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Veratrin. Convallamarin. Blausäure.

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mittlere Dosen des Giftes gleichzeitig starke Verlangsamung der Pulsfrequenz durch starke Reizung der Vagusursprünge, und bei Ausschliessung der Wirkung der depressorischen Fasern zeigte sich starke Erregung des vasomotorischen Centrums, starke Contraction der Gefässe und bedeutende Zunahme des arteriellen Blutdrucks.

Sehr grosse Dosen Veratrin lähmten schnell die Erregbarkeit von Herzganglien und Herzmuskel. Ueber die Wirkung des Veratrins auf das Froschherz vergl. den Ber. 1865. p. 476. Prévost fand diese Wirkung auf das Herz nicht gleichmässig bei verschiedenen Froscharten.

Guttmann und Prévost heben hervor, dass das Veratrin die Skeletmuskeln viel intensiver und schneller afficirt, als den Herzmuskel, und ein verhältnissmässig schwaches oder thatsächlich kein Herzgift sei. Vergl. hierüber auch v. Bezold und Hirt a. a. O. p. 155.

Ein dem Digitalin und den wirksamen Bestandtheilen anderer Apocyneen ähnlich sich verhaltendes Herzgift erkannte Marmé in dem Convallamarin (aus den Maiblumen); dasselbe bewirkte ohne Vermittlung der Vagi zuerst Verlangsamung, dann bedeutende Beschleunigung, endlich Lähmung, Stillstand der Herzbewegung. Während der anfänglichen Verlangsamung sank der Blutdruck nicht, nahm aber bedeutend zu während der Beschleunigung.

Bei Kaninchen oder Meerschweinchen stimmen die Erscheinungen der Blausäurevergiftung nach Preyer's Untersuchungen sehr überein mit den Erscheinungen bei Erstickung durch Wasserstoff, Stickstoff, Kohlensäure oder durch Trachealverschluss, nur dass der Verlauf viel schneller ist. Versuche, in denen bei den durch Curare bewegungslos gemachten Thieren künstliche Athmung unterhalten wurde, ergaben, dass die Blausäure in hinreichender Menge direct herzlähmend wirkt, und zwar durch Vagusreizung, da bei künstlicher Athmung und durchschnittenen Vagis die sonst eintretende bedeutende Verlangsamung und Stillstand des Herzschlages nicht erfolgten.

An diesem durch Vagusreizung bedingten Herzstillstande scheinen, nach des Verfs. Ansicht, die Frösche auch der Blausäure zu unterliegen, denn diese Thiere sterben mit Blausäure vergiftet nicht asphyktisch, ihr Blut ist nach dem Tode noch reich an Sauerstoff. Bei Säugethieren aber ist der Herzstillstand nicht die Todesursache, weil sie auch nach vorgängiger Vagusdurchschneidung an der Blausäure sterben, doch bedurfte es dann allerdings längerer oder intensiverer Einwirkung. Die Warmblüter sterben an der Lähmung der Respiration durch

Zeitschr. f. rat. Med. Dritte R. Bd. XXXII.

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die Blausäure. Ihr Blut war zwar ganz oder nahezu sauerstofffrei, aber dies beruhete nicht auf Entziehung des Sauerstoffs durch die Blausäure und auch nicht auf der Bildung von Cyanwasserstoffhämoglobin (s. oben), wie im Orig. p. 136. 137 erörtert wird, sondern wahrscheinlich auf einer directen lähmenden Wirkung der Blausäure als solcher auf das Athmungscentrum, und so gelang es denn dem Verf. auch, durch künstliche Respiration die mit Blausäure tödtlich vergifteten Thiere am Leben zu erhalten, sobald nur das Herz noch schlug bei Beginn der künstlichen Athmung, und nicht übermässig grosse Dosen angewendet waren, in welchem Falle die directe herzlähmende Wirkung sich geltend zu machen schien, während sonst bei den Warmblütern der Herzstillstand wahrscheinlich zunächst durch die Respirationslähmung bedingt ist.

Ueber die Blausäurewirkung im Vergleich zu der Wirkung des Schwefelwasserstoffs vergl. d. Orig. p. 140. 141.

Aus den Versuchen von Eulenburg und Guttmann ergiebt sich, dass das Bromkalium ein intensives herzlähmendes Gift ist (ausserdem auch die Centra der Bewegung und Empfindung im Hirn und Mark lähmt, nach Laborde nur die Reflexcentra im Mark, nach Hitzig die motorischen Theile des Rückenmarks und damit zugleich auch die Reflexthätigkeit), wie die Kalisalze überhaupt, und dass bei dieser Wirkung das Brom nicht wesentlich betheiligt ist. Hitzig hob gleichfalls die Herabsetzung der Herzthätigkeit hervor. Laborde dagegen hebt ausdrücklich hervor, dass das Bromkalium nicht nach Art anderer Muskel- oder Herzgifte wirke.

Bewegung des Darms und der Drüsenausführungsgänge.

