Page images
PDF
EPUB

BOTANISCHE ZEITUNG.

Redaction: A. de Bary.

G. Kraus.

Inhalt. Orig. M. W. Beyerinck, Ueber Pflanzengallen (Schluss). Gesellschaften: Sitzungsberichte der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Hamburg im September 1876 (Forts.). Personalnachricht. Neue Litteratur. Anzeige.

[blocks in formation]

Ordnung 1. Larvengallen. Die Larven sondern während kurzer Zeit in ihrer Jugend die befruchtende Flüssigkeit ab. (Den Entomologen nach wird das Ei immer an der Aussenseite der Pflanzentheile abgelegt, obschon man in botanischen Werken gewöhnlich das Gegentheil behauptet findet; d. h., es soll das weibliche Insect mit dem Legestachel das Ei in die angebohrte Stelle hineinbringen. Für die Käfer bin ich noch nicht zur Gewissheit gelangt. Von Cecidomyia saliciperda Duf. sagt Taschenberg (Forstwirthschaftliche Insectenkunde. Leipzig 1874 p. 422): »Das Weibchen legt seine Eier kettenweise an die Rinde; die ausgeschlüpfte Larve bohrt sich in wagerechter Richtung durch die Rinde in den Holzkörper«.)

Familie 1. Mantelgallen. Der Bewohner verharrt lebenslang an der Aussenseite der Epidermis. Die Gallenflüssigkeit muss diese also durchdringen, um die eigentlichen gallenbildenden Gewebe zu erreichen: Innere Blattgallen, deren Oeffnung gewöhnlich nach unten gekehrt ist. Bisweilen ist auch das Gewebe des Randes dieser Oeffnung erhaben, dadurch entstehen zweiseitig hervortretende Gallen (z. B. die Gallen von Cecidomyia corni und C. ulmariae).

Gruppe 1. Einfache Gallen. Es hat die Galle den morphologischen Werth einer Blattemergenz.

Reihe 1. Blattmissbildungen verschiedener Art. Es verlässt die Blattlamina die ebene Fläche ganz oder zum Theil.

Ich verzeichnete 22 Cecidomyien, die solche Verkrüppelungen hervorrufen, vor Allem an Bäumen.

Reihe 2. Kegel- oder kugelartige Blattgallen, deren Höhle durch eine ganz enge oder sehr weite Oeffnung mit der freien Luft in Verbindung steht, diese zwei Fälle durch viele Uebergänge verbunden. Gewöhnlich steht die Galle nahe den grossen Nerven. Oft hoch differentiirte Gallen. Ich verzeichnete deren 20.

Als Beispiel nenne ich die allgemein bekannten von Cecidomyia annulipes Hrt. und C. fagi Hrt. auf der Buche. C. tremulae Winn. auf Populus tremula, C. urticae Perz. auf Urtica dioica; diese ist unterständig.-U.s.f.

Gruppe 2. Zusammengesetzte Gallen. Der morphologische Werth ist verschieden, und zwar derjenige von einem oder mehreren Blattsegmenten, einem oder mehreren Blättern, endlich von einem beblätterten Stengel. - Hierher gehören die am höchsten differentiirten Gallen der C. millefolii L. und C. hyperici Bremi; im Ganzen ungefähr 35.

Reihe 1. Nur Blätter zur Gallenbildung verwendet. a. An vegetativen Blättern, B. an Blüthen.

Beispiele von a und ß. Die hülsenartigen Knospengallen der Cecidomyia genistae L. an Genista germanica. Die haselnussgrossen Blüthenknospen einiger Verbascum- und Scrophularia-Arten mit Cecidomyia verbasci Macq. Mir sind ± 15 dieser Gallen bekannt.

Reihe 2. Blätter und Stämme treten in die | plantago kenne ich 11 hierhergehörige BilGallenbildung hinein. Blattrosetten und Knos-dungen an Gräser, darunter einige ganz interpengallen. Von Monocotylen scheint nur Asparagus zu einer derartigen Missbildung Veranlassung zu geben.

