12 Jahre, für Pickelhauben, Tornister und Rosshaar-Busch bei den Armee-Truppen 10 Jahre, für den Leibriemen 8 Jahre.

1) Sie umfassen in Natura: 2 Hemden, 2 Gattien, 1 Paar Sommer-Pantalon, 1 Paar lange Röhrenstiefel, 2 Paar Vorschuhe sammt Sohlen, 1 tuchene Halsbinde, 1 Leinwand-Turnhemd (Blouse); dann im Gelde: Für den Ankauf eines dritten Hemdes 0-40 fl. (0-25 Rubel), an Stiefelmacher- und Schwärzerlohn 0.88 fl. (0·55 Rubel), zur Instandhaltung und Reinigung des Riemzeuges bei der Armee-Infanterie 0.88 fl. (055 Rubel), bei der Garde und allen anderen Waffengattungen 0:48 fl. (0·30 Rubel), an Macherlohn für die Halsbinde und für die Sommer-Pantalon 0:08 fl. (0:05 Rubel). Es entfallen daher an Pauschal-Geldern für einen Mann: Bei der ArmeeInfanterie 2.21 fl. (1:40 Rubel), bei der Garde-Infanterie und bei den anderen Waffengattungen 1.84 fl. (1-15 Rubel).

2) Hieher gehören: 1 Waffenrock auf 2 Jahre, 1 Winter-Pantalon bei der Garde auf 1, bei den Armee-Truppen auf 2 Jahre, 1 Cavalerie-Reithose auf 1 Jahr, 1 Mantel bei der Garde auf 2, bei den Armee-Truppen auf 3 Jahre, 1 Tellerkappe auf 2 Jahre und 1 Baschlik (wo derselbe vorgeschrieben) auf 6 Jahre.

3) Hieher gehören die Adjustirungs-Stücke für die Kopfbedeckungen, sämmtliche Ausrüstungs- und Ledersorten: wie die Pickelhauben (wo solche, wie bei der Garde, und bei der Gendarmerie vorgeschrieben sind), die Patrontaschen sammt Leib- oder Achselriemen und der grösste Theil des Sattelzeuges u. s. w.

Zu dieser Classe gehören auch die Zelte, dann die warmen WinterKleidungstücke (Halb-Pelze etc.), die nicht zu der normalen Gebühr des Mannes gehören.

Bei allen drei Classen beginnt die Tragzeit stets mit 1. Jänner; bei Sorten, welche in der zweiten Jahreshälfte empfangen wurden, vom 1. Jänner folgenden Jahres.

Die der vierten Classe oder keiner Tragdauer un terliegenden Gegenstände sind: die Sättel, mehrere Metallstücke, die Train-Fuhrwerke, das Zugspferde-Geschirr, die Musik-Instrumente, das Schanzzeug und die Geräthschaften der Feldkirche (Capelle). Sie werden nur einmal an die TruppenAtheilungen bei Neuformirungen oder Einführung neuer Muster verabfolgt und die Instandhaltung durch Pauschal-Gelder bestritten.

Die Beschaffung der Bekleidung und Ausrüstung liegt der Intendanz ob. Die Intendanz-Verwaltungen der Militär-Bezirke sind verpflichtet, die in ihrem Gebiete bestehenden Fabriken, die sich mit der Erzeugung von Bekleidungs-Gegenständen für die Armee befassen, in Evidenz zu führen,

und zwar:

Deren Erzeugungs-Fähigkeit;

die Concentrirungs-Puncte der für die Armee-Bedürfnisse geeigneten Erzeugnisse und namentlich für den Handel mit Leinwand, Juchten und Sohlenleder;

die Jahreszeit der Märkte, die Waarenpreise;

endlich die Transports-Wege und Transports-Kosten.

Auf Grundlage dieser Daten verfassen die Militär-Bezirks-Intendanten alle Jahre Entwürfe über die Beschaffung der Armee-Bedürfnisse und legen sie unter Anschluss der Lieferungs-Bedingungen den Militär-Bezirksräthen zur Begutachtung vor. Die von den Bezirksräthen gefassten Beschlüsse leiten die commandirenden Generale an das Kriegs-Ministerium.

Dort wird der General-Entwurf verfasst, in welchem ausgewiesen wird: 1. Die Quantität der erforderlichen Gegenstände nach den verschiedenen Gattungen;

2. die Art der Beschaffung;

3. die Puncte und die Zeit der Beschaffung und

4. die Preise derselben.

Dieser Entwurf wird vom Kriegsrathe geprüft, genehmigt, den MilitärBezirks-Intendanten zur Ausführung rückgestellt, während bei Lieferungen im Offert-Wege die Quantität, Qualität und die Lieferungs-Modalitäten in Zeitungen veröffentlicht werden.

Die Beschaffung der Heeresbedürfnisse wird im gewöhnlichen Lieferungswege mit beschränkter Concurrenz oder durch Contracte bewirkt; die Beschaffung minder wichtiger Ausrüstungs-Gegenstände besorgen die Truppen aus dem Pauschale.

Die Monturs-Depots sind etablirt in: Petersburg (auch für den finnländischen Militär- Bezirk bestimmt), Dünaburg, Brześć - Litewski, Kiew, Kremenčug, Moskau, Voronež, Tambov, Kazan, Simbirsk, Tiflis, Stavropol, Petrovsk (am Kaspi-See), Orenburg, Taškent, Omsk und Irkutsk.

