Page images
PDF
EPUB

den Flagellaten bei zahlreichen Geschlechtern. Aber die Bestandteile all' dieser Colonien sind doch unter sich, wenn nicht immer vollkommen, so wohl nahezu gleichwertig. Ja, wenn wir die schon oben angezogenen Volvocineen zu den Tieren 1) versetzen, so ist die dort herrschende Differenzirung bei weitem noch nicht im Stande, die Kluft, welche einen solchen mehr pflanzenähnlichen Organismenkomplex von den Coelenteraten trennt, zu überbrücken.

Als zweizellige Tiere wurden wohl die Syzygien der Gregarinen betrachtet; aber längst schon wissen wir, dass dieselben als Jugendformen einzeln leben und sich erst weiterhin konjugiren. Vielleicht jedoch liegt in einer polycystiden Gregarine die Andeutung einer Zweizelligkeit, welche freilich kaum erworben, sondern eher durch Rückbildung verloren gegangen sein dürfte. Allerdings beruhen die Angaben von A. Brass, dass das Protomerit den Wert einer Zelle habe, da es einen Kern enthalten sollte, auf einem Irrtum, denn es ist sicher kernlos. Aber die Scheidewand, welche dasselbe vom Deutomerit trennt, ist nun einmal vorhanden und noch dazu von hoher Vollkommenheit. O. Bütschli 2) hält sie zwar für eine Einstülpung des Sarcocyts und mithin nicht für ein cutikuläres Gebilde. Doch möchte ich bezweifeln, dass das Eine das Andere ausschliesse.

Aehnlich verhält es sich ferner mit einem Infusor, Nyctotherus ovalis Leidy. Hier ist nämlich gleichfalls eine Scheidewand vorhanden, welche den Kern (Ma. N. nach Bütschli) samt dem sog. Körnerfeld vom hinteren grösseren Körperteil abtrennt und auf diese Weise eine Differenzirung innerhalb einer und derselben Zelle hervorruft, wie man sie kaum noch bei einem anderen Ciliaten antrifft. Allerdings sieht Bütschli diese Wand 3), welche in der Jugend fehlen soll, für ein plasmatisches Gebilde an, eine Plasmalamelle, welche sich,,bis zu der relativ dicken Corticalschicht verfolgen lässt, von welcher sie auszugehen scheint." Da aber diese Corticalschicht doch auch plasmatischen Ursprungs, oder genauer gesagt, nur eine Modifikation des Ectoplasmas ist, so will hier die chemische Auffassung dieser Lamelle nicht viel bedeuten, denn die äussere Begrenzung der meisten ciliaten Infusorien ist ja eine mehr oder minder plasmatische, d. h. nicht cuticulare.

Ausser diesem Nyctotherus ovalis, welcher als rechter Cosmopolit nicht nur in Europa und Nordamerika lebt, fand ich hier noch. ein anderes Infusor, welches mit jenem manche Aehnlichkeit hat. Mit einem gewissen Rechte lässt es sich als zweizelligen Organismus

1) O. Bütschli: Protozoa, II Abteilung: Mastigophora, Leipzig und Heidelberg 1883-1887; p. 775. (Bronns Klassen und Ordnungen etc. Bd. I.)

515.

2) Ebenda, I Abteilung: Sarcodina und Sporozoa; 1880-82; p. 513 und

3) Ebenda, III Abteilung: Infusoria etc. 1887-1889.

-

p. 1493 und Taf.

66 Fig. 6a (Diese von Stein entlehnte Abbildung ist wohl nicht ganz korrekt).

betrachten; denn erstens repräsentiert die Querscheidewand dieselbe Substanz wie die Hüllschicht, und zweitens liegen, vom Macronucleus durch eben diese Wand getrennt, im hinteren Körperabschnitt zwei kleine kernartige Gebilde, welche höchstwahrscheinlich dem Micronucleus der übrigen Infusorien entsprechen. In ihren allgemeinen Reaktionen wenigstens zeigen sich völlige Uebereinstimmungen mit diesem Gebilde.