[ocr errors]

ver

Beispiel. Cecidomyia rosaria L. an schiedenen Weiden, veranlasst die zierlichen Weidenröschen. ursacht. C. juniperina Winn. die »Kickbeeren« an Juniperus communis. Ich Ich kenne ungefähr 20 Vorkommnisse in dieser Reihe.

Familie 2. Geschlossene Gallen. Es dringt die Larve durch die Epidermis sich bohrend in das innere Gewebe hinein. Bisweilen bleiben die dadurch hervorgerufenen Verwundungen lebenslang ersichtlich (so z. B. die von Strasburger beschriebene Cecidomyia-Galle an Selaginella pentagona, Bot. Ztg. 1873. p. 105), verwachsen aber meistens vollkommen (Käfer). Gewöhnlich ist. die Grösse der Galle zum tragenden Gewebe durch sich weit erstreckenden Wucherungen diffus.

Gruppe 1. Minengallen. Es leben die Larven in Minengängen der Blätter oder Axen.

Das parenchymatische Gewebe, welches diese Gänge einschliesst, geräth in gallenartige Wucherung, oft, vor Allem, wenn die Gänge kurz (in den Blüthenköpfchen der Compositae), durch Sclerenchymzellen sich erhärtend. Ich unterscheide:

I. Blasenminen (im Ganzen 14) von Diptera, Lepidoptera und einem Käfer an Blättern hervorgerufen.

II. Anschwellungen an Blattstielen und Axenorganen.

A. Von Dipteren hervorgebracht. a. An Dicotylen.

a. Missbildungen verschiedener Art äusserlich sichtbar (18).

Botanisches Interesse hat die Galle von Trypeta cardui L. die 3-6kammerige Stengelanschwellungen in Cirsium arvense bildet.

B. Receptaculum-Missbildungen der Compositae (und ähnliche Vorkommnisse). Bisweilen verwachsen die Achaenen, oder es verlängert sich der allgemeine Torus hornartig, oder es wird der Pappus zu fünf grünen Kelchblättchen, dies Alles sind secundäre Erscheinungen, das Primäre, die Galle, ist eine verhärtete innerliche Larvenhöhle (16 im Ganzen).

b. An Monocotylen.

Ausser der zweifelhaften Stengelverdickung von Lasioptera alismae Winn. an Alisma

essante, z. B. die von Lonchaea lasiophthalma
Lu. an Cynodon dactylon. Verkürzte Interno-
dien tragen auf den erweiterten Nodis die
verkürzten zweiseitig gestellten Blätter.
B. Von Lepidoptera und Coleoptera ver-
Die meisten hier zu nennenden
Vorkommnisse gehören wahrscheinlich nicht
zum Begriff der eigentlichen Gallen, oder sind
nur secundäre Folgen von Verwundungen;
so die Tumorificationen an Bäumen von Car-
pocapsa, Cossus, Grapholitha, Tortrix, Incur-
varia unter den Schmetterlingen, von Agrilus
und Saperda unter den Käfern hervorgebracht.

III. Die Missbildungen an Blüthe und Frucht. Sie werden erweckt von acht Fliegen und Gallmücken, von einem unbekannten Schmetterling, der die Fruchtknoten von Polygonum aviculare hornartig verlängert, und von 13 (bis 15?) Käfern (Curculioniden).

Gruppe 2. Die eigentlichen geschlossenen Larvengallen. Die Grenze zur vorigen Gruppe ist nicht genau festzustellen. Eine Sclerenchymbildung ringsum die anfänglich immer kugelförmige Larvenhöhle findet niemals statt. Die Gallen sind immer breit angeheftet, doch niemals ganz eingeschlossen in neutrales, nicht in Gallenbildung begriffenes Gewebe. Gewöhnlich verlassen die Larven die Gallen, deren Innenmassen sie kauend zerstörten.

