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1846 Nr. 1.

Gelehrte Anzeigen

München.

Nro. 1.

herausgegeben von Mitgliedern

der k. bayer. Akademie der Wissenschaften.

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1) Die von Seiner Erlaucht dem Herrn Gra fen Wilhelm von Württemberg mittelst Schreiben v.. 14. Nov. und 3. Dec. an den Classensecretär eingesen deten Geschenke für die Akademie, nämlich die ersten zwen Hefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg, und die von dem k. topo graphisch - statistischen Bureau herausgegebene Karte des Königreichs Württemberg, im Maaßstabe von 5000ō, zur Zeit aus 34 Blättern bestehend, wurden vorgelegt.

2) Außerdem wurden mehrere Communicationen von der Société R. des Sciences, de l'Agricul

ture et des Arts zu Lille, der Zoological Society of London, der Oberlausit'schen Gesellschaft der W. zu Görlik, der Asiatic Society of Bengal zu Calcutta verlesen.

Die k. preußische Akademie gemeinnüßiger Wissenschaften zu Erfurt übersandte das Programm folgender Preisaufgabe:

,,durch neue Versuche außer Zweifel zu sehen, ob bey der Ernährung und Ausbildung der Pflanzen und Thiere Veränderungen in den in ihnen ent haltenen chemisch einfachen Stoffen vorgehen, so daß ein Theil ihrer Bestandtheile bloß durch Umwandlung anderer chemisch einfacher Stoffe erzeugt wird, oder ob dieß nicht der Fall ist,

1. Januar.

1846.

sondern die für jene Annahme scheinbar sprechenden Versuche andere Erklärungen zulassen ?" 3) Briefliche Mittheilungen von Privaten wurden verlesen:

a) Von Herrn Justus Liebig in Gießen. b) Von Hrn. Georg Jäger in Stuttgart.

Derselbe schickte eine kurze Nachricht ein über einige in dem Thal von Marathon aufgefundene fossile Knochen. Diese Knochen waren ihm durch einen in Griechenland sich aufhaltenden Württembergischen Architekten zugekommen und gehören dem Pferde und einer Hirschart, wahrscheinlich dem gewöhnlichen Reh zu. Nach der anhängenden Erde zu schließen, war der Boden, in dem sie gelegen hatten, ein ziegelrother zarter Leimen, der mehr fein geschlemmter lemnischer Erde oder armenischem Bolus als dem gewöhnlichen Diluvialmergel ähnlich war. Bey mehreren dieser Knochen ist die innere Oberfläche mit Kalkspathkrystallen besezt oder ihre Höhlung ganz mit Kalkspath ausgefüllt. Schließlich macht Hr. Dr. Jäger bemerklich, daß der von Hrn. Akademiker A. Wagner zur Bezeichnung eines am Fuße des Pentelikon gefundenen urweltlichen Raubthieres gewählte Name Galeotherium von ihm zufällig auch einem reißenden Thiere aus den Bohnerzgruben der schwäbischen Alb gegeben worden sey, das sich aber generisch von jenem unterscheide.

Hr. Akademiker A. Wagner knüpfte an diese Mittheilung die Bemerkung an, daß die fossilen Knochen vom Thale von Marathon in ähnlichen Lagerungsverhältnissen und in demselben rothen Leimen wie die am Fuße des Pentelikon ausgegrabenen und von ihm beschriebeneu vorzukommen scheinen

und daß auch bey diesen die innere Wandung der Röhrenknochen häufig mit Kalkspathkrystallen (durch einen Schreibfehler hat er in der gedruckten Abhand: lung Quarzkrystalle angegeben) beseht sind.

c) Von Hrn. Manz in Eßlingen.

d) Von Hrn. Walter Crum in Glasgow, beyde über die Kartoffelkrankheit (letteres Schreiben an Hrn. Akademiker Vogel).

