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überflüssig. Am Fuße eines jeden Käfigs schreibt er den Namen des Lasters an, das er darin eingesperrt hat, und fügt die von der heiligen Schrift verkündete Verdammung hinzu; er zeigt es in seiner Häßlichkeit, er taucht es ein in seinen Schmuß, er schleppt es zu seiner Bestrafung, so daß selbst das verdorbenste Gewissen es erkennen, daß selbst das verhärteste Gewissen es verabscheuen muß.

Man beachte wohl, das sind Lehren, die ihren Eindruck nicht verfehlen: die eine ist gegen den Gin. An einer Treppe liegt auf offener Straße ein betrunkenes, halbnacktes Weib, mit herabhängenden Brüsten, scrophulösen Beinen; sie lacht blödsinnig, und ihr Kind, das sie auf das Pflaster fallen läßt, zerschmettert sich den Schädel. Darunter ein bleiches Gerippe, das mit geschlossenen Augen, sein Glas in der Hand, niedersinkt. Ringsherum stürzen die Orgie und das Delirium zerlumpte, gespensterhafte Erscheinungen gegeneinander. Ein Elender, der sich gehängt hat, schwankt in einer Mansarde hin und her. Todtengräber werfen den nackten Leichnam einer Frau in den Sarg. Ein ausgehungerter Mensch nagt zugleich mit einem Hunde an einem fleischlosen Knochen. Neben ihm trinken sich kleine Mädchen einander zu, und eine junge Frau läßt ihren Säugling Gin verschlucken. Ein Wahnsinniger spießt sein Kind auf und hält es in die Höhe; er tanzt lachend, und die Mutter schaut zu.

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Noch ein Bild und eine Lehre, dieses Mal gegen die Grausamkeit. Ein barbarischer junger Mann hat einen Mord begangen und ist gehängt worden; man secirt ihn. Er liegt da auf einer Tafel, und der Professor zeigt ruhig mit seinem Stabe die Stellen an, wo präparirt werden soll. Auf dieses Zeichen schneiden und zerren die Ope= rateure. Der eine ist an den Füßen beschäftigt; ein zweiter Sachkundiger, ein alter sardonischer Schlächter, erfaßt mit der einen Hand die ihr Amt wohl verrichten wird, ein Messer und wühlt mit der anderen in den Eingeweiden, die man weiter unten auseinander nimmt, um sie in einen Eimer zu thun. Der lezte Arzt preßt das Auge heraus, und der verzerrte Mund scheint unter seiner Hand zu heulen. Mittlerweile erfaßt jein Hund das auf dem Boden liegende Herz; Schenkelknochen und Schädel kochen als die Begleitung dazu in einem Kessel, und die Doctoren ringsherum tauschen kaltblütig chirurgische

Scherze über den Cadaver aus, der Stück für Stück unter ihrem Secirmesser verschwindet.

Man wird sagen, daß nur Barbaren an solchen Lehren Geschmack finden können und daß man diese offiziellen oder weltlichen Pred iger De Foe, Hogarth, Smollet, Richardson, Johnson und die anderen nur zum Theil goutirt; ich antworte, daß die Moralisten nüglich sind und daß diese hier eine Barbarei in eine Civilisation umgewandelt haben.

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Wenn man das weite literarische Gebiet, das sich in England von der Restauration der Stuarts bis zur französischen Revolution ausbreitet, mit kurzem Blicke überschaut, so bemerkt man, daß alle Productionen, unabhängig von dem englischen Charakter, ein classisches Gepräge tragen und daß dieses Gepräge, welches jenem Gebiete eigenthümlich ist, sich weder in der vorhergehenden noch in der folgenden Periode findet. Diese herrschende Form des Denkens drängt sich von Waller bis zu Johnson, von Hobbes und Temple bis zu Robertson und Hume allen Schrifstellern auf; es gibt eine Kunst, nach der sie alle streben; die Arbeit von hundertundfünfzig Jahren, Praxis und Theorie, Erfindungen und Nachahmungen, Beispiele und Kritik, Alles wird verwendet, um sie zu erreichen. Sie begreifen nur eine einzige Art Schönheit; sie stellen nur solche Vorschriften auf, die dieselbe hervorbringen können; sie bearbeiten, überseßen und verunstalten nach ihrem Muster die großen Werke anderer Zeitalter; sie übertragen dieselbe auf alle die verschiedenen Literaturgattungen und haben dabei Erfolg oder scheitern, je nachdem sie sich ihnen anpassen kann oder nicht. Die Herrschaft dieses Stiles ist so absolut, daß sie sich den Größten aufdrängt und sie zur Ohnmacht verdammt, wenn sie ihn außerhalb seines Gebietes anwenden wollen. Die Verbreitung dieses Stiles ist so allgemein, daß sie sich bei den Mittelmäßigsten findet und sie bis zum Talent em