Ungefähr 10 Dipterengallen, darunter die Selaginellagalle, die Braun entdeckte und Strasburger beschrieb; die berühmte Missbildung der Cecidomyia poae Bosc. an den Stengeln von Poa nemoralis; ausser einigen an Tamarix, vor Allem in Nordafrika zu findenden gibt es 6 (bis 8) Lepidopteren, die an deutschen Pflanzen Gallen hervorrufen und nicht weniger als 20 Curculionidae unter den Käfern.

Ordnung 2. Imagogallen. Ein vollkommenes Insekt aus der Abtheilung der Hymenoptera bohrt mit dem Legestachel einen Pflanzentheil an, um das Ei oder die Eier unterzubringen und ergiesst dazu in die Wunde die eigenthümliche Flüssigkeit, die zur Gallbildung veranlasst. Die Galle ist schon erwachsen oder sehr nahe daran, ehe noch die Larve die Eihaut verlässt.

[ocr errors]

Familie 1. Gallen der Tenthredonidae oder Blattwespen. Die lebenslang sichtbare Verwundung verwächst mit einem Korkhäutchen. Das Insekt spaltet beim Ver

wunden mit der verhältnissmässig sehr breiten Säge, gerade über der Mitte der Gefässbündel, einen sehr kleinen Theil des Blattes und legt das Ei in die Spalte. Die Wucherung tritt niemals zur Wundöffnung heraus, sondern zeigt sich davon etwas entfernt. Die Galle ist beiderseits auf dem Blatte sichtbar, meist aber ungleichmässig entwickelt. — Die Larve verlässt die Galle, um sich im Boden zu verändern. 4 Axenanschwellungen an Salix und Populus; 2 Stengelgallen an Clematis und Lonicera; 10 Blattgallen an Salix und Lycium (?).

[ocr errors]

Familie 2. Die Cynipideng allen. Die Verwundung verwächst gewöhnlich vollkommen; doch ist an einigen ein feiner brauner Canal sichtbar, der zum Innern führt; wie ich glaube, entsteht er durch eine Benetzung der Zellen mit Ameisensäure, die von den Gallwespen allgemein abgesondert wird; die Säure tödtet die Zellen, diese werden braun. (Ich muss aber bemerken, dass diese braunen Gänge vorAllem [möglich ausschliesslich?] von Inquilinen und Parasiten, die ihre Eier in das Gallengewebe oder in die Larve selbst hineintragen, hervorgerufen werden.)

Das Ei, welches die Gestalt einer langgestielten Birne hat, reicht mit dem schmalen Halse anfänglich aus der Wunde, der Stiel vertrocknet und das Ei wird eingeschlossen. Es bildet sich allgemein als innere Bekleidung der Höhle eine mit Protoplasma reich erfüllte Zellenlage oder deren mehrere; die absonderlichen Zellen haben Neigung, sich lose zu trennen und haften als kleine Kügelchen frei an der Wandung. Allseitig um dieses Nahrungsgewebe (Lacaze Duthiers) findet man sehr oft (vor Allem in Gruppe 2) anfänglich eine dicke Kugelschale von dicht mit Amylum erfülltem Gewebe, das später zur sclerenchymatischen Kammerwandung sich umbildet (Unterschied von der vorigen Familie und den eigentlich geschlossenen Gallen der vorigen Ordnung). Die Gallen sind ein- oder vielkammerig, abfallend oder nicht. Immer hat die ganze Metamorphose in den Gallen selbst ihren Abschluss.-94 mitteleuropäische Gallen an Eichen (an 4 Arten), ich kenne bisher nicht mehr als 20 an anderen Pflanzen, dazu ein Paar Missbildungen an Gräsern (Festuca und Psamma).

