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für

Bibliothekswesen.

XXVII. Jahrgang.

10. Heft.

Oktober 1910.

Zur Provenienzfrage der Weingartener Handschriften mit Italafragmenten.

In den Sitzungsberichten der bayer. Akademie der Wissenschaften, philos.-philol. und hist. Klasse, 1908, 4. Abhandlung, hat Paul Lehmann die Weingartener Handschriften mit Italafragmenten auch nach ihrer Herkunft untersucht und dabei die überraschende Entdeckung gemacht, dafs diese Weingartener" ihren Namen eigentlich zu Unrecht tragen, dafs ihnen vielmehr das Konstanzer Domkapitel als Heimat zuzuweisen ist. Diese Untersuchung soll hier in einigen Punkten noch erweitert und gestützt werden.

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Lehmann hat festgestellt, dafs sämtliche Codices mit Italafragmenten einer gröfseren Gruppe von Handschriften angehören, die neben andern Eigentümlichkeiten auch die eines Eintrags „Monasterii Weingartensis Ao 1630" auf einem der ersten Blätter aufweisen. Er hat dann diese Codices mit einer einzigen Ausnahme in einem Katalog der Bibliothek des Konstanzer Domkapitels vom Jahre 1343 wiedergefunden. Dieser im 1. Jahrgang (1840) des Serapeums veröffentlichte Katalog ist nun hier weiterhin mit jener ganzen Gruppe der Weingartener Handschriften, die den Eintrag von 1630 haben, verglichen worden, soweit sie sich in der Stuttgarter Landesbibliothek befinden. Da Stuttgart mit über 500 Weingartener Handschriften jedenfalls mehr als 2/3 dieser Bibliothek besitzt, dürfte das Material ausreichen, um nachzuweisen, ob jener alte Constanzer Handschriftenschatz nach Weingarten gekommen ist oder nicht. Das Ergebnis dieses Vergleichs ist folgende erweiterte Liste in der Art von Lehmanns Vorgang, in welche der Vollständigkeit halber auch die schon untersuchten Handschriften mit Italabruchstücken noch einmal aufgenommen sind.

Katalog der Dombibliothek zu Constanz vom Jahre 1343: [I. Abteilung.] Libri veteris testamenti.

(2.) Genesis glosatus. in uno volumine

(4.) Leviticus . Glosatus

H. B. II 14. saec. XII/XIII.

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H. B. II 15. saec. XIII.

(7.) Glosa super exodum et leviticum. in uno volumine de litera

antiqua

XXVII. IO.

H. B. IV, 8. saec. IX.

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Personalnachrichten.

Berlin KB. Der Hilfsbibliothekar Dr. Erich von Rath wurde zum Bibliothekar ernannt, der Hilfsbibliothekar Dr. Otto Vanselow in gleicher Eigenschaft an Berlin UB versetzt, der Assistent Dr. Hermann Pick zum Hilfsbibliothekar ernannt.

Berlin UB. Die Bibliothekare Dr. Karl Pretzsch und Graf Nikolaus von Rehbinder wurden zu Oberbibliothekaren ernannt. Der an die Schaffgotsche B zu Warmbrun beurlaubte Assistent Dr. Wilhelm Nickel wurde (ab 1. 10. 10) an Berlin KB überwiesen.

Bonn UB. Der Assistent Dr. Paul Otto wurde zum Hilfsbibliothekar an Münster UB ernannt.

Erlangen UB. Dem Oberbibliothekar Dr. phil. Markus Zucker wurde von der Erlanger theologischen Fakultät der Doktortitel honoris causa verliehn. Greifswald UB. Der Oberbibliothekar Dr. Hermann Runge wurde in gleicher Eigenschaft an Göttingen UB versetzt, der Assistent Dr. Karl August von Bloedau an Königsberg UB überwiesen.

der

Jena UB. Der Bibliothekar Heinrich Böse starb am 24. Juni, der Hilfsarbeiter Dr. Wilhelm Schmitz wurde zum Hilfsbibliothekar, Volontär Dr. Ernst Crous zum Hilfsarbeiter ernannt.

Königsberg UB. Dem Oberbibliothekar Dr Georg Herrmann wurde der Rote Adlerorden 4. Klasse verliehn.

Marburg UB. Der Oberbibliothekar a. D. Prof. Dr. Karl Kochendörffer starb in Kassel am 14. August.

Münster UB. Der Hilfs bibliothekar Dr. Heinrich Kau wurde zum Bibliothekar an Greifswald UB ernannt, der Volontär Dr. Albert Predeek an Göttingen UB überwiesen.

Frankreich. Der langjährige Generaldirektor der Nationalbibliothek zu Paris, Léopold Delisle, starb am 22. Juli auf Schlofs Chantilly im 84. Lebensjahre.

Bekanntmachung.

Diejenigen Herren Volontäre der preufsischen Bibliotheken, deren Volontärzeit im Kalenderjahre 1911 abläuft, ersuche ich, möglichst umgehend eine vorläufige Meldung mit Angabe der Ablaufsfrist mir zugehen zu lassen.