porhebt, wenn sie ihn innerhalb seines Gebietes anwenden*). Er ist es, der die Prosa, die Rede, den Essay, die Dissertation, die Erzählung und alle die Werke zur Vollendung bringt, die einen Theil der Conversation und Beredsamkeit bilden. Er ist es, der das alte Drama zerstört, das neue herabwürdigt, die Poesie ärmer macht und ablenkt, eine correcte, gefällige, verständige, farblose und beschränkte Geschichtsschreibung erzeugt. Dieser in jener Periode England und Frankreich gemeinsame Geist ist es, der der unendlichen Verschiedenheit der literarischen Werke seine Form aufprägt, sodaß man nicht umhin kann, in seinem überall hervortretenden Einflusse das Vorhandensein einer jener innern Kräfte anzuerkennen, die den Lauf des Menschengeistes krümmen und regeln.

Auf keinem Gebiete zeigt er sich deutlicher als in der Poesie, und zu keiner Zeit tritt er klarer zu Tage als unter der Königin Anna. Die Dichter haben so eben die Kunst erreicht, die sie ahnend erstrebt, Seit sechzig Jahren näherten sie sich derselben; sie besizen sie jezt, sie handhaben sie, schon wird sie von ihnen abgenugt und übertrieben. Auch der Stil erweist sich zu gleicher Zeit als vollendet und künstlich. Man schlage den ersten besten auf, Parnell oder Philips, Addison oder Prior, Gay oder Tickell, man findet eine bestimmte Eigenthümlichkeit des Geistes, des Versbaues, der Sprache. Man nehme den zweiten in die Hand, dieselbe Eigenthümlichkeit erscheint wieder; man könnte sagen, daß einer den anderen copirt habe. Man durchlese einen dritten: dieselbe Diktion, dieselben Apostrophen, dieselbe Manier, das Epitheton zu sehen und die Periode abzurunden. Man durchblättere die ganze Schar; von kleinen, individuellen Unterschieden abgesehen, schei= nen sie alle nach einer einzigen Form gegossen zu sein: der eine ist mehr Epikuräer, ein anderer mehr Moralist, ein dritter mehr Satiriker; aber überall herrschen edle Sprache, oratorischer Prunk, classische Correctheit; das Substantivum schreitet einher, begleitet von dem Adjektivum, seinem Ehrenkavalier; die Antithese hält die symmetrische Architectur im Gleichgewicht: das Verbum stellt sich dar, auf jeder Seite,

*) Eine Kammerzofe unter Ludwig XIV., sagt Courier, schrieb besser als der größte der modernen Schriftsteller.

wie bei Lucan und Statius, von einem mit seinem Epitheton ausge= schmückten Nomen umgeben; man könnte fast sagen, daß der Vers mit der Maschine verfertigt worden sei, so gleichförmig ist sein Bau; man vergißt, was er sagen will; man ist versucht, die Füße an seinen Fingern abzuzählen; man weiß im Voraus, welche poetischen Verzierungen ihn verschönern werden. Er zeigt eine Theatertoilette, Gegenfäße, An= spielungen, mythologische Feinheiten, griechische oder lateinische Reminiszenzen. Er zeigt eine pedantische Gründlichkeit, sentenzenreiche Ma= rimen, philosophische Gemeinpläge, moralische Entwickelungen, oratorische Genauigkeit. Man könnte meinen, eine natürliche Pflanzenfamilie vor sich zu haben; wenn auch die Größe, die Farbe, das Nebensächliche, die Namen verschieden sind, der Grundtypus va= riirt nicht; die Zahl der Staubfäden ist dieselbe, sie haben sich auf gleiche Weise um ähnliche Stempel herum angesezt, über Blättern, die nach demselben Plane geordnet sind; wer die eine kennt, kennt auch die andere; es gibt einen gemeinsamen Organismus und Bau, der die Gemeinsamkeit der anderen involvirt. Wenn man die ganze Familie überschaut, so wird man ohne Zweifel eine charakteristische Pflanze finden, die die Grundform in vollem Lichte zeigt, während diese ringsherum und nach und nach sich ändert, degenerirt und sich endlich in den umgebenden Familien verliert. So sieht man auch hier die clas= sische Kunst sich in den Zeitgenossen Pope's und vor Allem in Pope selbst concentriren, dann sich halb verwischen, mit fremden Elementen vermengen, bis sie in der nach ihr kommenden Poesie verschwindet.

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Lebensweise.
Ideen.

L

Seine

Seine unabhängige

Sein Charakter. Dürftigkeit seiner Leidenschaften und seiner
Größe seiner Eitelkeit und seines Talentes.
Lebensstellung und seine emsige Arbeit.

Im Jahre 1688 wurde im Hause eines Leinwandhändlers in Lombard Street zu London ein kleines, zartes, kränkliches Wesen ge=

boren, das, künstlich von Natur und im Voraus ganz für das Studirzim

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