Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

Bei ihm wahren die Könige nirgends ihre königliche Würde. Außerdem ist die Handlung bei ihnen stets barbarisch roh. Sie bringen Schlachten auf die Bühne; sie verlegen in einem Augenblick die Scene in eine Entfernung von zwanzig Jahren oder fünfhundert Meilen, und zwanzigmal hintereinander in einem Act; sie werfen drei oder vier verschiedene Handlungen durcheinander, besonders in den historischen Dramen. Aber am meisten fündigen sie im Stil.

,,Bei Shakespeare sind viele Worte und noch mehr Säße völlig unverständlich; und von denen, die wir verstehen, sind einige ungrammatisch, andere unfein; und sein ganzer Stil ift so sehr mit bildlichen Ausdrücken überladen, daß er ebenso affectirt als dunkel ist.“*)

Selbst Ben Jonson hat oft schlechte Constructionen, Wortschwall, Sprachwidrigkeiten.

„Die Kunft der richtigen Wortfolge im Interesse des Wohlklanges war unbekannt, bis Mr. Waller sie einführte.“**)

Endlich lassen sich alle zu Wortwigen, zu niedrigen, gemeinen Ausdrücken herab.

Zu ihrer Zeit gab es weniger Galanterie als in der unserigen . Außer der mangelhaften Bildung und Erziehung hatten sie nicht das Glück, die feine Conversation zu hören, die Vornehmen wollen jetzt mit ihren eigenen

Many of their plots were made up of some ridiculous or incoherent story, which in one play many times took up the business of an age. I suppose I need not name Pericles Prince of Tyre, nor the historical plays of Shakespeare; besides many of the rest, as the Winter's Tale, Love's Labour lost, Measure for Measure, which were either grounded on impossibilities, or at least so meanly written that the comedy neither caused our mirth nor the serious part our concernment.

I could easily demonstrate that our admired Fletcher neither understood correct plotting, nor what they call the decorum of the stage. The reader will see Philaster wounding his mistress, and afterwards his boy, to save himself. . . his shepherd falls twice into the former indecency of wounding women. (Defence of the Epilogue etc.)

*) Many of his words and more of his phrases are scarce intelligible; and of those which we understand, some are ungrammatical, others coarse; and his whole style is so pestered with figurative expressions, that it is affected as it is obscured. (Preface to Troilus and Cressida).

**) Well-placing of words for the sweetness of pronunciation was not known till Mr. Waller introduced it. (Defence of the Epilogue).

[merged small][merged small][ocr errors]

jesed

Thorheiten unterhalten sein; sie gestatten wohl, daß da Hinz und Kunz ihrem
Stande gemäß sprechen, aber ihre Bierkrüge und ihre Lumpen gefallen ihnen
nicht."*)

Für diese Leute muß man jezt schreiben, und besonders für die
Gebildesten; denn es ist nicht genügend, Geist und Geschmack für die
Tragödie zu besizen, um ein guter Kritiker zu sein; man braucht dazu
gründliche Kenntnisse und einen feinen Verstand, man muß Aristoteles,
Horaz, Longinus kennen und nach ihren Regeln urtheilen. Diese auf
Beobachtung und Logik basirenden Regeln verlangen, daß die Einheit
der Handlung gewahrt werde, daß diese Handlung einen Anfang, eine
Mitte und ein Ende habe, daß ihre Theile sich naturgemäß aus-
einander entwickeln, daß sie die Furcht und das Mitleid errege, um
uns zu belehren und zu läutern, daß die Charactere klar und conse-
quent und der Tradition wie dem Plane des Dichters gemäß durch=
geführt werden. **) _So_soll_nach Dryden die neue Tragödie be-
schaffen sein; man sieht, sie ist der französischen nahe verwandt, um-
somehr, da er Bossu und Rapin citirt, als ob sie seine Lehrmeister
wären.

Und gleichwohl ist sie sehr verschieden, und Dryden ***) zählt Alles auf, was ein englisches Publikum bei den Franzosen tadeln kann. Die Franzosen, sagt er, haben keine wahrhaft komischen Charaktere; kaum daß Corneille in seinem „Menteur" einen solchen geschaffen hat; alle ihre Rollen gleichen sich, es sind verblaßte Wesen, ohne alle unterscheidende Originalität. 'Le Menteur, obgleich gut des to

*) In the age wherein these poets lived there was less of gallantry than in ours... Besides the want of learning and education, they wanted the happiness of converse . . . If any ask me, wherein it is that our conversation is so much refined, I must ascribe it to the Court.

