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In einem anderen Falle hatte eine Abtheilung einen sehr wichtigen. Gebirgsübergang an der Landesgrenze zum Schutze des etwaigen Rückzuges einer Colonne besetzt, welche durch eine besondere Unternehmung in Feindesland geführt wurde. Diese Abtheilung unterhielt auf einem vortheilhaften Puncte einen vorgeschobenen Posten, welcher jede feindliche Annäherung rasch wahrnehmen konnte.

Mit grauendem Morgen

die Schatten der Nacht wichen eben - näherte sich die in Rede stehende, nun zurückkehrende Colonne dem Passe; der Beobachtungs-Posten aber in seiner Schlaftrunkenheit meldete. seiner Abtheilung das Anrücken einer sehr starken feindlichen Colonne, und die erwähnte Abtheilung, im Wahne, Widerstand gegen Uebermacht sei hier vergeblich, räumte sofort den ihrem Schutze anvertrauten Pass nicht vor dem Feinde, sondern vor dem Freunde.

Verschiedene ganz überflüssige Verschiebungen von Streitkräften - wenn auch zum Glücke kein sonstiges Unheil, waren die Folge des sehr mangelhaften Sicherheitsdienstes.

Ein anderer Fall.

Das k. k. 8. Armee - Corps zog sich nach der Schlacht bei Solferino von S. Martino Nachts über Peschiera nach Salionze zurück. In den Bereich der Werke von Peschiera gelangt, empfing eine Colonne dieses Corps Gewehrfeuer von dem Vorposten dieser Werke, also nicht vom Feinde. Es verging eine geraume Zeit, ehe trotz aller möglichen. Signale die erwähnten Vorposten ihr ganz ungerechtfertigtes Feuer einstellten.

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Aus diesen Fällen ersehen wir, wie Auge und Ohr der Sicherheits-, truppen zur Nachtzeit den unheilvollsten Täuschungen zum Opfer fallen können, wenn die Sinne nicht geschärft, an die Nacht nicht gewöhnt sind.

Kommen nun derlei Missgriffe vor dem Feinde vor, wo Jeder sein Bestes einsetzen muss, um seine Pflicht zu erfüllen, um wie viel erklärlicher doch durchaus nicht verzeihlicher ist es dann, wenn z. B. bei einem Marsch-Manöver, als beide Parteien am Abende des ersten Tebungstages Vorposten, theilweise durch einen kleinen Fluss getrennt, gegen einander aufstellten, eine Partei ihre Vorposten in Folge besonderer Verhältnisse alsbald einzog, die andere aber diesen, ihr für die Fortsetzung des Manövers sehr wichtigen Umstand gar nicht in Erfahrung brachte.

Es war ja Nacht!

Vorposten, welche ihren hochwichtigen Dienst vor dem Feinde nicht ernster auffassen, welche über Nacht die bereits gewonnene Fühlung mit dem Feinde verlieren, erfüllen eben ihren Zweck kaum zur Hälfte,

re Schuld ist es, wenn den ferneren Dispositionen des Führers die ehtige Grundlage fehlt.

Dies gilt insbesondere von jenen Lagen, in welchen man nach einem bei hereingebrochener Nacht beendigten oder abgebrochenen Kampfe dem Gegner nahe gegenüber am Gefechtsfelde lagert.

Je schwieriger die Verhältnisse eben sind, desto intensiver müssen die Kräfte angespannt werden.

Selbst dem kriegsgewohnten Heere Napoleon's I. konnte es nach der Schlacht von Wagram geschehen, dass über Nacht die Fühlung mit der Armee des Erzherzog Carl, welche sich gegen Znaym zurückzog, verloren ging, daher Napoleon in der Annahme, sie sei auf Brünn zurückgegangen, seine Armee irrthümlich in letzterer Richtung vorwärts dirigirte.

Glücklicher waren hingegen die Franzosen bei Jena 1806, wo sich die preussischen Vortruppen am 13. October zeitlich Morgens zurückzogen, in der dunklen Nacht aber die Besetzung des weithin dominirenden Landgrafen-Berges nicht zu Stande gebracht hatten. Lannes erkannte die Wichtigkeit dieses Punctes, besetzte ihn sofort und gewann hiedurch festen Fuss und günstige Verhältnisse für die Schlacht, in welcher Napoleon so glänzend siegte.

Schon auf Grund dieser flüchtigen Betrachtungen wird der Wunsch berechtigt sein: wir mögen durch rationelle Uebung des Sicherheitsdienstes bei Nacht, durch Erlernung thunlichster Orientirung im Terrain, auch wenn die Sonne uns nicht freundlich leuchtet, durch Schärfung von Aug' und Ohr unserer Leute, durch Gewöhnung derselben an all' die eigenthümlichen, störenden Einflüsse, welchen wir zur Nachtzeit namentlich in fremder Gegend nur zu sehr ausgesetzt sind, uns die Fähigkeit sichern, für den Krieg eine Bedingung mehr zu erfüllen, von welcher nicht zum geringsten Theile der Erfolg abhängt.

