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Werke der Kunst und pries sie in einem Briefe*), dessen Enthusias= mus sich ein wenig kühl, aber in feinem Stile äußert **). Man sieht, daß er die feine Bildung besaß, die man heutzutage den jungen Leuten der besseren Gesellschaft zu Theil werden läßt. Und es waren nicht läppische Vergnügungen und Wirthshausklatschereien, mit denen er sich beschäftigte. Seine geliebten lateinischen Dichter folgten ihm überall hin; er hatte sie vor der Abreise noch einmal gelesen; er recitirte ihre Verse in den Orten, die er erwähnt. Er sagt:

„Ich muß gestehen, eine der liebsten Unterhaltungen auf meinen Reisen war es für mich, gleichsam an Ort und Stelle die verschiedenen Beschreibungen zu prüfen und den natürlichen Anblick der Gegend mit den Schilderungen zu vergleichen, welche die Dichter uns davon entworfen haben“***).

Das sind die Vergnügungen eines literarischen Feinschmeckers; nichts konnte literarischer und weniger pedantisch sein, als der Bericht, den er bei seiner Rückkehr schrieb. †)

Bald führte ihn diese feine und zarte Liebhaberei zu den Denkmünzen. „Es gibt“, sagt er, „eine Verwandtschaft zwischen ihnen und der Poesie; denn sie dienen als Commentare der alten Autoren; irgend ein Bildniß der Grazien verdeutlicht irgend einen Vers des Horaz." Und über diesen Gegenstand schrieb er einen höchst anmuthigen Dialog, indem er als Personen fein gebildete Leute wählte, „die in der schönen Literatur wohlbewandert waren und die cultivirtesten Völker Europa's auf ihren Reisen besucht hatten." Er versezte die Scene an die Ufer der Themse, mitten unter kühlende Winde, die

*) A Letter to Lord Halifax, 1701.

**)

Renowned in verse each shady thicket grows

And every stream in heavenly numbers flows . . .
Where the smooth chisel all its force has shown,
And softened into flesh the rugged stone,
Here pleasing airs my ravisht soul confound

With circling notes and labyrinths of sound.

***) I must confess it was not one of the least entertainments that I met with in travelling, to examine these several descriptions, as it were, upon the spot, and to compare the natural face of the country with the landscapes that the poets have given us of it.

†) Remarks on Italy.

vom Flusse aufsteigen, und schattige Quellen, an denen das ganze Land so reich ist."*) Dann verspottete er in maßvollem, mildem Humor die Schulgelehrten, die ihr Leben in Erörterungen über die römische Toga und Fußbekleidung aufreiben, gab aber als Mann von Geschmack und Geist die Dienste an, welche die Denkmünzen der Geschichte und den schönen Künsten leisten können. Gab es jemals eine bessere Erziehung für einen literarisch gebildeten Mann der feinen Welt? Schon lange hatte er sich der Poesie der feinen Welt zugewendet, das heißt, den correcten Gelegenheitsgedichten und Schmeichelliedern. In jeder feinen Gesellschaft erstrebt man die Ausschmückung des Gedankens; man verlangt dazu schöne, seltene, glänzende Gewänder, die ihn von gewöhnlichen Gedanken unterscheiden, und deshalb wird ihm Reim, Metrum, edler Ausdruck auferlegt; man speichert für ihn einen Vorrath gewählter Ausdrücke, anerkannter Metaphern, offizieller Bilder auf, die einer aristokratischen Kleidung gleichen, mit der er sich herausstaffiren und schmücken muß. Die geistreichen Leute sind genöthigt, darin ihre Verse in einem bestimmten Stile zu schreiben, wie die anderen genöthigt sind, daran ihre Spizen nach einem bestimmten Muster zu tragen. Addison legte dieses Costüm an und trug es mit tadelloser Ungezwungenheit, indem er ohne Schwierigkeit von einer Gewohnheit zu einer anderen, ähnlichen, von lateinischen zu englischen Versen überging. Sein Hauptwert „The Campaign❝**) ist das ausgezeichnete Muster eines angemessenen und classischen Stiles. Jeder Vers ist gehaltvoll und in sich vollendet, mit einer geschickten Antithese, einem hübschen Epitheton oder einem kurzen Bilde versehen. Die Länder tragen gewähltere Namen: Italien heißt Ausonien, das schwarze Meer ist das schthische Meer; es gibt Berge von Todten, einen durch Lucian sanctionirten Aufwand von Beredsamkeit; es gibt hübsche, dem Ovid nachgeahmte oratorische Kunstgriffe; die Kanonen