Leider war ich noch nicht im Stande, dieses interessante Infusor genauer zu erforschen, so dass ich jene Zweizelligkeit nur als eine Vermutung aufstellen kann. Auch dürfte diese Auffassung mit Recht manchen Gegner finden, da man ja weder dem Macro-, noch dem Micronucleus (Nebenkern) so ohne Weiteres den Wert eines Zellkernes beimessen kann. Es scheint doch vielmehr, als wenn sie die Funktion des Kernes unter sich geteilt hätten.

Hiermit wäre nun auch Alles erschöpft, was allenfalls als erste Differenzierung einer Zelle in zwei morphologisch geschiedene Complexe anzusehen wäre, und jetzt macht die Natur in der Tat einen grossen Sprung, indem sie uns bei den oben besprochenen Tierkolonien vorbei zu vielzelligen Organismen führt, nämlich zu den Dicyemiden und Orthonectiden einerseits und zu dem von Franz Eilhard Schulze entdeckten Trichoplax adhaerens andererseits. Wenn man zwar im Hinblick auf die gewaltigen Strecken unkultivierter, aussereuropäischer Länder und Wässer bedenkt, wie wenig das Tierreich in seiner Gesamtheit noch erforscht ist, so wird man aber wohl bekennen müssen, dass nicht eigentlich die Natur, sondern vielmehr wir selbst diesen grossen Sprung machen, indem wir unser spärliches Wissen zusammenfassend eine Theorie daraus erbauen.

Ueber die Rolle der Dicyemiden und Orthonectiden ist man bekanntlich noch sehr im Unklaren; doch macht ihre verwickelte Fortpflanzung einerseits und ihre parasitische Lebensweise andererseits nicht unwahrscheinlich, dass sie als rückgebildete Formen zu betrachten seien. Eine andere Stellung hingegen nimmt Trichoplax 1) ein, denn,,da sich differenzierte Gewebe finden, welche mindestens drei verschiedene über einander liegende Schichten bilden, so wird man Trichoplax jedenfalls nicht zu den Protozoen, auch nicht etwa zu Van Beneden's Mesozoa, sondern zweifellos zu den Metazoa zu stellen haben". Ist dieser so ausserordentlich interessante Organismus somit ,,auf die unterste Stufe der Metazoa" zu verweisen, wie Fr. Eilh. Schulze mit Recht deduziert, so werden wir im Weiteren erkennen, dass zwar unsere Salinella eine ebenso unvermittelte Stellung einnimmt wie jene Form, dass sie aber recht wohl geeignet ist, den weiten Sprung, welchen uns die Natur zu machen scheint, um ein Erhebliches abzukürzen.

1) Trichoplax adhaerens nov. gen. nov. spec. Von Franz Eilhard Schulze etc. - Zoologisch, Anzeiger, VI. Jahrgang. 1883, p. 92 ff. und p. 128 (Berichtigung).

Als ich vor Kurzem eine vorläufige Mitteilung1) über diesen Gegenstand der Oeffentlichkeit übergab, geschah es in der Hoffnung, noch weiteres Material zu finden und die bereits gewonnenen Resultate zu einem einheitlichen Ganzen abrunden und vervollständigen zu können. Leider aber erwies sich diese Hoffnung zum grössten Teil als eine trügerische. Jeder, der sich mit dem Studium der Protozoen beschäftigt hat, weiss ja, wie unberechenbar diese zarten Organismen in ihrem Erscheinen sind. Ist dies schon in der Natur der Fall, so noch vielmehr in dem engen Raume eines Aquariums, zumal wenn dies bloss einige wenige Liter umfasst. Mit Bezug hierauf seien nur einige Worte A. Gruber's 2) citirt, der dieselbe Erfahrung machte, ,,wenn es sich um Protozoen handelt, die so launisch in ihrem Auftreten sind, heute in grossen Mengen erscheinen, um morgen wieder zu verschwinden, sich einmal im Aquarium reichlich entwickeln, das andere Mal trotz aller Bemühungen immer wieder zu Grunde gehen, kurz, dem Untersucher niemals ein ruhiges und sicheres Feld zur Bearbeitung gewähren". Man ist wohl im Allgemeinen der Ansicht - um dies hier nebenbei zu berühren, dass Mangel an geeigneter Nahrung den Grund für das Absterben gewisser Formen abgebe, und jedenfalls haben wir darin wohl die Hauptursache zu suchen, ohne damit aber alle jene Erscheinungen erklären zu können. So erhielt zwar mein Salinenaquarium nur wenig Nahrungsstoffe. Trotzdem entwickelten sich unsere Salinellen zuerst ziemlich reichlich darin, um dann ungemein rasch zu verschwinden, obgleich meiner Ansicht nach dieselben Nahrungsstoffe in nicht verminderter Menge vorhanden waren. Wie soll man hierfür eine plausible Erklärung finden?