Göttingen, den 10. August 1910.

Der Vorsitzende

der Prüfungskommission für die bibliothekarische Fachprüfung
Pietschmann.

Bekanntmachung

betr. Diplomprüfung für den mittleren Bibliotheksdienst usw. Die nächste Prüfung findet am Montag den 5. Dezember d. J. und den folgenden Tagen in der Königlichen Bibliothek zu Berlin statt.

Gesuche um Zulassung sind nebst den erforderlichen Papieren (Ministerialerlafs vom 10. August 1909 § 5) bis spätestens am 7. November dem Vorsitzenden der Prüfungskommission, Geh. Regierungsrat Dr. Ippel, Abteilungsdirektor an der Königlichen Bibliothek (Berlin NW 7, Dorotheenstr. 97), einzureichen.

Verlag von Otto Harrassowitz, Leipzig.

Druck von Ehrhardt Karras, Halle.

für

Bibliothekswesen.

XXVII. Jahrgang.

10. Heft.

Oktober 1910.

Zur Provenienzfrage der Weingartener Handschriften mit Italafragmenten.

In den Sitzungsberichten der bayer. Akademie der Wissenschaften, philos.-philol. und hist. Klasse, 1908, 4. Abhandlung, hat Paul Lehmann die Weingartener Handschriften mit Italafragmenten auch nach ihrer Herkunft untersucht und dabei die überraschende Entdeckung gemacht, dafs diese Weingartener" ihren Namen eigentlich zu Unrecht tragen, dafs ihnen vielmehr das Konstanzer Domkapitel als Heimat zuzuweisen ist. Diese Untersuchung soll hier in einigen Punkten noch erweitert und gestützt werden.

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Lehmann hat festgestellt, dafs sämtliche Codices mit Italafragmenten einer gröfseren Gruppe von Handschriften angehören, die neben andern Eigentümlichkeiten auch die eines Eintrags Monasterii Weingartensis Ao 1630" auf einem der ersten Blätter aufweisen. Er hat dann diese Codices mit einer einzigen Ausnahme in einem Katalog der Bibliothek des Konstanzer Domkapitels vom Jahre 1343 wiedergefunden. Dieser im 1. Jahrgang (1840) des Serapeums veröffentlichte Katalog ist nun hier weiterhin mit jener ganzen Gruppe der Weingartener Handschriften, die den Eintrag von 1630 haben, verglichen worden, soweit sie sich in der Stuttgarter Landesbibliothek befinden. Da Stuttgart mit über 500 Weingartener Handschriften jedenfalls mehr als 2/3 dieser Bibliothek besitzt, dürfte das Material ausreichen, um nachzuweisen, ob jener alte Constanzer Handschriftenschatz nach Weingarten gekommen ist oder nicht. Das Ergebnis dieses Vergleichs ist folgende erweiterte Liste in der Art von Lehmanns Vorgang, in welche der Vollständigkeit halber auch die schon untersuchten Handschriften mit Italabruchstücken noch einmal aufgenommen sind.

Katalog der Dombibliothek zu Constanz vom Jahre 1343:

[I. Abteilung.] Libri veteris testamenti.

(2.) Genesis glosatus. in uno volumine

(4.) Leviticus. Glosatus

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H. B. II 14. saec. XII/XIII. H. B. II 15. saec. XIII.

(7.) Glosa super exodum et leviticum. in uno volumine de litera antiqua H. B. IV, 8. saec. IX.

XXVII. 10.

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(8.) 1. Josue et Judicum. in uno volumine. Glosatum

saec. XIII. 1)

(11.) liber Biblie ab Ecclesiasten usque ad Neomiam de litera antiqua H. B. II, 35. saec. IX.

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(18 od. 19.) psalterium glosatum in uno volumine =

saec. XIII.

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(27.) explanatio Jeronimi super Ysaïam de litera antiqua

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VII, 8. saec. X in. Hat Italafragmente. Dazu gehört auch H. B. VII, 7, was nach Inhalt und Schrift unmittelbarer Vorgang von H. B. VII, 8 ist.

(31.) liber venerabilis Bede prespitari super librum Salomonis qui dicitur proverbia H. B. VII, 38. saec. X an XI.

(33.) libri Regum. de mediocri volumine et litera antiqua

=

- H. B.

II, 20. saec. X. Hat Italafragmente. (35.) expositio Bede prespiteri in parabolis salamonis H. B. VII, 39. saec. IX in. Hat Italafragmente.

(36.) tercia pars moralium Job. de litera antiqua recenti tamen adhuc H. B. VII, 25. saec. IX. Hat Italafragmente.

(37.) expositio. super Ezechielem. de litera antiqua = H. B. VII, 28. saec. IX in. Hat Italafragmente.

(38.) expositio Gregorii super Ezechielem

Hat Italafragmente.