Gruppe 1. Bei der Entwickelung nehmen die drei Gewebesysteme Dermatogen, Periblem, Plerom gleichmässig an der Gallbildung theil (doch das letztere nur wenig); es wird

[ocr errors]

die Galle also gleichmässig von der wahren Epidermis bekleidet; man findet bisweilen Stomata. Es gehören zu dieser Gruppe alle Gallen, die nicht an der Eiche gefunden werden. Von den Eichengallen selbst alle die Formen, die im ersten Frühjahre sich mit den Blättern entwickeln (ausser denjenigen von Andricusler termnalis, deren Bildung abweichend), z. B. Spathegaster aprilinus an den jungen Sprossen, Spathegaster albipes, Sp. tricolor, Sp. baccarum, Sp. verrucosa, Andricus curvator, A. crispator etc. alle auf den Blättern. Weiter die terminalen und seitenständigen Knospengallen der Eiche, wie die von Cynips Kollari, die lateral, die von Aphilothrix callidoma, die gewöhnlich terminal gestellt ist; dann die Staubblüthengallen wie von Spathegaster grossulariae etc.

Gruppe 2. Das Cynipsweibchen schiebt ihr Ei in das Plerom der Organe, sei es in das Cambiform der Gefässbündel der Blätter oder in das Cambium der Axen. Die heranwachsende Galle zerreisst das Periblem und Dermatogen, die eine Spalte bilden, daraus die Galle hervortritt. Das verwundete Gefässbündel sendet Aeste ab, die in die Galle hereintreten und sich weiter verästeln.

Beispiele: Die Mehrzahl der Blattgallen, wie die von Dryophanta scutellaris, Dr. folii, Dr. diosa, Dr. disticha, Dr. agama etc. Von Neuroterus numismatus, N. fumipennis, N. lenticularis, N. lanuginosus etc. Die Stammgallen von Aphilothrix Sieboldi, Dryocosmus cerriphilus etc.

Die weitere Begründung der CynipsgallenEintheilung behalte ich mir vor.

Noch muss ich Herrn Prof. Dr. Gustav Mayr in Wien meinen Dank hier öffentlich aussprechen, der mich durch eine Sammlung von Eichengallen freundlichst unterstützte. Utrecht, 17. Sept. 1876.

Gesellschaften.

Sitzungsberichte der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Hamburg im September 1876.

(Fortsetzung.)

Morphologische Mittheilungen in Bezug auf die
Orchideenblüthe.

Von Prof. Reichenbach.

Die Gattung Dichaea Lindl., deren genauestes Studium aus sofort zu erwähnenden Rücksichten mir seit lange besonders nöthig schien, bot in einer noch unbeschriebenen, sehr zarten Art aus Costa Rica 1) den

merkwürdigen Fall einer Zweimännigkeit durch zwei vor einander in der Mediane liegende Staubbeutel. In das allgemein bekannte Diagramm der gewöhnlichen Orchideenblüthe könnten wir einen dritten Staubblattkreis einlegen. Wir sind indessen dieser immerhin sehr bedenklichen Bereicherung der Diagramme überhoben, wenn wir uns überzeugen, dass die innere Anthere durchaus aus dem Rostellum gebildet ist. Hierdurch entsteht natürlich vollkommener Stoffmangel zur Bildung der caudicula und glandula. Die Folge ist, dass die zwei Doppelpollinien jeder Anthere frei bleiben, wie bei einer Malaxidea, und dass die vorderen Paare bei Oeffnung der Staubbeutel unmittelbar auf die Narbe fallen können. Die Samenträger zeigten sich gleichmässig nach dem Dichaeatypus entwickelt, jeder einzelne aus zwei ungemein dünnen vorgestreckten Leisten, 2) ohne alle Benachtheiligung durch die Metamorphose der Rostellarspitze. Dichaea war mir so wichtig, weil sie fast in allen Arten einen eigenthümlichen Fortsatz unter der Narbe zeigt, der einen hervorragenden, selbst behaarten Zipfel bildet. Bei unserer Art ist er zur Blüthezeit unansehnlich. Nach der Bestäubung erweitert er sich in eine breite Masse, die man in moderner Weise als einen Ruheplatz, etwa als ein Sopha für die durch Herbeischleppen fremder Pollenmassen ermüdeten Insekten ansprechen würde, wenn nicht die Pflanze sich unbedingt selbst ihres eigenen Pollens erfreute, was sie nicht hindert, zahlreiche Früchte zu fördern, deren sehr viele vorliegen.