Wie schon an anderer Stelle erwähnt worden ist, hatte ich mir mit Benutzung gewöhnlichen Leitungswassers eine etwa zweiprocentige Lösung eines Salzes hergestellt, welches, untermischt mit ein wenig Erde, aus den Salinen in der Gegend von Rio cuarto, im Süden der Provinz Córdoba, herstammte. Ich verdankte dasselbe meinem Kollegen Dr. W. Bodenbender. Zufällig war auch, um dies nicht unerwähnt zu lassen, eine sehr geringe Quantität einer stark verdünnten Jodlösung hineingeraten, was vielleicht nicht ganz ohne Einfluss auf das Auftreten unserer Tierchen war. Die Flüssigkeit betrug nur etwa 3 Liter und befand sich in einem zeitweise offen, zeitweise verdeckt stehenden Glase in der Nähe des Fensters, halbbelichtet und täglich kurze Zeit von der Sonne beschienen. Staub und Sand, tote Fliegen u. s. w. waren gleichfalls reichlich hineingefallen; ebenso hatte ich, anderer Versuche halber, einige Lemnapflänzchen und Spirogyrafäden hinzugefügt, alles Umstände, auf welche ich glaube, ein gewisses Gewicht legen zu müssen; denn jene

1) Zoolog. Anzeiger. 1891 No. 367, p. 230.

*) Die Protozoen des Hafens von Genua von Dr. Aug. Gruber etc. Nova Acta der Ksl. Leop.-Carolin, Deutschen Acad. d. Naturf. Bd. 46 p. 473 ff.

fremden Zutaten vermittelten einerseits eine Zufuhr von Nahrungsstoffen aller Art, wie auch die Entstehung einer reichen Bakterienvegetation; andererseits aber haben sie vielleicht gerade erst die Keime unserer Salinellen in das Salzwasser hineingetragen, diese nicht schon in der Substanz desselben schlummerten.

wenn

Unzweifelhaft tierisches Leben entwickelte sich äusserst spärlich und langsam in dieser künstlichen Saline, während in einer viel stärkeren Lösung (von ca. 5 pCt.) von kaum 1/4 Liter ausser Amoeben etc. sogar noch Branchipoden entstanden, wie dies bereits im vorläufigen Berichte dieser Untersuchungen erwähnt worden ist. Jenen Misserfolg glaubte ich daher der zufälligen Beimischung des Jods zuschreiben zu dürfen. Nach und nach bemerkte ich nun einige kleine Flagellaten, die den niedersten Formen angehörten, darunter Arten, welche wohl zu Oicomonas, Monas etc. zu rechnen sein werden. Von Rhizopoden zeigte sich eine Amoebe, von Ciliaten ganz zuletzt nur ein kleines Infusor, welches eine gewisse Aehnlichkeit mit Cyclidium hat.

Länger als zwei Monate stand diese Salzlösung fast unberührt, indem nur ab und zu das verdunstete Wasser ersetzt und eine Inspektion vorgenommen wurde. Bei einer zufälligen Wiederholung derselben begegneten mir mehrere Exemplare eines kleinen einzelligen Organismus (Fig. 14), den ich seines ganzen Habitus wegen naturgemäss für eine Ciliate hielt. Daher erneuerte ich jetzt meine Nachforschungen in der Hoffnung, nun noch mehr Ciliaten zu finden, und schliesslich entdeckte ich in einer Probe, die dem Boden des Gefässes entnommen war, einige fast ausgewachsene Individuen unserer Salinella, die ich freilich im ersten Augenblick und bei schwacher Vergrösserung zunächst für irgend eine Turbellarie, sodann für eine Larvenform ansah. Erst die deutliche Einschichtigkeit der Körperwand, ferner die Querteilung eines Exemplars (Fig. 9), und dann die Conjugation mit nachfolgender Enzystierung belehrten mich über meinen Irrtum.

