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endlich das werthlose Holz in einen funkelnden Strauß reinster Diamanten. Rochester beraubt die Liebe zunächst allen Schmuckes, und um sie desto sichrer fassen zu können, verwandelt er sie in einen Stock. All die edlen Empfindungen, all die süßen Träumereien, all der holde Zauber, jener lichte, goldne Strahl von oben, der in einem Nu unser elendes Dasein erhellt und erheitert, jene Illusion, die in der Zusammenfassung aller Kräfte unsres Seins uns Vollendung vorspiegelt in einem endlichen Wesen und ewige Wonne und Glückseligkeit finden läßt in einer flüchtigen Wallung - Alles ist dahingeschwunden, zurück bleibt nur übersättigte Gier, abgestumpfte Sinnlichkeit. Das Schlimmste dabei ist, er schreibt zu correct, ohne geist= vollen Schwung, ohne natürliches Feuer, ohne pittoreske Sinnlichkeit; seine Satiren zeigen ihn als Schüler Boileau's. Nichts ist widriger als eine frostige Obscönität. Man erträgt die obscönen Werke eines Giulio Romano und seine wollüstige Venetianische Ueppigkeit, weil hier der Genius den sinnlichen Trieb adelt und die glänzende Farben-. pracht seiner Draperien die Orgie zum Kunstwerk macht. Wir ver= zeihen Rabelais, wenn wir den tiefen Strom jugendlich frischer Lust und markiger Kraft erkannt haben, der seine Schmausereien durchzieht: wir brauchen uns blos die Nase zuzuhalten und folgen dann mitten durch Koth und Schlamm mit Bewunderung, ja mit Sympathie dem klaren Strome seiner geist- und phantasievollen Ge= danken. Aber ein Mensch, der elegant zu sein versucht und doch ge= mein und schmußig bleibt, der die Gefühle eines Lastträgers in der feinen Sprache der gebildeten Welt zu schildern unternimmt, der angelegentlichst für jede Obscönität eine passende Metapher sucht, der geflissentlich, mit Vorbedacht seine Zoten reißt, der den feinen Stil zu solchem Dienste herabwürdigt, ohne zu seiner Entschuldigung Natürlichkeit, Schwung, Genialität, Wissen anführen zu können, der gleicht einem schmutzigen Schuft, der einen köstlichen Schmuck in den Rinnstein taucht. Zulegt stellt sich Ekel und Krankheit ein. Während Lafontaine bis zum letzten Tage seines Lebens für Liebe und Glück empfänglich bleibt, beschimpft jener im Alter von dreißig Jahren das Geschlecht der Weiber in hämischer Gehässigkeit:

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Gibt schamlos preis den Leib im Hurenhaus,

Wählt Speis und Trank zum Reiz der Wolluft aus;
Sie gibt sich um so mehr der Trägheit hin,
Weil so sie reizt den buhlerischen Sinn.
Undankbar, falsch, die Bestie wird gezähmt,
Die Wasserflut viel leichter eingedämmt,
Als ihr rebell'scher Geist . . . . .

Sie kann nicht zähmen ihre wilden Triebe,
Maßlos im Haß, frech maßlos in der Liebe.
Sieht wie der Teufel aus, will ernst sie sein,
Wie eine tolle Dirn', ist höflich sie und fein.
Boshaft hegt sie nur Arg in ihrer Bruft,
Der Feilheit Lohn vergeudet sie in Lust.

Was für ein Bekenntniß ist ein solches Urtheil, was für ein Lebensabriß! Man erblickt den Lebemann am Ende seiner Bahn_ab= gestumpft, zu einem Skelett zusammengeschrumpft, von Geschwüren zer= fressen. Mitten unter seinen Reimen und gemeinen Satiren, der Erinnerung an mißglückte Pläne und schmußige Genüsse, die sich in seinem müden Gehirn wie in einer Cloake aufgehäuft haben, brennt und wühlt der furchtbare Gedanke an die ewige Verdammniß; er stirbt befehrt im Alter von dreiunddreißig Jahren.

