Page images
PDF
EPUB

Fischerei und Jagd in den russischen

Gewässern.

Von

Dr. O. Grimm*).

Uebersetzt von G. Josephy.

I. Ein Ueberblick über die Wasserbecken Russlands und ihre Eigenthümlichkeiten.

In Folge seiner geographischen Lage ist das russische Reich arm an See-Fischereien.

Das unwirthliche, düstere Eismeer bietet bei seiner ewigen Eisdecke, seinem kurzen Sommer und seiner fast unbewohnten Küste keine Bedingungen, welche eine Entwicklung der Fischerei begünstigen könnten.

Es ist

Die Ost-See und das schwarze Meer, von Ländermassen umgebene, salzarme Gewässer, halten dadurch ebenso wie durch ihre Entstehung die Mitte zwischen Salzmeer und Binnen-See. Sie besitzen eine ärmliche gemischte Fauna und ausserdem sind die Vertreter der Thierwelt der Ost-See durch geringe Grösse ausgezeichnet, während das schwarze Meer zu Folge seiner dicht bei der Küste beginnenden Tiefe keine Bedingungen darbietet, welche das Gedeihen der meisten Fische, Seehunde u. s. w. begünstigen könnten. ganz anders bezüglich der Fluss-Systeme und jener Becken, welche trotz ihres brackigen Wassers nach Ursprung und Fauna in eine Categorie mit dem kaspischen, dem asoffschen Meere und dem Aralsee gehören. Die letzteren bieten so günstige Bedingungen für das Fortkommen der Fische, dass die Fischereien, die auf diesen Gewässern ausgeübt werden uns nicht nur hinlänglich für den Mangel an ergiebigen See-Fischereien entschädigen, sondern sogar unter den

*),,Fishing and Hunting on Russian Waters by Dr. O. Grimm. St. Petersburg 1883." 8°. 55 S. International Fisheries Exhibition, London 1883. In der Uebersetzung sind nur die Abschnitte I u. II wiedergegeben (S. 1—18), Abschnitt III-XI behandeln das Praktische. Einige Zusätze zu dieser Uebersetzung verdanken wir der Güte des Autors; dieselben sind durch eckige Klammern kenntlich gemacht.

Fischereien der Erde eine hervorragende Stelle einnehmen, wie sich bei einer Prüfung der in diesen Wassern erzielten Resultate zeigen wird.

Ganz Russland, besonders sein Grenzgebiet besitzt eine Menge Salz- und Süsswasser-Seen, sowie eine grosse Zahl von Flüssen. Im europäischen Russland allein befinden sich:

Das kaspische Meer welches einnimmt 8413,25 Meilen.

Das Asoffsche Meer

[merged small][merged small][ocr errors]
[blocks in formation]
[ocr errors]

336,60

[ocr errors]

Der Onegasee

[merged small][ocr errors][ocr errors][ocr errors]

Der Peipus-u. Pskoffsee

[merged small][ocr errors][ocr errors]

Der Beloësee

21,40

[ocr errors]
[ocr errors]
[merged small][ocr errors][merged small][ocr errors]
[ocr errors]

Der Latschesee

19,10

[ocr errors][ocr errors]

Der Kubinskysee

[merged small][ocr errors][ocr errors][merged small][merged small]

Der Seligersee Ausserdem sind mehrere tausend kleinere Seen vorhanden, welche zusammen nicht weniger als tausend Quadratmeilen bedecken. Es giebt im europäischen Russland vierundachtzig schiffbare Ströme, welche zusammen 30,106 Werst lang sind. Mehrere von diesen sind fünf Werst breit, wobei die Menge besonderer Mündungen, welche einen grossen Flächenraum bedecken, ausser Acht gelassen ist.

Obgleich diese Wassergebiete Thiere besitzen, welche allen gemeinsam sind, so haben sie doch auch ihre besondren Vertreter, welche ihre Thierwelt kennzeichnen und so Ursprung und Geschichte jedes einzelnen Gebietes uns lehren.