*) They were all three very well versed in the politer parts of learning, and had travelled into the most refined nations of Europe

Their design was to pass away the heat of the summer among the fresh breezes that rise from the river, and the agreeable mixture of shades and fountains, in which the whole country naturally abounds.

**) Auf den Sieg von Blenheim.

sind durch poetische Umschreibungen bezeichnet, wie später bei Delille.*) Das ganze Gedicht ist eine officielle, ausschmückende Verherrlichung, ähnlich derjenigen, welche später Voltaire auf den Sieg von Fontenoy verfaßte. Addison ging noch weiter: er schrieb eine Oper, ein Lustspiel und ein sehr bewundertes Trauerspiel über den Tod Cato's. Solche Arbeiten waren allerorten im vorigen Jahrhundert wie eine Eintrittskarte in den feinen Stil und in die feine Gesellschaft. Zur Zeit Voltaire's mußte ein junger Mann, wenn er die Universität verließ, seine Tragödie schreiben, wie er heutzutage einen Artikel über Nationalöconomie abfassen muß; das war damals der Beweis, daß er mit Damen conversiren konnte, wie dieses heute ein Beweis ist, daß er mit Männern zu disputiren versteht. Er lernte die Kunst zu ergößen, zu rühren, von Liebe zu reden; auf diese Weise machte er sich von trockenen Specialstudien frei; er verstand es, unter den Ereignissen und Gefühlen diejenigen auszuwählen, welche interessiren und gefallen können; er besaß die Fähigkeit, in der feinen Gesellschaft seine Stelle auszufüllen, daselbst oft anmuthig, nie anstößig zu sein. Das ist die geistige Entwickelung, die Addison durch solche Werke genommen hat; es ist von geringer Bedeutung, daß sie mittelmäßig sind; er verstand es, in ihnen die Leidenschaften, das Komische zu behandeln; er traf in seiner Oper oft lebendige, anmuthige Bilder, in seiner Tragödie manchmal einen edlen und ergreifenden Ausdruck; er machte sich frei von dem rein logischen Denken und der abstracten Dissertation; er erwarb sich die Kunst, die Moral anschaulich und die Wahrheit beredt zu machen; er wußte den Gedanken einen Ausdruck, und zwar einen anziehenden Ausdruck aufzuprägen. Auf solche Weise bildete sich der vollendete Schriftsteller, durch die Berührung mit antiker und moderner,

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. . Here shattered walls, like broken rocks, from far

Rise up in hideous views, the guilt of war;
Whilst here the vine o'er hills of ruin climbs
Industrious to conceal great Bourbon's crimes.

fremder und nationaler Urbanität, durch den Anblick der schönen Künste, den Verkehr mit der vornehmen Welt und die Pflege des Stils, durch eine fortwährende und feine Auswahl von Allem dessen, was die Welt und die Menschen, das Leben und die Kunst Anmuthiges bieten.