Allen voran gibt der König von oben herab das Beispiel. Dieser „alte Bock", wie ihn die Höflinge nannten, hält sich für jovial, für

*) When she is young, she whores herself for sport;
And when she's old, she bawds for her support

She is a snare, a shamble and a stews;

Her meat and sauce she does for lechery chuse,
And does in laziness delight the more,

Because by that she is provoked to whore.
Ungrateful, treacherous, enviously inclined,

Wild beasts are tamed, floods easier far confined,
Than is her stubborn and rebellious mind . .
Her temper so extravagant we find,

She hates or is impertinently kind.

Would she be grave, she then looks like a devil,
And like a fool or whore, when she be civil..
Contentious, wicked, and not fit to trust,

And covetous to spend it on her lust.

...

elegant! Was für eine Jovialität, was für eine Eleganz! Französisches Wesen steht den Leuten jenseits des Canals nicht. Katholiken fallen in den beschränktesten Aberglauben, Epikuräer in die gemeinste Ausschweifung, Höflinge in die niedrigste Servilität, Sceptiker in den schamlosesten Atheismus. Der englische Hof verstand nur französische Möbel und Trachten nachzuahmen; die Regeln des feinen, äußeren Anstandes, den in Versailles der allgemeine gute Ton und Geschmack aufrecht erhielt, sind hier als unbequem bei Seite geworfen. Karl und sein Bruder ziehen in ihren Prunkgewändern mit großem Pomp wie zum Carneval umher. An dem Tage, wo die holländische Flotte die englischen Schiffe in der Themse verbrannte, soupirte der König bei der Herzogin von Monmouth und ergözte sich mit dem Haschen eines Nachtfalters. Während man im Staatsrathe die wichtigsten Angelegenheiten verhandelte, pflegte er mit seinem Hunde zu spielen. Rochester und Buckingham verhöhnten ihn mit beißenden Epigrammen und schamlosen, frechen Anspielungen; er gerieth in Zorn und ließ sie gewähren. Er zankte sich öffentlich mit seiner Maitresse; sie nannte ihn einen Einfaltspinsel, er schimpfte sie eine Vettel. Er pflegte des Morgens aus ihren Gemächern zu kommen, so daß sogar die Schildwachen davon sprachen. *) Er ließ sich von ihr vor aller Augen hinters Licht führen; einmal hatte sie noch zwei Schauspieler, von denen der eine ein Gaukler war. Nöthigenfalls diente sie ihm mit derben Grobheiten und Schimpfreden. Der König hat erklärt, daß er nicht der Vater des Kindes wäre, mit dem sie schwanger gehe; aber sie hat zu ihm gesagt: der Teufel soll mich holen, wenn 3hr es nicht anerkennt." Darauf erkannte er das Kind an und tröstete sich mit zwei Schauspielerinnen. Als seine neue Gemahlin, Catharina von Braganza, ankam, sperrte er sie von der Welt ab, schickte ihre Diener fort, behandelte sie grob und erniedrigte sie soweit, daß er ihr den freundschaftlichen Verkehr mit seiner Buhle aufzwang. Der gute Pepys, troy seiner loyalen Gesinnung, sagt endlich dazu: „Wenn man den König und den Herzog reden hört und ihre Art sich zu unterhalten beobachtet, — Gott möge es mir verzeihen obgleich

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*) Pepys' Diary.