Gentlemen will now be entertained with the follies of each other, and though they allow Cob and Tib to speak properly, yet they are not much pleased with their tankard or with their rags. Preface to ,,All for Love."

[ocr errors]

**) They are likewise to be gathered from the several virtues, vices, or passions, and many other common-places which a poet must be supposed to have learned from natural philosophy, ethics and history: of all which whosoever is ignorant does not deserve the name of poet.

***) Essay on Dramatic Poesy.

[ocr errors][ocr errors][ocr errors]
[ocr errors]

überseßt und gut aufgeführt, erschien den Engländern platt und weit
unter den Charakteren eines Fletcher und Ben Jonson. Auch sind
ihre Verwickelungen zu dürftig, zu sehr auf eine einzige Handlung
beschränkt, ohne mit kleinen Nebenhandlungen verbunden zu sein. Sie
declamiren außerdem, anstatt zu handeln.

„Cinna“, „Pompée" sind keine Dramen, sondern lange Reden über die
Staatsraison, und „Polyeucte" ist in Sachen der Religion ebenso feierlich
wie ein lang gehaltener Orgelpunkt in einer Motette. Als das französische Theater
von dem Cardinal Nichelieu reformirt wurde, so wurden solche lange Neden ein-
geführt, um es der Würde eines Prälaten anzupassen . . . . ich läugne nicht, daß
dies dem französischen Charakter angemessen sei; wir, die wir mürrischer sind,
wir gehen in's Theater, um uns zu amüsiren; sie, bei ihrem leichten, luftigen
Temperamente, gehen hin, um sich ernster zu machen.“*)

concerns Was den Lärm und die Kämpfe anlangt, welche man in Frankbanished reich hinter die Bühne verweist, so liegt eine Art wilder Nauheit in

de without estreming

[ocr errors]

dem Charakter unserer Landsleute, die sie verlangt und nicht ent-nar.

behren kann." So haben die Franzosen durch allzu peinliche Beobach-
tung ihrer Einheiten und Regeln sich zwängende Fesseln angelegt, von

....

*) The beauties of the French poesy are the beauties of a statue, but not of a man, because not animated with the soul of poesy, which is imitation of humour and passions . . . He who will look upon their plays which have been written till these last ten years or thereabouts, will find it an hard matter to pick out two or three passable humours amongst them. Corneille himself, their arch-poet, what has he produced except the liar? And you know how it was cry'd up in France. But when it came upon the English stage, though well translated. . . . the most favourable to it would not put it in competition with many of Fletcher's or Ben Jonson's . . . Their verses are to me the coldest I have ever read. . . their speeches being so many declamations. When the French stage came to be reformed by cardinal Richelieu, those long harangues were introduced to comply with the dignity of a churchman. Look upon the Cinna and the Pompey. They are not so properly to be called plays as long discourses of reason of state; and Polyeucte, in matters of religion, is as solemn as the long stops upon our organs. Since that time it is grown into a custom, and their actors speak by the hour-glass, like our parsons I deny not this may suit well enough with the French; for as we, who are a more sullen people, come to be diverted at our plays, so they, who are of an aery and gay temper, come hither to make themselves more serious.

...

(Essay on Dramatic Poesy.)

ihrer Bühne die Handlung entfernt und sie zu einer unerträglichen A Monotonie und Trockenheit heruntergebracht.*)der.

Und ihre Sprach' ift kraftlos, allzu fein,

So zart und biegsam, gleich dem Gold, das rein;
Das spröde Englisch biegt so leicht sich nicht,

Hart durch die Mischung ist es männlich, schlicht. **)

Möge man Fletcher und Shakespeare verspotten, so viel man wolle, ihr Stil zeigt eine männlichere Phantasie und einen erhabeneren Geist, als irgend ein Franzose aufweisen kann.***)

[ocr errors]
[ocr errors]

Diese Kritik ist richtig, obgleich etwas übertrieben; aber eben weil sie richtig ist, so habe ich kein rechtes Zutrauen zu den Werken, die trust der Kritiker schaffen wird. Es ist für einen Künstler gefährlich, ein ausgezeichneter Theoretiker zu sein; der schaffende Geist harmonirt