Ein vergleichbarer, tiefer stehender Fortsatz findet sich bei der Gruppe Kefersteinia der Gattung Zygopetalum allemal bei allen Arten, die ich sah und so häufig wieder untersuchte; eine vergleichbare Leiste haben manche Maxillaria-Arten. In der AcliniaGruppe der Gatiung Dendrobium finden sich Arten, deren Narbe durch einen vorstehenden Zahn zugedeckt wird. Das oft fünfmännige Epidendrum Ottonis entwickelt (immer?) einen Zahn unter der Narbe. Epipactis palutris Crtz. zeigt in manchen Jahren bei Hamburg sehr häufig einen Zahn an derselben Stelle, in anderen habe ich hunderte und hunderte von Blüthen vergeblich daraufhin geprüft. (Nachdem ich diesen Zahn beobachtet und in meiner Weise zu deuten gesucht, überzeugte ich mich im British Museum, dass ihn Francis Bauer bereits wenn ich nicht irre, im vorigen Jahrhundert-gezeichnet hat.) Leider habe ich noch nie einen solchen Fortsatz in eine Anthere verwandelt gesehen, obschon man dieses schöne Ereigniss immerhin erwarten kann, seitdem Uropedium entdeckt wurde, welches ein vollkommenes Filament mit Anthere an der entsprechenden Stelle besitzt. Besonders Maxillaria und Kefersteinia würden höchst wichtige Factoren sein, da bei ihnen der Lippengrund grosse Buckel trägt.

Es ist Pflicht, der einzigen mir denkbaren Handhabe

zu gedenken, welche sich mir zur Annahme der Möglichkeit einer Anthere auf der Lippe geboten hat, nachdem Glossodia major R. Br. durch die verwandten Arten ihrer Anrechte mir verlustig zu gehen scheint. (Und Glossodia major war R. Brown's Lieblingsparadigma für sein Paradoxon.) Dieser Fall, der mich eine Weile geradezu gedemüthigt hat, ist der, dass die meisten Arten von Lockhartia, Oncidium Harrisonianum Lindl. und raniferum Lindl. auf dem Lippengrunde eine Schwiele tragen, die an die ihnen abgehende tabula infrastigmatica erinnert, welche fast bei allen Oncidien vorkommt. Man kann sich bei diesem Anblick kaum der Illusion verschobener Bestandtheile verschliessen und mich hat der so nur für Oncidien schon lange veröffentlichte (von den Morphologen natürlich inmitten systematischer Notizen übersehene) Fall eine Weile zweifelhaft gemacht. Indessen hat das Oncidium flexuosum Sims. eine wirkliche tabula infrastigmatica und zugleich einen callus am Lippengrunde, welcher der besprochenen Schwiele viel ähnlicher ist, als irgend einer tabula infrastigmatica. Für mich ist hierdurch die Angelegenheit erledigt.

Vertheidiger der Ansicht R. Brown's und Lindley's müssten mindestens seit der Entdeckung des Uropedium auf die Allgemeinheit ihrer aus Lippe und Staubgefässen zusammengewachsenen Lippe verzichten und uns endlich den Beleg für ihre Ansicht dadurch bieten, dass sie uns anstatt der Schwiele auf der Lippe Staubbeutel präsentirten; 3) wie deren Existenz mich bestimmt veranlasst, die meisten, vielleicht (?) alle Flügel der Säule als freigewordene Staminalenden anzusprechen, woran besonders bei Oncidium, Odontoglossum, Epidendrum für mich kein Zweifel.