Das Nachtgefecht.

Mit dem Nachtgefechte betreten wir ein specielles Gebiet der Tactik, welches von der neueren Militär-Literatur ziemlich vernachlässigt zu sein scheint.

Thatsächlich weisen die neueren Kriege im Allgemeinen weniger Nachtgefechte auf als die älteren; die Stosstactik wurde von der Feuertactik verdrängt, das so sehr verbesserte Gewehr thut Nachts seine Schuldigkeit, wie leicht erklärlich, nicht so vollkommen wie am Tage die Nacht gehört, soll sie überhaupt dem Gefechte dienen, vorwiegend dem Nahkampfe mit blanker Waffe und dieser wurde wie viele

Bestrebungen, ihn als letzt entscheidendes Mittel wieder in richtigem Maasse zu Ehren zu bringen, darthun etwas über Gebühr in den

Hintergrund gedrängt.

Welche Einflüsse nimmt aber die Nacht auf den Kampf überhaupt?

Sehr häufig lesen wir bei Gefechtsschilderungen den etwas stereotyp gewordenen Satz: Die Nacht machte dem Kampfe ein Ende. Dieses Motiv wird meist ohne jedes Bedenken hingenommen, man fühlt das

Schwierige der Fortsetzung des Kampfes zur Nachtzeit und überlässt die ich möchte sagen einem Trägheits-Momente nachgebend kämpfenden Theile der wohlverdienten Ruhe. Ich denke jedoch, es sollten da ernstere Erwägungen angestellt werden.

In jedem Falle, wo ein Gefecht mit hereinbrechender Nacht endete, bleibt die interessante Frage offen: wie hätten sich die Verhältnisse gestaltet, wenn ein oder der andere Theil ohne Rücksicht auf die Nacht das Gefecht fortgesetzt hätte? Die physische und moralische Fähigkeit hiezu bei einem der Gegner voraussetzend, lässt sich sagen, dass dieser nächtliche Kampf — wie zahlreiche Beispiele der Kriegsgeschichte darthun - für den initiativen Theil voraussichtlich viele Chancen des Erfolges geboten haben würde, Chancen, die ihm bei Erneuerung des Kampfes am nächsten Morgen durch Gegenmassregeln des Feindes vielleicht längst wieder benommen waren.

Wir lesen so häufig: Die Verfolgung fand in der angebrochenen Nacht ihre Grenzen. Ein näheres Eingehen auf die thatsächlichen Verhältnisse würde uns diesen Ausspruch gar oft als einen Gemeinplatz erscheinen lassen, als ein häufig ungeprüftes Axiom, welches den Mangel an Nachhaltigkeit, an Willen, beim Sieger seinen Erfolg zum möglich grössten zu gestalten, motiviren soll. Umgekehrt hat die landläufige Ansicht, der Gegner werde bei Nacht nichts unternehmen, den Verlust einer Schlacht, ja eines Feldzuges schon zur Folge gehabt.

Diese Verhältnisse lassen es gerechtfertigt erscheinen, dem Nachtgefechte Beachtung zu widmen. Clausewitz nennt dasselbe einen „gesteigerten Ueberfall" und gibt so eine treffende Charakteristik des Nachtgefechtes.

Halten wir uns alle Lehren der Tactik, welche sich auf das Ueberraschungsgefecht also Ueberfall und Hinterhalt beziehen, gegenwärtig, bringen wir sie in Verbindung mit allen Momenten, welche die Nacht unseren Unternehmungen theils förderlich, theils hemmend sein lässt, so gewinnen wir die Anhaltspuncte für die Durchführung des Nachtgefechtes, welches heut zu Tage wie es in der Natur der Sache liegt so ziemlich denselben Regeln folgt, wie ehedem. Vor Allem aber ist zu untersuchen, welche Zwecke mit Nachtgefechten nächt

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Organ der milit.-wissenschaftl. Vereine. XV. Bd. 1877.

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lichen Unternehmungen überhaupt erreicht werden wollen, ob die Erreichung solcher Zwecke auch heut zu Tage vollends berechtigt ist. Durch nächtliche Unternehmungen und Kämpfe will man im Allgemeinen die Geheimhaltung und hiedurch die Ueberraschung sich zu Nutze machen, wenn auf solche Art ein Ausgleich des Kräfteverhältnisses zu eigenen Gunsten sei es hinsichtlich der Zahl der Streiter, sei es in Bezug auf die Bewaffnung herbeigeführt werden soll. Ein Ueberschuss eigener moralischer Kräfte kann sich im Nachtgefechte sehr vortheilhaft verwerthen lassen, um den zaghafteren Gegner in panischen Schrecken zu versetzen, da die Phantasie alle Gefahren Nachts weit vergrössert erscheinen lässt. Wir können endlich unter dem Schutze der Nacht Unternehmungen durchführen, welche bei Tage. wenn man der Ausforschung seitens des Gegners mehr ausgesetzt ist einfach sich als unmöglich darstellen.