*) In this nicety of manners does the excellency of French poesy consist. Their heroes are the most civil people breathing; but their good breeding seldom extends to a word of sense, all their wit is in their ceremony. They want the genius which animates our stage ... Thus their Hippolytus is so scrupulous in point of decency that he will rather expose himself to death than accuse his stepmother to his father; and my critics, I am sure, will commend him for it. But we of grosser apprehensions are apt to think that this excess of generosity is not practicable but with fools and madmen . . . Take Hippolytus out of his poetic fit, and I suppose he would think it a wiser part to set the saddle on the right horse and chose rather to live with the reputation of a plain-spoken honest man than to die with the infamy of an incestuous villain ... The poet has chosen to give him the turn of gallantry, sent him to travel from Athens to Paris, taught him to make love, and transformed the Hippolytus of Euripides into Monsieur Hippolyte (Preface von „All for Love“).

...

Diese Kritik zeigt in kurzen Umrissen all den gesunden Verstand und die Unbefangenheit Dryden's, aber zu gleicher Zeit all die Roheit seiner Erziehung und seiner Zeit.

**). . Contented to be thinly regular.

Their tongue enfeebled is refined too much,

And like pure gold, it bends to every touch.

Our sturdy Teuton yet will not obey,

More fit for manly thought and strengthen'd with allay.

(Epistle XIV.)

***) A more masculine fancy and greater spirit in the writing than there

is in any of the French.

[merged small][ocr errors][ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

nicht mit dem kritischen. Wer ruhig am Ufer sizend kritische Vergleiche anstellt, ist kaum befähigt, sich geraden Wegs und kühn in die stürmische See des dichterischen Schaffens zu stürzen. Außerdem hat Dryden zu sehr einen vermittelnden Charakter. Originelle Künstler lieben in unrichtiger Einseitigkeit eine bestimmte Idee und eine bestimmte Welt; alles Andere tritt vor ihren Augen zurück; auf ein Gebiet der Kunst beschränkt, negiren oder verspotten sie das andere. In der Beschränkung zeigt sich ihre Stärke. Man sieht im Voraus, daß Dryden, durch seinen englischen Geist auf die eine Seite gestellt, sich durch seine französischen Regeln auf die andere ziehen lassen wird, daß er bald kühn einen Schritt vorwärts thun, bald auf halbem Wege stehen bleiben wird, daß er, was seinen Werth_betrifft, an Mittelmäßigkeit, das heißt an Plattheit streifen, daß er, was seine Fehler anlangt, in Ungleichförmigkeit, das heißt in Geschmacklosigkeit verfallen wird. Jede künstlerische Originalität regulirt sich selbst; keine künstlerische Originalität kann durch eine andere regulirt werden; sie trägt in sich selbst ihr Gegengewicht und empfängt es nicht von außen; fie bildet ein unverletzliches Ganze: sie ist ein beseeltes Wesen, das von seinem eigenen Blute lebt, aber hinsiecht und stirbt, wenn man ihm einen Theil seines Blutes nimmt, um es, durch fremdes zu ers sezen. Die Phantasie eines Shakespeare läßt sich nicht leiten durch den Verstand eines Racine, und der Verstand eines Racine läßt sich nicht erregen durch die Phantasie eines Shakespeare; beide sind gut in sich selbst und schließen sich gegenseitig aus. Durch ihre Vermischung würde ein Bastard, ein Schwächling, ein Monstrum erzeugt. Verwirrung, leidenschaftlich ungestüme Handlung, Roheiten, Gräuel, Tiefe, Wahrheit, treue Nachahmung der Wirklichkeit, der ungezügelte Ausbruch toller Leidenschaften, alle diese charakteristischen Züge bei Shakespeare passen zu einander. Ordnung, Maß, Beredtsamkeit, aristokratische Feinheit, vornehme Eleganz, die vortrefflichste Schildernng der Tugend und des Zartgefühls, alle diese charakteristischen Züge bei Racine harmoniren zusammen; den einen abschwächen, den anderen entflammen wollen, hieße sie beide vernichten. Ihr ganzes Wesen un ihre ganze Schönheit besteht in der Harmonie ihrer Theile: diese Harmonie umstürzen, heißt ihr Wesen und ihre Schönheit aufheben.

[ocr errors]
[ocr errors]
« PreviousContinue »