An diese Mittheilung knüpfe ich nicht ohne Grund die einer beständigen Dreilippigkeit bei einer Sobralia, 4) welche von meinem verstorbenen Freunde Endres länger cultivirt, nur Blüthen bot, deren fast gleiche innere Perigonialblätter bei aufrechter Stellung aussen tiefer, violettpurpurn gefleckt waren, als innen. Mit dieser, wie es scheint, habituell gewordenen Anomalie mit normalem Bestreben stimmt zum Theil eine herrliche Monstrosität überein, welche ich von Herrn Day empfing, eine wunderbare Blüthe des Oncidium Papilio Lindl. Die drei äusseren Sepala sind einfach dreieckig, also absolut verschieden von den ungleich gestalteten der gewöhnlichen Form, die das unpaare Sepalum lineal, die paaren Sepalen breit länglich mit gekrümmter Spitze zeigt. Während diese die inneren paaren Sepalen lineal aufzeigt, hat Herrn Day's Blüthe drei fast absolut gleiche Lippen. Die Staubgefässkreise existiren nicht, nicht einmal rudimentär. Ein spindelförmiger Griffel ist an der Spitze lappig und trägt eingeschlossen eine kleine Narbenfläche. Die Placentation ist absolut regelmässig. 5) Eine grosse Anzahl Mon

strositäten liegen mir vor zwischen diesem Falle und einem in seiner Art ebenso herrlichen, der seit einer Reihe von Jahren immer wieder in einem britischen Garten auftrat. Eine in der ganzen Tracht mit dem alten Aerides crispum Lindl. übereinstimmende Pflanze bringt weisse Pelorientrauben. Die Säule ist vorwaltend, die Lippe unterdrückt, eine kleine ungetheilte tepaloide spornlose Platte, während die breite Columna drei Antheren zeigt.

SO

Wir finden fast stets einen Antagonismus zwischen Lippe und Săule. Eine vorwaltende Lippenentwickelung bedingt die Unterdrückung der Säule zu jener Hemmungsbildung, welche habituell ist. Tritt die Säule in ihre in der Regel unterdrückten Rechte, geschieht dies auf Kosten der Lippe. Selbst Uropedium bestätigt diese Auffassung unter den Cypripedien, welche trotz der zwei normalen Staubbeutel eine stark vorwiegende Lippe zeigen, die bei Uropedium wegen der dritten Anthere tepaloid reducirt ist. Ich vermuthe, dass dieser Antagonismus es wesentlich gewesen, der Lindley zur Annahme der Ansicht R. Brown's brachte..

(NB. Die Dichaea wurde unter Alkohol durch ein Simplex betrachtet, die besprochene Blüthe des Oncidium Papilio neben einer gewöhnlichen vorgezeigt.)

1) Dichaea (Echinocarpae) diandra: caulibus tenuibus, nunc ramosis, foliis egregie distichis laminis perpendicularibus ligulatis apiculatis, apiculo recurvo, racemis unifloris folia longe excedentibus, bractea spathacea ovarium laeve subaequante, sepalis tepalisque triangulis trinerviis, sepalis extus minute verrucosis, labello ab ungue perbrevi humerato rhombeo acuto quinquenervi, columna diandra antheris in mediana oppositis, polliniis caudicula glandulaque destitutis, rostello nullo, limbo stigmatico inferiori anthesi haud bene prominulo, post anthesim ampliato.- Costa Rica. Endres.

2) Dieser Fall ist also derselbe, wie er bei den in der Natur sehr zahlreichen, in den Handbüchern unbekannten Fällen zweigriffliger Orchideen vorkommt, welche ihre Placenten sämmtlich fröhlich entwickeln.