Seine Feinheit erhielt durch seinen Charakter einen eigenthümlichen Zug und Reiz. Sie war nicht äußerlich, nicht gemacht und officiell; sie kam von Herzen. Er war sanft und liebreich, von einer zarten Empfindsamkeit, so schüchtern sogar, daß er in zahlreicher Gesellschaft und vor Fremden stumm blieb und unbeholfen erschien, und nur im Kreise vertrauter Freunde seine geistige Lebhaftigkeit wiederfand, indem er sogar behauptete, eine feine Unterhaltung sei nur zu zweien möglich. Eine erbitterte Diskussion war ihm zuwider; war der Gegner schroff und unzugänglich, so gab er ihm scheinbar Recht und verwickelte ihn als alleinige Strafe behutsam immer tiefer in seine Thorheit. Er hielt sich mit Vorliebe von den politischen Streitfragen fern; als er aufgefordert wurde, sie in seinem Spectator zu erörtern, beschränkte er sich auf harmlose und allgemeine Gegenstände, die Alle interessiren, Niemanden beleidigen konnten. Es wäre ihm schmerzlich gewesen, einem Anderen Schmerz zu bereiten. Obgleich ein entschiedener und treuer Anhänger der Whigs, blieb er doch maßvoll in der Polemik, und zu einer Zeit, wo die Sieger die Besiegten auf legale Weise zu morden und zu verderben suchten, beschränkte er sich darauf, die Schwächen der von den Torys vorgebrachten Beweisführung aufzudecken oder ihre Vorurtheile in höflicher Weise zu verspotten. In Dublin war er der erste, der zu Swift, seinem großen, durchgefallenen Gegner, hinging und ihm die Hand schüttelte. Obgleich bitter von Dennis und von Pope beleidigt, verschmähte er es doch, seinen Einfluß und seinen Geist gegen sie geltend zu machen, und rühmte Pope bis ans Ende. Wenn man seine Biographie gelesen hat, was gibt es Rührenderes, als seinen Essay über die Gutherzigkeit; man fühlt es, daß er unbewußt von sich selbst redet:

„Die größten Geister, mit denen ich verkehrt habe, zeichneten sich durch ihre Humanität aus. Es gibt keine Gesellschaft oder Conversation, die in der Welt bestehen kann ohne die Gutherzigkeit oder etwas Anderes, das ihr gleicht und sie

ersetzt. Deshalb ist die Menschheit genöthigt gewesen, eine Art künftlicher Humanität zu erfinden, die das ist, wos wir mit dem Worte Lebensart bezeichnen.“

Ohne es zu wollen, hat er hier seine eigene Anmuth und seinen eigenen Erfolg erklärt. Einige Zeilen weiter unten fährt er fort:

,,Die Gutherzigkeit ist uns angeboren; aber Gesundheit, Glück und liebevolle Behandlung von Seiten der Welt tragen viel dazu bei, sie zu pflegen und zu nähren“ *).

Es ist wiederum seine eigene Persönlichkeit, die er hier enthüllt: er war sehr glücklich, und sein Glück verbreitete sich um ihn in liebevollem Gemüth, in steter Zurückhaltung, in heiterer Fröhlichkeit. Schon auf der Schule war er berühmt; seine lateinischen Verse verschafften ihm eine Stelle als fellow in Oxford; er brachte hier zehn Jahre in ernsten Unterhaltungen und Lieblingsstudien zu. In seinem zweiundzwanzigsten Jahre ward ihm von Dryden, dem Dichterfürsten, ein glänzendes Lob zu Theil. Als er Orford verließ, gewährte ihm das Ministerium zur Vollendung seiner Studien und zur Vorbereitung für den Staatsdienst ¡eine Pension von dreihundert Pfund. Als er von seinen Reisen zurückkehrte, stellte ihn sein Gedicht über Blenheim in die ersten Reihen der Whigs. Er ward Mitglied der Parlaments, Generalsecretär für Irland, Unter - Staatssecretär, Minister. Der Haß der Parteien schonte ihn; bei der allgemeinen Niederlage der Whigs ward er wiedergewählt; während des wüthenden Kampfes der Whigs und Torys versammelten sich Whigs und Torys, um seine Tragödie Cato zu applaudiren; die unbarmherzigsten Pamphletisten respectirten ihn; seine Rechtschaffenheit, sein Talent scheinen einstimmig als über jeden Hader erhaben betrachtet zu werden. Er lebte in Ueberfluß, Thätigkeit und Auszeichnung, weise und nüglich, umgeben von der anhaltenden Bewunderung und der steten Zuneigung gelehrter

*) There is no society or conversation to be kept up in the world without good-nature or somethiug which must bear its appearance, and supply its place. For this reason, mankind have been forced to invent a kind of artificial humanity, which is what we express by the word goodbreeding... The greatest wits I have conversed with are men eminent for their humanity... Good-nature is generally born with us; health, prosperity, and kind treatment from the world are great cherishers of it, where they find it.

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