Ich erinnere diesfalls nur an die Ereignisse um Fort Bard im Feldzuge 1800.

Wäre es den Franzosen nicht gelungen, durch eine ganze Reihe sehr kühner, mit Aufbietung aller Thatkraft durchgeführter nächtlicher Unternehmungen das von der schwachen österreichischen Besatzung so herzhaft vertheidigte Fort in seiner Wirkung zu paralysiren und endlich auch die Artillerie der Reserve-Armee Bonaparte's vorwärts zu bringen, so wäre eben diese Armee in ihrem Debouchiren nach Piemont derart aufgehalten gewesen, dass bei gehöriger Ausnützung der Situation seitens. des österreichischen Feldherrn, der Krieg des genannten Jahres einen völlig veränderten Ausgang hätte nehmen können.

Die nächtlichen Unternehmungen um Fort Bard 1800 werden auch jetzt noch als Beispiel zur Nachahmung dort dienen können, wo man gezwungen ist, sich in langen Gebirgs-Defiléen, versehen mit als Sperren benützten Befestigungen, gegen den Feind zu bewegen.

Der bekannte Ueberfall der Kaiserlichen auf Cremona in der Nacht vom 31. Jänner zum 1. Februar 1702, eben so kühn eingeleitet als durchgeführt, ziert ein glänzendes Blatt unserer Kriegsgeschichte.

Prinz Eugen verfolgte mit dieser Unternehmung einen hochwichtigen Zweck. Seine schwachen Streitkräfte und unzureichenden Kriegsmittel liessen die Belagerung Cremona's im Winter nicht zu. So wurde denn die Wegnahme der Festung welche für die Franzosen ein empfindlicher Verlust sein und ihre strategische Lage sehr nachtheilig beeinflussen. musste mittelst des nächtlichen Ueberfalles versucht.

Gelang der Coup auch nicht vollständig weil die Colonne des Prinzen Vaudémont, in ihrem Nachtmarsche aufgehalten, sich verspätete

und das Po-Thor nicht mehr gewinnen konnte - so war Eugen's Erfolg doch ein bedeutender. Bekanntlich wurde der französische Marschall Villeroy gefangen und gaben die Franzosen die Oglio-Linie auf. — Nur mit Zuhilfenahme der Nacht konnte dies Alles erreicht werden. Anderseits verstand es die französische Garnison Cremona's, trotz der Dunkelheit, sich rasch auf ihren Alarmplätzen zu sammeln und so der feindlichen Ueberraschung entgegen zu wirken.

Als Nachtgefecht grössten Styles wurde die Schlacht bei Hochkirch, 14. October 1758, durch die Kaiserlichen eingeleitet.

Sind die Verhältnisse dieses Schlachtages auch eigenartige denn wir können uns heut zu Tage nicht gut zwei Armeen denken, die sich mehrere Tage hindurch so nahe gegenüber lagern --so zeigen sie doch richtiges Befolgen wichtiger Regeln für das Nachtgefecht: geheime in höchster Ordnung ausgeführte Annäherung der Angriffs-Colonnen, rücksichtsloses Vorwärtsgehen ja sogar zweckmässige Verwendung der Artillerie, also jener Waffe, welche man nicht gerne in ein Nachtgefecht verwickelt.

Bemerkenswerth ist der Umstand, dass die Preussen, entgegen den Befehlen ihres Königs, den Stromberg (sowie den Hochkirchner Berg) Nachts unbesetzt liessen und so den Kaiserlichen, welche sich dieses Punctes eben Nachts bemächtigten, bedeutende tactische Vortheile einräumten. Bietet die ältere Kriegsgeschichte wie eben drei Beispiele gezeigt haben insbesondere interessante Daten, so zeigt doch auch die Geschichte der neueren und letzten Kriege, dass das Nachtgefecht, wenn auch seltener geworden, so doch nicht an Bedeutung verloren hat. Die Umstände allein entscheiden für seine Zweckmässigkeit oder Nothwendigkeit; sind letztere erkannt, dann muss man auch den Muth und den Willen haben, das Nachtgefecht zu führen.

Abgesehen von seiner Form als gesteigerter Ueberfall" kommt es häufig als zweckbewusste Fortsetzung des Angriffes oder der Vertheidigung vor, also in jener Form, auf welche bei vorliegender Besprechung schon besonders hingewiesen wurde.

Volta 1848, in welchem Gefechte sich Generalstabs-Hauptmann John so sehr verdient gemacht hat, mag für den Angriff, Melegnano 1866, wo die österreichische Brigade Boér bei hereinbrechender Nacht das Gefecht nach. dem Rückzuge der Brigade Roden in einer Aufnahmsstellung fortsetzte und bis 10 Uhr Nachts führte, mag für die Vertheidigung als Beleg dienen.

Im Jahre 1866 war die energisch geleitete Vertheidigung Südtirols durch Uebergewicht der italienischen Streitkräfte am 23. Juli an einem verhängnissvollen Wendepuncte angelangt. Die schwache Halbbrigade, welche die in der Val Sugana vordringende reguläre italienische

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