4) Hr. Asa Gray, Secretär der Academy of Science, Litterature and Arts in Boston, übersendet die Berichte des Prof. Aler. D. Bache an das Finanzministerium über den Fortschritt in der Herstellung der Normal-Gewichte, Maaße und Waagen für die Vereinigten Staaten im Jahre 1844; und über die in letzter Zeit, bis zum November 1844, ausgeführten Aufnahmen von den Küsten der Union. Diese Operationen sind an den Küsten von 9 Staaten: Massachussets, Rhode Is land, Connecticut, New-York, New-Jersey, Pennsylvanien, Delaware, Maryland, Nordcarolina weiter geführt worden und sollen alsbald auch auf Alabama, Mississipi und Louisiana ausgedehnt werden. Die größte Thätigkeit ist in der Cheasepeak und Delaware Bay und in deren Nachbarschaft entwickelt worden.

5) Hr. Akademiker Prof. 3uccarini verlas einen durch höchstes Ministerialrescript vom 20. Nov. verlangten Bericht über die Arracacha: Pflanze.

Die ersten Nachrichten über die Arracacha ka men Anfangs dieses Jahrhunderts nach Europa. Man wußte aber nur, daß in Neu-Granada eine Pflanze vorkomme, deren starke Wurzelknollen gleich den Kartoffeln gegessen werden und vermuthete, daß dieselbe gleichfalls ein Solanum sey.

Durch Vargas aus S. Fé de Bogota (König and Sims Annals of Botany 1805 überseht von Friese Nr. 2. S. 400) erfuhr man, daß sie zu den Doldengewächsen gehöre und wegen ihrer Aehn

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lichkeit mit dem Sellery von den Spaniern Apio genannt werde. Gleich den Kartoffeln gedeihe sie nicht in den heißen Niederungen von Neu-Granada, treibe selbst am Fuße der Cordilleren zwar viele Stengel, aber nur kleine und unschmackhafte Knollen und stehe erst in den hohen Gebirgsgegenden bey einer mittleren Temperatur des Jahres von 58 60° Fahrenh. (15° Cels., 12° R.) in ihrem vollen Ertrag. Die Knollen seyen sehr schmackhaft, leicht verdaulich für Kranke, lieferten vortreffliches Mehl zu Bäckereyen und Stärke, dienten auch zum Branntweinbrennen und würden überhaupt den Kartoffeln fast vorgezogen. Man habe weiße, gelbe und rothe Spielarten. Die Vermehrung geschehe durch Knollen, weil die Pflanze cultivirt nie Saamen mache; die Erndte erfolge nach 3 4 Monaten; ließe man aber die Knollen 6 Monate im Boden, so würden fie ohne Nachtheil für den Geschmack bedeutend größer. Zur Cultur verlange die Pflanze tiefen schwarzgründigen Boden. Außer Neu-Granada sey fie nirgends in Amerika bekannt.

Das Gewächs selbst bekam man in Europa erst ungefähr 15 Jahre später zu Gesicht. Hum boldt glaubte dasselbe zwar in den Hochgebirgen der Provinz de los Pastos bey Teindela (8500′ ű. d. M.) gefunden zu haben, es ergab sich aber später, daß diese von Kunth (Nov. gen. et specc. v. p. 14. tab. 420) als Conium moschatum be schriebene Pflanze nicht die ächte Urracacha, sondern nur eine derselben verwandte Art (A. moschata) sey.

Sie

Die ersten Knollen schickte Baron v. Shack aus Trinidad um das Jahr 1818 nach Europa und zwar an die Hortic. Society in London und an die Gärten in Liverpool und Glasgow. wurden überall sorgfältig cultivirt, gingen aber ohne Knollen oder Saamen anzusehen, ja größtentheils blühte eine Pflanze anderweitig eingeführt im boohne nur zu blühen, zu Grunde. Im Jahre 1824 tanischen Garten zu Liverpool und wurde zum er stenmal von Hooker (Exotic. Flora part. XXI. Edinb. 1825 p. 468) ausführlich beschrieben. Unterdessen hatte Dr. Ed. Nath. Bancroft dieselbe aus S. Fé nach Jamaika übersiedelt und eine gründ liche Abhandlung darüber in den Transactions of