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ich sie mit aller Unterthänigkeit und Unterwürfigkeit bewundre, aber jemehr man sie in der Nähe besieht und beobachtet, je weniger Unterschied findet man zwischen ihnen und den andern Sterblichen, obgleich sie beide - der Herr sei dafür gepriesen — Fürsten von großer Hoheit und edlem Charakter sind." Er hatte gesehen, wie einst bei einem Feste der König Mrs. Stewart in eine Fensternische führte *) und sie dort eine halbe Stunde lang vor den Augen aller mit feurigen Küssen bedeckte." Ein andermal theilte ihm Capitain Ferrers mit, daß „vor ungefähr einem Monate bei einem Hofballe eine Dame während des Tanzes ein Kind habe fallen lassen." Man trug es in einem Taschentuche hinweg; „der König behielt es ungefähr eine Woche in seinem Cabinet und jecirte es unter groben Späßen und Wigen." Diese gräßlichen Belustigungen und gemeinen Vorfälle widern uns an. Die Höflinge schwammen mit dem Strome. Miß Jennings, die spätere Herzogin von Tyrconnel, verkleidete sich eines Tages als Orangenverkäuferin und bot ihre Waare in den Straßen feil. Pepys erzählt von Fest= lichkeiten, bei denen die vornehmen Herren und Damen sich das Gesicht mit Talg und Ruß beschmierten „so daß die meisten von ihnen wie die Teufel aussahen." Es war Mode geworden zu fluchen, Scandalgeschichten zu erzählen, sich zu berauschen, loszuziehen gegen die Pfaffen und die heilige Schrift, zu spielen. Lady Castlemaine verlor in einer Nacht £ 25,000. Der blinde Herzog von St. Albans saß im Alter von achtzig Jahren im Spielsaale und hatte einen Diener neben sich, der ihm die Karten nannte. Sedley und Buckhurst liefen nach Mitternacht halb nackt in den Straßen umher. Ein andrer stellte sich am hellen Tage nackt ans Fenster und hielt eine Ansprache an das Volk. Grammont mag die Schwangerschaften der Ehrendamen und die unnatürlichen Laster für sich behalten. Man muß sie entweder aufdecken oder verhüllen, und ich habe nicht den Muth, sie nach seiner Manier nur leise anzudeuten. Ich schließe mit

*),Ich weiß nicht, woher es dieser alberne Crofts wußte, daß die Moscoviten lauter schöne Frauen, diese aber reizende Waden hätten. Der König behauptete, er habe noch nie schönere gesehen als die der Lady Stewart. Und diese hob sich bis über das Knie auf und ließ sie sehen, um die Richtigkeit seiner Behauptung zu beweisen." Grammont.

einem Citat aus Pepys, das als Maßstab und Beispiel dienen möge: „Harry Killigrew hat mir erklärt, was unter der neuerdings soviel genannten Gesellschaft der Baller zu verstehen sei. Sie besteht aus einigen jungen Tollköpfen, zu denen er selbst gehörte, und aus der Lady Bennet mit ihren Frauen; man gab sich dabei den erdenklichsten Unsittlichkeiten und Ausschweifungen hin, man tanzte dort vollständig nackt." Wunderbar und unbegreiflich ist es, daß dieser Fasching durchaus nicht heiter ist; man ist misanthropisch, grämlich, mürrisch, man citirt den düstern Hobbes; er ist ihr Meister und Lehrer. Und in der That ist es die Philosophie des Hobbes, die zur Vollendung dieses Sittengemäldes die letzten Farben bietet.

V.

Die mit solchen Sitten harmonirende Philosophie. Hobbes, sein Geist, sein Stil. Seine Einschränkungen.

sche Methode.

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Seine Entdeckungen.

Seine mathematiWorin er dem Descartes ähnelt. Seine Moral, Aesthetik, Politik, Logit, Psychologie, Metaphysik. Geist und Ziel seiner Philosophie..

Hobbes war einer jener mächtigen, klaren, bestimmten Geister, die man positive nennt und so häufig in England antrifft, von der Art eines Swift und Bentham, wuchtig und rücksichtslos wie eine Maschine von Stahl: daher eine Methode von überraschender Trockenheit und Kraft, ganz geeignet zum Aufbauen und Niederreißen; daher eine Philosophie, die durch die Kühnheit ihrer Säße auf eine der unzerstörbaren Seiten des Menschengeistes ein unvergängliches Licht geworfen hat. In jedem Object, jedem Vorgang gibt es etwas Ursprüngliches, Bleibendes, einen festen Kern, um den sich die mannigfaltigen Entwickelungen, die ihn zur Vollendung bringen, gruppirend anseßen. Der positive Geist stürzt sich unverzüglich auf diesen Kern, zertritt die üppig wuchernde Vegetation um ihn herum, rottet sie aus, vernichtet sie; dann concentrirt er auf ihn die volle Kraft seines wuchtigen Griffes, macht ihn los und frei, richtet ihn auf, bearbeitet ihn und stellt ihn an einen weithin sichtbaren Ort, von wo aus er nun für immer, für Alle wie ein Krystall leuchtet. Jeder Schmuck und jeder Affect ist von seinem Stile ausgeschlossen; da werden eine Menge Gründe und Thatsachen in einem kleinen Raum

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