Jedes Monturs-Depot, unter der Leitung eines Ober-Inspectors, besteht aus mehreren Magazinen unter eigenen Inspectoren, welchen für die Manipulation

einige Magazins-Aufseher (schreibkundige Unterofficiere) beigegeben sind. Das Magazins-Personal überwacht und übernimmt das eingelieferte Material unter der unmittelbaren Betheiligung der Inspectoren.

Bei den Uebernahms-Commissionen fungiren: Ein auf Vorschlag des General-Intendanten vom Kriegs-Ministerium ernannter höherer Beamter oder Officier als Präses, vier temporäre Mitglieder und ein Geschäftsführer mit technischen Fachkenntnissen, welche sämmtlich alle zwei Jahre wechseln. Von diesen sind zwei vom commandirenden General ernannte Truppen-Officiere, dann ein Beamter der Militär-Bezirks-Intendanz, welcher sowie der technische Geschäftsführer auf Vorschlag des betreffenden Militär-Bezirks-Intendanten vom General-Intendanten ernannt werden.

Die Ober-Inspectoren der Monturs-Depots fungiren stets als permanente Commissions-Mitglieder.

Für die Qualität der eingelieferten Gegenstände haften die UebernahmsCommissionen, für die Quantität und deren weitere gute Instandhaltung aber das betreffende Magazins-Personal.

Die Fassungen werden nicht von den Truppen bewirkt, sondern die jährlich präliminirten Sorten unter Begleitung von Beamten zugesendet. Dagegen können die Truppen gegen die Gebrechen innerhalb zwei Wochen Einsprache erheben und den Ersatz beanspruchen, den die Intendanz unbedingt leisten muss. Die beanständeten Artikel werden später einer speciellen commissionellen Untersuchung unterzogen und je nach dem Befunde entweder, bei gleichzeitiger Verpflichtung der Uebernahms - Commissions - Mitglieder zum Schadenersatze, öffentlich veräussert, oder von dem Truppenkörper auf Rechnung der nächsten Gebühr in Empfang genommen.

Die Erzeugung der Bekleidungsstücke besorgen die Regiments(selbständige Bataillons-, Batterie-) und Intendanz-Werkstätten.

Die verschiedenen Regiments-Werkstätten (Schneider, Schuster, Wagner etc.), für welche in der Nicht Combattanten-Compagnie oder -Abtheilung alle entsprechenden Professionisten vertreten sind, stehen unter der Leitung des Commandanten der letzteren. Die Schneiderarbeit besorgen die Soldaten des Feuergewehrstandes ohne eine Vergütung des Aerars. Auffallend ist es, dass jeder Mann seine Stiefel entweder sich selbst näht, oder diese Arbeit gegen Empfang des bemessenen Macherlohnes nach seinem Belieben anderswo besorgen lässt.

Die von der Intendanz abhängigen sechs Bekleidungs-Werkstätten sind in St. Petersburg, Dünaburg, Brześć-Litewski, Kiew, Moskau und Tiflis.

Sie stehen unter Stabs-Officieren und unter Leitung des betreffenden Militär-Bezirks-Intendanten.

Diese Werkstätten, deren Nähmaschinen in Petersburg probeweise mit Dampf betrieben werden, befassen sich mit der Erzeugung der Bekleidung und Ausrüstung für die Recruten, gegenwärtig mit jener der AugmentationsVorräthe für die im Kriege zu errichtenden Heereskörper, für welche keine Cadres bestehen.

In den Intendanz-Werkstätten arbeiten theils Civil-Professionisten, theils commandirte Soldaten.

Jede Werkstätte soll jährlich die Bekleidung und Ausrüstung für 15.000 Mann im ganz fertigen, und für mindestens 25.000 Mann im halbfertigen Zustande erzeugen, was von allen eine vollständige Lieferung für 240.000 Mann gäbe.

Die zur Verfügung stehenden officiellen Daten weisen aber nach, dass dieses Quantum von den Werkstätten bisher nicht geleistet wurde 1). Die Augmentations-Vorräthe theilen sich bei der russischen Armee:

1. In die unantastbaren Vorräthe, welche bei Versetzung der Armee vom Friedens- auf den Kriegsstand ausgegeben werden;

2. in die ausserordentlichen Vorräthe für nicht vorgesehene Neuerrichtungen, und

3. in den fünfpercentigen Vorrath an einigen Bekleidungsstücken zur theilweisen Bekleidung der einberufenen Recruten.

Die unantastbaren Augmentations - Vorräthe beziehen sich auf die Differenz des Friedens- auf den Kriegsstand, und bezifferten sich vor der neuen in Durchführung begriffenen Reorganisation des Heeres auf die complete Bekleidung und Ausrüstung von circa 465.000 Mann und 4800 Pferde. Hievon waren vorhanden in den Jahren:

1874 für 443.000 Mann und 4000 Pferde,
1875

394.000

4000

Wie man sieht, wurden die Augmentations-Vorräthe für 49.000 Mann in einem Jahre angegriffen, ohne dass auf ihre ungesäumte Deckung Rücksicht genommen wurde.

Von den genannten Vorräthen waren im Jahre 1875 für 131.900 Mann an Bekleidung, für 3200 Mann an Ausrüstung in den Intendanz-Depots hinterlegt, während der Rest sich in der Verwahrung der betreffenden Truppenkörper befand.

Obwohl die erwähnten Augmentations-Vorräthe für die in der Durchführung begriffene Vermehrung des Heeres noch nicht ziffermässig festgestellt wurden, so dürften dieselben in der Folge dennoch folgende Höhe erreichen, und zwar im europäischen Russland:

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1) So erzeugten die gedachten sechs Werkstätten die complete Bekleidung

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