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Netzhaut. Farbengränzen im Spectrum.

dauernd vorhandenen kleinen blinden Flecke, amaurotische Stellen der Netzhaut, welche obwohl unempfindlich für directe Gesichtseindrücke eben so wie der Mariotte'sche blinde Fleck nicht dunkel empfunden, sondern durch, wie Brewster es nennt, Irradiation von der Umgebung ausgefüllt werden. Uebrigens sah Brewster auch ein Mal vorübergehend schwarze Linien im Gesichtsfelde, wie er meint durch Druck von Blutgefässen bewirkt.

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Bei Versuchen zur Feststellung der plausibelsten Oerter des Ueberganges eines Haupt-Farben eindrucks in den andern im prismatischen und im Diffractionsspectrum gelangte Listing zum dem Ergebniss, dass die Reciproke der Schwingungsdauer, oder die Tonzahlen im akustischen Sinne, für die Farbenscala eine arithmetische Reihe bilden, so zwar, dass, während Roth in etwa 440 Bill. Schwingungen besteht, den darauf folgenden Hauptfarbeneindrücken eine um je etwa 48 Bill. grössere Zahl zukommt: es ist dies unter Hinzuziehung des Braun und des Lavendelblau eine Reihe von acht Farbeneindrücken, die der Verf. bezeichnet als: Braun, Roth, Orange, Gelb, Grün, Cyan, Indigo, Lavendel, in welcher die Endfarben, Braun und Lavendel, mit grosser Annäherung das Verhältniss der Octave bilden.

Zahlreichen Schätzungen nach stellt nämlich Listing für die diesen 8 Farbeneindrücken entsprechenden Oerter im Spectrum Folgendes fest: Braun: nahezu auf A. Roth: nahezu auf B. Orange nahezu mitten zwischen C und D. Die rothe Grenze von Orange und die grüne Grenze von Gelb liegen symmetrisch gegen C und E. Die hellste Stelle im Gelb fällt zwischen die Wellenlängen 555 und 560 (Milliontheilen des Millimeters). Die braune Grenze von Roth und die Lavendelgrenze von Violet liegen symmetrisch gegen a und H1. Grenze zwischen Cyan und Indigo nahezu mitten zwischen F und G. Die Lavendelgrenze von Violet zwischen H und H1. Aus diesen acht Ortsbestimmungen oder Bedingungen lassen sich acht Werthe für das Farbenintervall bestimmen, deren Mittel mit verhältnissmässig geringer Abweichung 48 Billionen 524000 Millionen Schwingungen für die Secunde beträgt.

In der durch gleiche Stufen fortschreitenden Tonreihe bilden die Frequenzzahlen eine in geometrischer Progression fortschreitende Reihe, in welcher nicht die Differenz constant ist, sondern das Verhältniss der Nachbarglieder. Die Discongruenz zwischen Ton- und Farbenscala drückt Listing kurz dahin aus, dass in der chromatischen gleichschwebenden Ton

leiter die Logarithmen der Töne, in der Farbenskala die Farben selbst arithmetisch fortschreiten.

Die Unterschiedsempfindlichkeit der Netzhaut für die verschiedenen Theile des Sonnenspectrums mass Mandelstamm, indem er mittelst der drehbaren Planplatten des Ophthalmometers die beiden Hälften des dadurch der Länge nach getheilten prismatischen Spectrums je für einzelne Abtheilungen so weit gegeneinander verschob, bis die Farben, in welchen die beiden Platten erschienen, zuerst deutlich verschieden erkannt wurden. Aus der Grösse der dazu erforderlichen Linearverschiebung, aus dem Abstande der betreffenden Fraunhofer'schen Linien und den Wellenlängen konnte dann annähernd für jede Spectral farbe der Bruchtheil der Wellenlänge berechnet werden, welcher zu dem gegebenen Farbenton hinzukommen muss, damit ein Wechsel desselben eben wahrgenommen wird. Ueber die Messung des Abstandes der Fraunhofer'schen Linien so wie über die Berechnung ist das Original nachzusehen.

Das Ergebniss der Versuche für das Auge des Verfs. war dies: Die Unterschiedsempfindlichkeit hat zwei Maxima im Spectrum im Gelb und Blau, zwischen beiden unter Einschluss des hellsten Theils des Spectrums sinkt sie bedeutend, und zu beiden Seiten fällt sie gleichfalls ab. (Für das Normalspectrum würden die beiden Maxima nahezu symmetrisch zu beiden Seiten des Helligkeitsmaximum liegen.) Die grösste Empfindlichkeit für den Farbentonwechsel herrschte im Gelb dicht an der Linie D, hier genügte ein Zuwachs der Wellenlänge von 0,00215; nächstdem wurden die kleinsten Unterschiede der Wellenlänge im Cyanblau empfunden an der Linie F und im Blaugrün zwischen b und F, 0,00244 und 0,0025; beim Indigo und beim Grün nahm die Unterschiedsempfindlichkeit ab (bei G 0,0037; bei E 0,00467, zwischen D und E 0,00488) und war am kleinsten im Roth, bei C musste die Differenz 0,0528 betragen (über Indigo hinaus konnten übrigens keine sichern Bestimmungen gemacht werden). Der Verf. bemerkt, dass grade diejenigen Theile des Spectrums die geringste Veränderlichkeit des Farbentons haben, welche je einer Grundfarbe am nächsten kommen.