the Agric. and Horticultural Society of Jamaica (July 1825) niedergelegt. Diese in Europa wenig bekannte Arbeit verbreitete Hooker später im Botanical Magazine Vol. 58 und gab tab. 3092 eine neue Abbildung der Pflanze. Bancroft fand, daß dieselbe eine eigene Gattung bilden müsse, welche er nach dem bey den Indianern üblichen Namen Arracacha nannte. In Jamaika gedieh sie gleichfalls nur in den Gebirgen. Den Geschmack der Knollen fand er nicht so angenehm als frühere Berichterstatter (vielleicht weil die Pflanze in Jamaika weniger gedieh). Er halte das Mittel zwischen Pastinak und Kartoffel und man müsse sich erst daran gewöhnen. Ueber die Cultur in Bogota sagt er, daß die Knollen 15 18" von einander gelegt und die Stengelspihen, sobald sich die Pflanze zum Blühen anschickt, abgeschnitten werden, weil das Blühen der Knollen-Entwicklung hinderlich sey. Auch müssen die Stöcke behäufelt werden. Nach Bancroft ist weder besonders guter Boden noch viele Feuchtigkeit zum Gedeihen nöthig, aber die Knollen brauchen sechs Monate zur Entwicklung. In Bogota und Popayan habe man sie in Folge successiver Anpflanzung das ganze Jahr hindurch. Die zur Fortpflanzung geeigneten Knollen seyen verschieden von denen, welche zur Nahrung dienen. Erstere seyen kleiner, entspringen am Wurzelhalse gleich unter dem Boden, richteten sich aufwärts und trügen mehrere von häutigen Scheiden umgebene Knospen (vgl. die Abbildung bey De Candolle ́ ́(cinquième notice sur les plantes râres du jardin de Genève 1830 tab. 1). Die eßbaren Knollen wüchsen unter den vorigen in der Tiefe, 810 an Zahl, würden 8 9" lang und 2 21" dick (ältere Schriftsteller vergleichen sie an Gestalt mit Kuhhörnern). Man nenne fie in Bogota hijos (Söhne), während die Hauptwurzel mit den Saatknollen Madre heißt.

Bancroft schickte gleichfalls Knollen nach Kew, London u. s. w. Der Erfolg war nicht günstiger als der der Shack'schen Sendung. Endlich erhielt De Candolle (vgl. die oben angeführte Abhandlung) im Jahre 1830 gleichfalls eine Anzahl Knollen von dem bereits erwähnten eifrigen Naturforscher Vargas in Trinidad. Er vertheilte dieselben an die Gärten

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Florenz, aber allenthalben starben die Pflanzen noch von Genf, Montpellier, Toulon, Turin, Tarascon, in demselben Jahre ohne Saamen oder Knollen zu bilden. Gleich ungünstiges Resultat hatten die Culturversuche in dem Agricultur-Institut zu Fromont. Auch der hiesige königl. botanische Garten besaß die Pflanze nur einen Sommer hindurch aus England. Seitdem sind meines Wissens keine weitern Versuche mit Acclimatisation der Urracacha gemacht worden, bis kürzlich Bossingault die Sache wieder anregte.

Ich glaube nicht, daß die Cultur der Pflanze in Deutschland je gelingen dürfte! Abgesehen davon, daß die vielen mißglückten Versuche in England, Frankreich und Italien jedenfalls auf große Schwierigkeiten in der Acclimatisation hinweisen, sagt schon Vargas, fie gedeihe am besten bey einer mittlern Jahrestemperatur von 58 60° Fahrenh., 15° Cels., 12° Reaum.

Nun beträgt aber die mittlere Temperatur in München beyläufig 7° R. oder 47, 75 Fahrenh. und selbst die Weingegenden Frankens und der Pfalz kommen nur auf 10° R. Rechnet man dazu noch die große Differenz des Sonnenstandes (in S. Fé unter 50 nördl. Br. ist das ganze Jahr Tag und Nacht gleich), den in jenen Gegenden so stabilen Verlauf der einzigen beyden Jahreszeiten und den Einfluß der Hize aus den tropischen Niederungen selbst auf die Hochgebirge während des Sommers, so darf man wohl keine Hoffnung hegen, die Arracacha der Zahl unserer Feldfrüchte einverleiben zu können.

6) Hr. Akademiker Erdl las über die von Hrn.
Dr. Guyon eingesendeten Schädel von
Eingebornen aus der Regentschaft
Algier.