Da sich nunmehr fast in jeder Probe ein oder zwei Salinellen fanden, so war es möglich, die Organisation derselben bis in's Einzelne festzustellen. Die einzelligen Wesen hingegen wurden bald seltener und verschwanden schliesslich ganz, ohne Zweifel wohl, weil sie allmählich heranwuchsen und sich umbildeten. Leider wurden unglücklicherweise die Stadien dieser Umbildung verpasst, so dass mir davon nur wenig bekannt wurde. Auch die weiteren Folgen der Enzystierung der erwachsenen Tiere konnten nicht beobachtet werden, wesshalb ich aus allen diesen Tatsachen den Schluss ziehen muss, dass ich überhaupt nur eine einzige Generation verfolgt habe, abgesehen von den durch Teilung entstandenen Zwischengenerationen. Vielleicht mochten die Tiere mithin nicht ihre normalen Existenzbedingungen antreffen, vielleicht mochten sie sich in der oben angedeuteten Weise selbst zu Grunde richten, Umstände,

welche möglicherweise ihre Enzystierung veranlassten oder beschleunigten.

Konnten somit wenigstens am lebenden Tier eine Reihe von sich ergänzenden und bestätigenden Beobachtungen angestellt werden, so missglückte eine gute Abtötung und Conservierung vollständig, ein Umstand, der wahrscheinlich für die Genealogie unserer Salinella von hervorragender Bedeutung sein wird. Besonders zu bedauern ist, dass es mir nicht gelang, ein einziges Exemplar zu einem brauchbaren Dauerpräparat zu machen. Bekanntlich ist ja die Conservierung auch der Infusorien eine recht schwierige, da sie so leicht zerfliessen, was sich bei den zu Geweben zusammengeschlossenen Zellen kaum in dem Maasse ereignet. Dasselbe Zerfliessen trat nun auch hier ein, und nur einzelne Zellen glückte es festzuhalten (Fig. 11). Diese boten freilich viel Interessantes dar.

Nachdem nunmehr schon eine Anzahl biologischer Eigentümlichkeiten besprochen worden sind, gehen wir zur Morphologie unserer Salinella über.

Salinella1) nov. gen.

Schlauch- oder wurst förmig, turbellarienähnlich, vorn und hinten rundlich zugespitzt. Dorso-ventral abgeplattet, bilateral. Mässige, kontraktile Gestaltsveränderungen. Zwei bis zwei und ein halb mal so lang als breit, etwas breiter als hoch. Länge normal Länge normal = 0,18 bis 0,22 mm.

Vielzellig, Körperwand einschichtig. Bauchfläche fein bewimpert, Rücken und Seiten kurz borstig. Mund vorn, subterminal-ventral, mit stärkeren Zirren. After terminal, mit steifen Borsten. Innere Darmhöhle der Körpergestalt ähnlich, mit längeren Zilien.

Fortpflanzung durch Querteilung, wie auch durch Encystierung mit vorangehender Conjugation. Jugendform (Larve) einzellig.

Wohnort: Salinensalz-Lösung (2 pCt.). Córdoba (Argentinien).

Eine Species: S. salve nov. spec. mit den Charakteren der Gattung.

Die äussere Gestalt der Salinella ist eine solche, wie man sie weniger bei Protozoen, als vielmehr oft bei den Würmern antrifft, so bei manchen Trematoden und vielen rhabdocoelen Strudelwürmern. Denkt man sich einen Cylinder, vorn mehr zugespitzt, hinten mehr halbkugelig abgerundet und auf seiner Unterlage von

1) Das Salinentierchen, von Salina, die Saline.

« PreviousContinue »