Versuche von Rollett über die Intensität des von umliegender farbiger Fläche auf eingeschlossene farblose aber in der Helligkeit des weissen Lichtes variirende Fläche hervorgerufenen simultanen Contrastes ergaben, dass eine Reihe von mittleren Helligkeiten des farblosen Contrastfeldes dem chromatischen Effect des Contrastes am günstigsten ist. Ueber den Grenzfall

Contrast. Macula lutea. Santonrausch. Rothblindheit. 599

des dunklen Feldes in farbiger Umgebung und über die im Nachbilde solcher Combination auftretenden Complementärfarben vergl. d. Orig.

Als zugleich die Helligkeit der contrasterzeugenden Farben und die der Contrastfläche variabel gemacht wurden, zeigte sich, dass für die dunklere Farbe die Helligkeiten des Contrastfeldes geringer sein müssen zur Hervorrufung deutlicher chromatischer Abänderung, als für die hellere contrasterzeugende Farbe.

Bei Zumischung von viel Weiss zu der contrasterzeugenden Farbe ist im Allgemeinen die Contrastwirkung relativ stark, und es kann neben dem erzeugten Contrast der Eindruck der umgebenden weisslichen objectiven Farbe so sehr zurücktreten gegenüber der complementären Contrastfarbe, dass letztere wie auf weissem Grunde zu liegen scheint. Hinsichtlich der Ueberlegungen zur Erklärung der Erscheinungen des simultanen Contrastes muss auf d. Orig. verwiesen werden.

Rollett's Versuche über die Modificationen der Farbeneindrücke, welche je zwei nicht complementäre Farben bei simultanem Contrast durch gegenseitige Einwirkung hervorbringen, müssen im Orig. nachgesehen werden.

Die im Ber. 1865. p. 511 notirte mit Bezug auf die Wirkung des Pigments der Macula lutea gemachte Angabe von M. Schultze, dass unter dem Einfluss des Santonins auch eine geringe Verkürzung des rothen Endes des Spectrums stattfinde, fand Dor nicht bestätigt. Die Wirkung des Santonins beschränkt sich nach Dor's Wahrnehmungen darauf, dass allen Farben sich eine gewisse Quantität Gelb hinzufügt und ein Theil der blauen und violetten Strahlen absorbirt wird. Ein vor das Auge gehaltenes gelbes Glas erzeugte genau dieselbe Wirkung bis auf das Violetsehen auf beschatteten Theilen im Santonrausch; eine Andeutung dieser Complementärerregung (nach Schultze's Deutung) sah Dor, wenn das lange Zeit vor Weiss gehaltene gelbe Glas plötzlich entfernt wurde. Dass das Sehen durch Gelb durch Verminderung der chromatischen Aberration, wie Schultze meinte, grössere Schärfe der Bilder bedinge, fand Dor auch nicht bestätigt.

Was sodann die Rothblindheit betrifft, so ist die bei den Daltonisten vorhandene Chromatopseudopsie nach Beobachtungen des Verf. bei über 60 Daltonisten stets verschieden von der durch Santonin bewirkten. Ein normales Auge begeht nach Dor's Beobachtungen dieselben Farbenverwechselungen, wie die meisten Daltonisten, wenn ein grünes Glas vor das Auge gehalten wird, und zwar nur unter dieser Bedingung, und

wenn die Farbentäuschungen der Daltonisten sollten aus Färbungen im Auge erklärt werden, bemerkt Dor, so könnte nur etwa ein grünes Pigment an Stelle des gelben in der Macula lutea erwartet werden, ohne dass jedoch der Verf. sich solcher Erklärung der Rothblindheit zuneigen will.

Dass das Violetsehen auf beschatteten Theilen im Santonrausch eine Complementärerregung durch das Gelb veranlasst sei, bestreitet Hüfner, weil er, wie E. Rose, das Violet früher auftreten sah, als das Gelbsehen, als er nach Einführung des santonsauren Natrons das Auge beschattet hielt. Gegen die Annahme einer stärkern Gelbfärbung der Netzhaut im Santonrausch macht Hüfner die Beobachtung Schultze's in Betreff der Haidinger'schen Büschel (Ber. 1865. p. 511) geltend, die übrigens Schultze nach dem Santonrausch auftreten sah.