Das europäische Russland ist in die folgenden Gebiete eingetheilt:

1. Das Gebiet des arktischen und weissen Meeres. Dieses besitzt die der arktischen Zone eigenthümliche Fauna, dargestellt durch eine Unzahl Amphipoden und Isopoden als Vertreter der Crustaceen, durch Salmoniden und Gadiden als Vertreter der Fische und Pinnipedien und Cetaceen als Vertreter der Säugethiere.

2. Das Gebiet der Ost-See. Dieses begreift in sich die OstSee selbst nebst den in sie mündenden Strömen sowie den LadogaOnega-, Ilmen-, Peipus-See und eine Menge kleiner Seen. Dies Gebiet ist eine neuere Bildung und nimmt ungefähr das Gletschergebiet der sogenannten Glacial-Periode ein. Die Ost-See hing eine Zeit lang durch die Wassermassen des Onegasees nach Norden hin mit dem Eismeer zusammen. Dadurch haben einige Thiere des weissen Meeres ihren Weg in die Ost-See gefunden. Diese bilden übrigens nur etwa 5% der Ost-See-Fauna, während 95% aus der Nord-See und dem atlantischen Ocean stammen. Die Ost-See besitzt keine eigne selbstständige Fauna nur einige unbedeutende Varietäten (Tellina solidula var. baltica) haben sich in ihr entwickelt, nicht zu sprechen von den vielen Fällen, in denen die Grösse der Thiere sich verringert hat, wodurch allerdings die Auf

stellung selbstständiger Formen veranlasst wurde (Clupea harengus var. membras, Osmerus eperlanus var. spirinchus, Mysis aculeata var. relicta). Doch ist diese Neuaufstellung nur durch Leute geschehen, welche eben neue Arten finden wollten. Im Vergleich mit den übrigen russischen Gebieten sind der gemeine Krebs (Astacus fluviatilis) und der Aal (Anguilla vulgaris) die bezeichnendsten Thiere.

3. Das Gebiet des schwarzen Meeres. Dieses zerfällt durch den Charakter seiner Fauna in zwei verschiedene Theile. - a) das eigentliche schwarze Meer, welches eine Mittelmeer-Fauna besitzt, deren Angehörige durch das Marmora-Meer in den Pontus eingedrungen sind und noch eindringen, wobei sie hauptsächlich an der Küste von Klein-Asien entlang nach Osten ziehen. b) das Gebiet von Asoff und Cherson, welches aus dem asoffschen Meere und der Nordwest-Ecke des schwarzen Meeres besteht und den Dnieper, Bug und Dniester aufnimmt. Dieses Gebiet ist durch die Krim in zwei Theile getheilt, welche mehr oder weniger mit dem schwarzen Meer in Verbindung stehen und von diesem ihre Mittelmeerfauna entlehnt haben; aber da sie Salzwasser führen, so haben sie bis auf den heutigen Tag die Fauna des ponto-aralo-kaspischen Gebietes bewahrt, zu welchem sie einst gehörten.

4) Das kaspische Gebiet. Dies ist das grösste in Hinblick auf den Flächenraum, den sein Fluss-System einnimmt und zu gleicher Zeit ist es das wichtigste rücksichtlich seiner Fischerei.

Um die Zusammensetzung der kaspischen Fauna zu verstehen, muss man auf die Entstehung dieses Gebiets einen Blick werfen.

Das sarmatische Becken, welches zur Miocen-Zeit existirte, bedeckte den grössten Theil des heutigen Süd-Russlands und MittelEuropas und bestand aus vielen zusammen hängenden Becken. Während der Pliocen-Zeit verlor es bedeutend an Grösse und schliesslich schrumpfte es zu dem noch kleineren postpliocenen zusammen, welches wir das Ponto-Aralo-Kaspische nennen können. Vielleicht wurde dies Becken durch die Bergkette des Kaukasus und der Krim getheilt, welche sich in der Richtung auf die Donau hin erstrecken; dies sieht man an der Verschiedenheit der Fauna nicht nur des asoffschen Meeres, sondern auch des Cherson-Theiles des schwarzen Meeres.