=

H. B. VII, 29. saec. XI.

(39.) liber Omeliarum beati Gregorii in extrema parte Ezechielis .de litera antiqua H. B. VII, 30. Hat Italafragmente.

(47.) quarta pars. moralium Gregorii super Job = H. B. VII, 26. saec. IX. (50.) Liber Danielis. Glosatus H. B. II, 39. saec. XIII.

=

[II. Abteilung:] Libri novi Legis.

(2.) Expositio Agustini. super Johannem. de litera antiqua = H. B. VII, 17. saec. IX.

(3.) Comentum. Jeronimi super Matheum et Marcum Ewangelistas = H. B. VII, 9. saec. IX.

(13.) Expositio Bede super Apochalipsim. et super actus apostolorum de litera antiqua H. B. VII, 41. saec. IX.

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(14.) Epistole pauli et actus apostolarum et apochalipsis in uno volumine. de litera antiqua H. B. II, 54. saec. IX in. Hat

Italafragmente.

=

(18.) questiones beati Agustini. numero Octaginta due H. B. VII, 21. saec. IX. 2)

1) Die Stuttgarter Handschrift enthält zwar aufserdem einen Kommentar zu Ruth, aber dieser Teil der Handschrift fehlt auch bei der alten Inhaltsangabe auf der Innenseite des vorderen Deckels. Auch ist in der nachträglich dem Konstanzer Katalog angefügten Liste von Büchern, die 1425 an Bischof Otto ausgeliehen wurden, und die sonst nur Bücher nennt, die auch im Katalog enthalten sind, aufgeführt: glosa super Josie Judicum et Ruth in uno volumine, womit jedenfalls auch die an 8. Stelle im Katalog aufgeführte Handschrift gemeint ist.

2) Es wäre dann allerdings der 2. Teil der Stuttgarter Handschrift im Konstanzer Katalog nicht berücksichtigt; aber conf. I. Abt., No 8.

[III. Abteilung:] Sacre Theologie Libri.

(8.) Liber clementis. qui dicitur Itinerarium

Hat Italafragmente.

H. B. VII, 1. saec. IX/X.

(14.) Almarius de divinis officiis de litera antiqua

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H. B. III, 3. saec. XIII.

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H. B. VII, 10. saec. X. H. B. VII, 62. saec. X.

(24.) conmentum Jeronimi super mathiam (25.) liber Agustini de vita sacerdotum (27.) liber de vita Willibrordi Archiepiscopi traiactensis H. B. XIV, 1. saec. X.

(29.) liber parvus. Omeliarum sive legendarum per circulum anni de litera antiqua recenti tamen adhuc H. B. VII, 57. saec. X.

(47.) liber multum antiquus. de quorundam sanctorum passionibus

H. B. XIV, 15. saec. IX. Hat Italafragmente.

(49.) liber conciliorum romanorum pontificum. parvi voluminis. et in eodem liber Gregorii ad Agustinum Episcopum anglorum = H. B. VI, 109. saec. IX/X.

(57.) liber sive expositio Rabani Episcopi super librum salamonis. diligite iusticiam etc: de litera antiqua

Hat Italafragmente.

H. B. VII, 45. saec. X.

(60.) liber Bede. id est compotus de temporibus. de litera antiqua H. B. XI, 30. saec. X. Hat Italafragmente.

(66.) liber. de vita sancti Anscharii. Bremensis Archiepiscopi

XIV, 7. saec. X.

=

= H. B.

(70.) decretales Epistole romanorum pontificum secundum antiquam Compilacionem. de litera multum antiqua H. B. VI, 105. saec. IX.

(74.) liber de passione beatorum petri et pauli apostolorum mediocris voluminis. de litera antiqua H. B. XIV, 14. saec. IX. ex.

Hat Italafragmente.

=

(80.) liber quidam medicinalis in volumine mediocri. de litera antiqua H. B. XI, 8. saec. IX.

=

(82.) liber Episcopalis Jeronimi ut videtur pertinens monasterio Augie maioris H. B. VII, 12. saec. X. in. Hat Italafragmente. (85.) liber Canonum diversorum principum et conciliorum. de litera antiquissima H. B. VI, 114. saec. X. (95.) liber Epistolarum. per circulum anni = H. B. I, 184. saec. X. Von der IV. Abteilung: libri ad divinum officium pertinentes läfst sich keine Handschrift mit einer Stuttgarter identifizieren. Von den 192 Handschriften, die im Konstanzer Verzeichnis von 1343 enthalten sind, befänden sich also 39 in Stuttgart. Das ist wenig bei der Annahme, die ganze Konstanzer Handschriftenbibliothek sei nach Weingarten übergegangen. Auch wenn schätzungsweise aus den übrigen Bibliotheken, in welche Weingartener Codices gekommen sind, noch eine entsprechende Anzahl dazu gerechnet wird, wird man kaum über 1/3 der alten Konstanzer Bibliothek hinaufkommen. Also die Hoffnung, den verloren geglaubten Konstanzer Handschriftenschatz in den Wein

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