Durch die Vermittlung unseres Hrn. Classen: secretärs kam der anatomischen Sammlung des Staates ein im Anfange August des gegenwärtigen Jahres

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von Hrn. Dr. Guyon in Algier eingesandtes' Ge= schenk, bestehend in sechs Schädeln und drey mumisirten Köpfen von Eingebornen der Regentschaft Algier zu. Die Schädel so wie die mumisirten Köpfe find vortrefflich präparirt und erhalten. Dieses Geschenk bildet eine sehr wesentliche Bereicherung unserer Sammlungen, in welcher sich von diesen Völkern bisher nichts vorfand und verpflichtet zum wärmsten Dank für den Geber, der so fördersam bey der wissenschaftlichen Untersuchung Algeriens thätig ist.

In der heutigen Regentschaft Algier unterscheidet man gewöhnlich folgende Völker: Kabylen, Luskerihs, Mauren, Araber, Neger, Kuluglis nebst Juden, Türken und Europäern.

Unter diesen sind jedenfalls die Kabylen die merkwürdigsten. Sie sind nur ein Zweig des Berbern-Stammes, jedenfalls Abkömmlinge der Gätuli der Alten und Stammverwandte mit den Guanchen der kanarischen Inseln, Nach den Sagen der Araber follen fie von den Amalekitern und den Kananitern abstammen, die durch Sauls und Davids Kämpfe geschwächt, durch Hiskia theils aufgerieben, theils aus ihrer Heimath vertrieben wurden. Merkwürdig ist in Beziehung auf diese Sage eine von Hodgson (Transact. of the philos. soc. of Philad.) heraus gehobene Eigenthümlichkeit der Berbernsprache, welche sonst nur die persische Sprache befiht. Auch zeigen fie eine große Verbreitung in Afrika, finden fich schon in den oberen Nilgegenden überhaupt, besonders aber in Nubien unter den Namen Bara bas. Im nordwestlichen Afrika haben sie aber ihren Hauptaufenthalt und kommen daselbst sogar mit verschiedener Hautfarbe vor. Als Amazirghen bewohnen sie die inneren Partien des marokanischen Antheiles des Atlas, und haben eine ziemlich weiße Hautfarbe. Als Schellächen, von ziemlich dunk ler, bräunlicher Farbe der Haut bebauen sie die westlichen Abhänge dieses Gebirges und als dunkelbraune, manchmal fast kupferrothe Kabylen pflegen fie Feld- und Gartenbau in den höheren Regionen des Atlas, oder treiben als Nomaden ihre Heerden durch die Ebenen in dem Gebiete von Algier.

Die Luskeris oder Mozabs leben an den süd

lichen Abhängen des Atlas und gehören offenbar zu den Kabylen.

Die Mauren, vorzugsweise die Bewohner der Städte, bilden ein Gemisch von mauritanischen, phönizischen, römischen, vandalischen und arabischen Stämmen und zeigen besonders in ihren physischen Eigenschaften am meisten Verwandtschaft mit lesteren.

Die Araber zerfallen in Städter und Landbewohner. Als lettere sind sie unter dem Namen Beduinen ihren Nachbarn nicht minder als den Eu ropärern durch ihre unbändige vom grellsten Fanatismus gestachelte Wildheit furchtbar geworden.

Die Neger, auch Abyd (Sklaven) oder Sudans (Schwarze) genannt, find aus den verschiedensten Theilen des inneren und westlichen Afrikas zusammen gebracht und als Sklaven hieher geschleppt worden. Seitdem die Araber in diesen Theil von Afrika herüber gedrungen waren und unter den heidnischen Negern ihren Glauben zu verbreiten suchten, haben sie, wie sie noch heut zu Tage am Tschadsee und an der oberen Quorra thun, in großen Treibjagden die Schwarzen im Sudan und an der Westküste von Afrika zusammengefangen und in zahlreichen Schaaren an ihre wichtigeren Concentrationspunkte verführt.

Die Kuluglis, d. h. Soldatensöhne, von türkisch-maurischer Abkunft, find Stadtbewohner und wenig zahlreich.

(Schluß folgt.)

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