Ausser den oben erwähnten Theilen des schwarzen Meeres begreift dies Gebiet das kaspische Meer in sich, welches mit dem asoffschen Meere durch einen engen Kanal zusammenhängt, der das Flussthal des Manitsch entlang lief und die Wolga entlang fast bis Samara reichte. Im Süd-Osten wendete sich dieses Becken, die Halbinsel Mantschischlon von Süden her abrundend, nach Norden, umfasste den ganzen Aralsee und dehnte sich nach dem Osten des Urals und dem Eismeer aus.

Aber die Verbindung dieses salzwasserhaltigen Cherso-AraloKaspischen Beckens mit dem Eismeer wurde bald unterbrochen und das Becken wurde von der asiatischen Seite her beträchtlich verkleinert.

Arch, f. Naturgesch. Jahrg. 1892. Bd. 1, H. 2.

13

[ocr errors]

Durch das in Folge der Hebung des Festlandes eintretende Zurückweichen des Wassers von der Ostküste entstanden die landumschlossnen Buchten des Caspisees, ausgezeichnet durch ihre starke Verdunstung und das Fehlen von Süsswasser-Zufluss. In Folge dieser letzten beiden Ursachen, wurden diese Buchten, welche sich mit dem Brackwasser des Kaspisees wieder füllten, sehr salzig und einige von ihnen bildeten Salzseen (Elton, Baskuntschak u. s. w.), während ein Theil, nämlich der grösste von ihnen, der Aral, so salzhaltig wurde, dass nur diejenigen Thiere in ihm zurückblieben, welche im Stande waren in derartigem Wasser ihr Leben zu fristen (wir finden die Aral-Fauna in den Salz-Becken des östlichen Caspisees). Später erhielt dieser Theil dadurch, dass der Amu-Darja seinen Lauf änderte, wieder einen Zufluss von Süsswasser, er vergrösserte sich und trotzdem seine Wasser weniger salzhaltig sind, als die des Kaspisees, so hat er doch bis jetzt die ärmliche Fauna der salzreichen Buchten des letzteren behalten. Dieser Vorgang, nämlich das Entstehen eines Salz-Sees aus einer Bucht des Kaspisees kann noch gegenwärtig beobachtet werden am Karabugaz-See, dessen Wasser mit Salz übersättigt ist und der täglich noch vom Kaspisee 32,000,000 Pud Salz empfängt. Mit der Hebung des östlichen Ufers ergossen sich die Wasser des Kaspisees nach Norden in das Thal der Wolga und des Ural, aber lange Zeit hing dies Becken noch mit dem asoffschen Meere durch das Kuma-Manitsch System zusammen. All diese Entwicklungsstufen des kaspischen und asoffschen Meeres und des Aralsees finden einen entschiedenen Ausdruck in der Fauna dieser Gewässer, wie die Erforschung des Kaspisees lehrte. In grossen Tiefen des Kaspisees finden wir bis auf den heutigen Tag Formen, welche die sogenannte sarmatische Schicht der Miocen-Periode kennzeichnen wie die Mollusken Dreyssena brardi, Dreyssena rostriformis, Cardium catillus, Planorbis micromphalus (bis zur Tiefe von 150 Faden). In einer Tiefe von 150 bis 160 Faden finden wir Vertreter der aralo-kaspischen Schicht der Postpliocen-Periode wie Cardium pseudocatillus, Cardium baeri, Angehörige der Gattung Adacna, Dreyssena, Caspia u. s. w. In einer Tiefe von fünfzehn Faden finden wir nur alte Formen und solche, welche sich in der neusten Zeit entwickelt haben.