3) Uropedium wird noch immer von Manchen als Peloria angesehen. Es wächst in Neu-Granada am Maracaybo-See, beiMedellin, Frontino, Cauca, Popayan, Ocaña, von welchen sechs Fundorten es mir vorliegt. Ursprünglich auf offener Savanne beobachtet, fand es sich neuerlich auch öfter auf Bäumen. Es bringt reife Samen und pflanzt sich nach Art der Selenipedien reichlich durch dieselben fort. Ausserdem besitze ich Uropedium aus Ecuador (unfern Quito

mündlich

Wallis; von Jameson ein Exemplar) und im nördlichen Peru (Baños Pierce!).

Amerika hat zwei langtepalige Selenipedia: aus Chiriqui S. Warsczewiczii Rchb. f. (Cypripedium cau

datum roseum Hort.), in Peru und Bolivia das in unsern Gärten sehr seltene S. caudatum Rchb. f. (Cypripedium caudatum Lindl.). Peru ist demnach das einzige Land, wo ein Selenipedium dieser Art und Uropedium vorkommt. Sie wachsen aber nicht vereint. Pierce hat bei Baños nur Uropedium gesammelt, Ruiz und Pavon sowohl, als William Lobb sammelten allein Selenipedium caudatum. Uropedium und die Art von Chiriqui sind in ungeheuren Massen nach Europa gekommen, S. caudatum immerhin mehrfach. Eine Untermengung ist niemals beobachtet worden. Die Art von Chiriqui hatte einmal in Herrn Consul Schiller's Garten eine trite pale Blüthe neben einer gewöhnlichen, allein das für Uropedium charakteristische dritte Stamen kam nicht zum Vorschein.- Ich habe diesen Fall in den Acten der Leopold. Academie zur Zeit des Präsidiums Carus abgebildet, verstand indessen damals noch nicht beide Arten sicher zu unterscheiden. S. Warsczewiczii hat zahlreiche kleine Gruben auf der Lippe, S. caudatum hat sie nicht.

4) Es muss hier ausdrücklich hervorgehoben werden, wann die Ansicht einer Verschmelzung von Staubgefässen mit der Lippe von den zwei Botanikern R. Brown und Lindley vertreten wurde. R. Brown kam auf den Gedanken in Australien, veröffentlichte ihn aber zuerst 1830 mit der ihm eigenen Vorsicht und Zurückhaltung, indem er sich auf die Gattungen Glossodia, Epiblema, Pterostylis, Chiloglottis bezog.

Sehr spät erst ging Lindley auf diesen Gedanken ein. Noch im October 1840 (G. St. Sp. Orch. p. XIV) hat er eine »>Columna genitalium e stylo staminibusque in corpus solidum conferruminata.« Die zwei Staminalkreise R. Brown's werden ganz einfach unerwähnt gelassen. Erst am 19. October 1852 nahm Lindley diese Ansicht öffentlich an (Zygostates in Folia Orchidacea). Ich war so frei, dagegen mit wenig Worten eine heitere Einsprache zu thun (Bot.Ztg. 1852. p.916). Das Vegetable Kingdom (1853) brachte leider eine Anzahl der wildesten Diagramme. Anstatt einer positiven Beurtheilung wurde ich mit der köstlichen Bemerkung abgefertigt: >>The younger Reichenbach rather sneers at these speculations, which never the less appear to be founded on sound principles; and it is clear, that he does not understand the question as it has been put in English works.«<

Very well! Ich werde die Frage viel ausführlicher als hier an anderer Stelle besprechen. Hier will ich nur bemerken, dass es höchst wunderbar ist, dass Lindley Brongniart's glänzende Entdeckung des von ihm übersehenen unpaaren Staubgefässes des inneren Kreises (1850) gerade da todt schweigt, wo sie den Schlüssel zur Deutung der Orchideenblüthe bieten musste. Für jeden Unbefangenen ist die ganze Frage mit der Kenntniss des Uropedium und solcher Formen wie Arundina pentandra Rchb. f. erledigt. Uropedium

« PreviousContinue »