Hüfner erklärt sich die Erscheinungen im Santonrausch mit der Annahme, dass zuerst vorzugsweise die sog. Violetempfindenden Fasern (nach der Young-Helmholtz'schen Theorie) in vermehrte Erregbarkeit versetzt werden, dann allmählich erlahmen, so dass Blindheit für objectives Violet und Gelbsehen eintritt; das fortbestehende subjective Violetsehen möchte der Verf. als analog der mit grosser Erschöpfung verbundenen grossen Empfindlichkeit der Haut für leise Berührung bei Lähmung für starke Reize bei Analgesie nach Durchschneidung des Marks bis auf die Hinterstränge (Ber. 1858. p. 523, 1865. p. 435) ansehen. (?) Hüfner fand die Empfindlichkeit für Helligkeitsunterschiede im Santonrausch vermindert und bezieht dies auf Steigerung der Erregbarkeit aller Netzhautelemente, so dass die Erregungen ihrem Maximalwerthe näher gerückt

waren.

Hensen suchte seine im vorj. Bericht p. 444 notirte Ansicht von den lichtpercipirenden Elementen gegen die daselbst p. 445 angedeuteten Einwände Volkmann's zu schützen, indem er Beobachtungen an Systemen von Punkten und Sternhaufen dafür geltend macht, dass in der That das Gesichtsfeld des gelben Fleckes lückenhaft sei, die Erscheinung des vom Verf. sog. Punkttauchens, abwechselndes Verschwinden und Wiedererscheinen der Punkte eines Systems bei gehöriger Verkleinerung, bevor es dazu kommt, dass die Punktreihen zu Linien verschmelzen. Hierher rechnet Hensen auch die bekannte That

sache von der leichtern Auffindung lichtschwacher Sterne durch in gewissem Grade indirectes Sehen, das Verschwinden solcher Sterne bei directem Sehen. Bezüglich der bei diesen Beobachtungen in Betracht kommenden Ermüdung der Netzhaut vergl. Aubert im Ber. 1864. p. 525.

Elemente. Stäbchen und Zapfen.

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Was sodann die von Volkmann hervorgehobene nach Hensen's Theorie zu erwartende Verwirrung in der Wahrnehmung von Parallellinien betrifft, so macht Hensen in dieser Beziehung auch weitgehende Zugeständnisse und lässt die richtige Erkenntniss der Richtung der Linien mit Hülfe der Augenbewegungen zu Stande kommen. Hinsichtlich betreffender Versuche wird auf das Original verwiesen.

Den sog. Ritter'schen Axenfaden in den Stäbchen und Zapfen (s. oben p. 126) betrachtet Hensen zwar nicht für das Nervenende, aber für das Homologe der Riechhaare, der Stäbchen an den Corti'schen Zellen der Schnecke, der Härchen auf der Crista acustica der Ampullen und der Härchen in der Lagena der Vögel, sämmtlich als den Flimmerhaaren analoge Zellenfortsätze anzusehen und als „Sinnesfaden" zu bezeichnen. Dieser Sinnesfaden sei eingebettet in eine chemisch von ihm abweichende eigenthümliche Substanz, in welcher durch die Aetherschwingungen durch Zersetzung Stoffe erzeugt werden sollen, welche auf den oder die Sinnesfäden, Centralfäden angreifend und damit reizend wirken sollen.

Die neueren Untersuchungen M. Schultze's über den Bau der Stäbchen der Netzhaut, von denen oben im anatomischen Theil berichtet wurde, gaben demselben Veranlassung, unter Anschluss an die weiteren Ausführungen Zenker's seine im vorj. Ber. p. 446 notirte Ansicht über das Zustandekommen der Licht, der Farbenperception wieder wesentlich abzuändern. Für die Bedeutung der Aussenglieder der Stäbchen und Zapfen als reflectirende Apparate erkennt Schultze einen fernern Beweis in der Zusammensetzung derselben aus Plättchen (nach Schultze und Zenker, von Krause bestritten, s. oben p. 124 u. f.), sofern an jeder Grenzfläche dieser Plättchen wie in einem Satz von Glasplatten Reflexion stattfinden müsse. Dazu hebt Schultze auch die grosse Länge der Stäbchen-Aussenglieder, d. h. die grosse Zahl der reflectirenden Plättchen bei Nachtvögeln und die grosse Länge der Zapfen-Aussenglieder in der Fovea centralis beim Menschen hervor. Eine Abweichung der Richtung der Lichtstrahlen von der auf den Grenzflächen senkrechten Richtung im Interesse der Reflexion lässt Schultze durch Brechung in linsenförmigen Körpern im Innengliede hergestellt werden. Die Grundsubstanz sowohl der Innen- als Aussenglieder der Stäbchen und Zapfen, in welche die Plättchen der Aussenglieder eingelagert betrachtet werden, ist nach Schultze's Ansicht wahrscheinlich Nervensubstanz, und so lässt denn Schultze jetzt die Aussenglieder auch percipirende Elemente sein:,,die Bewegung des Lichtes in den complicirt geschichteten

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