Dies sind neue Formen welche sich neuen Lebensbedingungen angepasst haben wie Cardium edule, Cardium longipes, Neritina liturata, Hydrobia stagnalis.

Von den übrigen Kreisen des Thierreichs, welche in den Schichten der oben erwähnten geologischen Epochen keine Spur ihres Daseins hinterlassen haben, finden wir im Kaspisee die folgenden typischen Gruppen:

(Von Algen treffen wir Laguncula und Bowerbankia.)

Von Schwämmen haben wir Mitglieder der Familie der Renieridae. Von Würmern finden wir mit Ausnahme von Süss- und SalzwasserThieren nur ein Mitglied der Egel-Familie (Archiobdella esmonti) und einige Vertreter der Gattung Amphicteis.

Von Crustaceen finden sich ausser einigen See-bewohnenden Copepoden (wie z. B. dem hochinteressanten Bythotrephes socialis) hundert Arten Gammariden, eine Anzahl Mysiden, Idotea entomon und Cumacea, nicht zu erwähnen Astacus leptodactylus und Astacus pachypus, von welchen der letztere ein kennzeichnender Vertreter des cherso-kaspischen Gebietes ist.

Von Fischen sind die bezeichnendsten die Gobiidae als Eingeborne, die Cyprinidae als Einwandrer von Inner-Asien, die Acipenseridae und Salmonidae als Wandrer von Norden. Der Seehund (Phoca caspia) muss natürlich zu den nördlichen Einwandrern gerechnet werden.

So zeigt der Kaspisee in seiner heutigen Thierwelt die Eigentümlichkeiten eines brackigen Seees der Tertiärzeit, bereichert durch hauptsächlich von Norden stammende Einwandrer.

Hinsichtlich der Menge der verschiedenen Amphipoden, Angehöriger der Familie der Gammariden, entspricht die kaspische Fauna der des Baikalsees und des obern Sees in Nord-Amerika.

Obgleich die Flusssysteme, welche sich in diese Becken ergiessen, vollkommen unabhängig von einander sind und jedes von ihnen seine eigne Fauna hat, so stehen sie doch in ihren Quellgebieten durch Flüsschen und Seeen mit einander in Verbindung und durch diese, sowie durch künstlich hergestellte Verbindungen (Kanäle) können diejenigen Thiere, welche bis zu den Quellen der Flüsse hinaufsteigen, von einem System in das andere gelangen.

Auf diese Art ist erst vor kurzem der Sterlet von der Wolga durch den Fluss Scheksna, den Prinz-Würtemberg-Kanal und den Kubinskysee in den Sukhena und die Nord-Dwina gewandert. Die Seeen-Varietät des Stint hat ihren Weg vom Gebiet der Ost-See, aus dem Welasee durch den verbindenden Kanal in den Schlinosee und durch den Schlinafluss in den Metinosee gefunden. Zuweilen kommt es auch vor, dass der Aal aus der Ost-See seinen Weg in den Seligersee und in den Don findet.

II. Ein Verzeichniss der Fische des europäischen Russlands mit Angabe ihrer geographischen Verbreitung.*)

1. Gasterosteus aculeatus L. Im Eismeer, dem weissen Meer und der Ost-See, nebst den in diese mündenden Flüssen bis nach Kamtschatka hin. Selten in den zum schwarzen Meer fliessenden Strömen.

2. Gasterosteus pungitius L. An denselben Stellen.

*) Der Autor hat der möglichsten Vollständigkeit halber offenbar mehrere Arten mitaufgeführt, die zwar in der Litteratur der betreffenden Meere sich finden, aber schwerlich Russlands Gewässer selbst erreichen, z. B. in der Ostsee Acanthias, Mullus, Hippocampus, Myxine. Der Herausgeber.

« PreviousContinue »