Nach der Ansicht Moura's wird der eigentliche Schlingact durch die Einführung des Laryngoskops nicht wesentlich gestört. Derselbe findet bei laryngoskopischer Untersuchung, dass der Bissen sich auf der Epiglottis sammelt und über diese hinweg in den Pharynx gelangt, wobei die Basis der Zunge wie ein Stempel wirke, ausserdem auch der Luftdruck mitwirken soll, wie auch Guinier wollte (Ber. 1865. p. 483). Auch die Flüssigkeiten gelangen nach Moura mitten über die Epiglottis hinweg in den Pharynx, nicht an den Seiten derselben, wie der Verf. an den hinterbleibenden Spuren verschluckter Dinte erkannte. Die Lehre von der durch Zunge, Gaumensegel und Gaumenbögen gebildeten Enge, durch die der Bissen hindurchgedrückt werde, bestreitet Moura; das Gaumensegel ist während des Schlingens aufgerichtet und

Schlucken. Epiglottis.

drückt nach oben, so dass ein vollständiger Abschluss des Cavum pharyngonasale zu Stande kommt, und könne daher nicht auch auf den Bissen drücken, und ebenso wenig drücke der Bissen gegen das Gaumensegel. Beim Hunde ist der Verschluss des Cavum pharyngonasale nach Moura nicht so nothwendig, wie beim Menschen. Durch die Gaumenbögen soll den zu verschluckenden Massen nur die Richtung in der Axe angewiesen und bewahrt werden, vermöge deren sie auf die Epiglottis gelangen. Zum Verschluss der Stimmritze dient und ist nöthig nur das vordere, angewachsene Drittel der Epiglottis, und dieser Theil derselben allein muss nothwendig beim Menschen erhalten sein für ungestörtes Zustandekommen des Schlingactes; der freie Theil der Epiglottis kann verschiedene Gestaltung haben, und das bedingt unwesentliche Verschiedenheiten in der Art und Weise, wie die Speisen und Getränke in den Pharynx gelangen. Dass beim Hunde die Epiglottis abgetragen werden kann, ohne dass das Schlucken von Speisen und Flüssigkeiten gestört ist, fand Moura allerdings bestätigt, indessen dürfen die Verhältnisse beim Hunde eben nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen werden, weil nach dem Verf. beim Hunde auch ohne Kehldeckel der Kehlkopf verschlossen werden kann, beim Menschen aber nicht ohne dass untere Drittel der Epiglottis. Vergl. hierüber unten.

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Nach Wyllie kommt die Senkung der Epiglottis auf den Kehlkopf während des Schluckens in der Weise zu Stande, dass, während zugleich der Kehlkopf hinaufgezogen, die Zunge nach hinten bewegt wird, die vorher gespannten und die Epiglottis aufgezogen haltenden Ligg. glosso-epiglotticum und hyo-epiglottica abgespannt werden, und nun die nicht mehr aufgezogen gehaltene Epiglottis vermöge ihrer eigenen Schwere sich auf den Eingang des Kehlkopfs senkt, wobei dann die schwachen Muskeln auch zur Depression in Wirksamkeit treten können, welche W. für zu schwach hält, als dass dieselben ohne die anderweitig bedingte Abspannung jener Bänder den Kehldeckel herabziehen könnten.

In die äusserste Spannung gerathen jene Bänder dann, wenn beim Singen der höchsten Töne der Kehlkopf auch zwar in die Höhe steigt, aber zugleich das Zungenbein, im Gegensatz zu seiner Bewegung beim Schlucken, vorwärts gezogen wird: der Kehldeckel liegt dann, bemerkt Wyllie, mit seiner äussern Fläche gradezu der Zungenschleimhaut fest an vermöge der starken Spannung jener Bänder.

Nach den Beobachtungen, welche Schiff bei Hunden anstellte, die gefressen hatten, und denen nach Freilegung des Magens ein Brechmittel entweder vom Magen aus oder direct in's Blut einverleibt wurde, haben die Magenbewegungen höchstens einen sehr untergeordneten Einfluss auf die Entleerung des Mageninhalts beim Erbrechen, und sie haben durchaus keinen directen Antheil an Entwicklung der Kraft, mit der der Mageninhalt in den Oesophagus emporgetrieben wird: diese Kraft wird allein durch die Bauchpresse geliefert. Es können während der Wirkung des Brechmittels schon vorher bestehende Magenbewegungen verstärkt werden, aber dies findet dann schon vor dem eigentlichen Brechact statt, besteht auch zwischen je zwei Brechacten fort, und es konnte auch der Magen ganz unbewegt bleiben.

Wenn durch Freilegung des Magens die Wirkung der Bauchpresse neben dem Absteigen des Zwerchfells aufgehoben war, so kam es überhaupt nicht zum eigentlichem Brechact, nur Regurgitationen eines kleinen Theiles des Mageninhalts fanden statt, wenn nicht etwa das Thier bei den Vomituritionen viel Luft verschluckt hatte oder Luft in den Magen geblasen worden war und das Thier so gehalten wurde, dass die Cardia tiefer lag, als die grosse Curvatur des Magens. Stärkere Anfüllung des Magens mit Gas erleichtert den Brechact, die Spannung des Gases unterstützt die Wirkung der Bauchpresse, und es scheint das Erbrechen, je leerer der Magen ist, von um so mehr Schluckbewegungen, die Luft in den Magen bringen, begleitet zu sein. Bei Hunden mit Magenfisteln konnte das Erbrechen zuweilen dadurch verhindert werden, dass rechtzeitig Gas aus dem Magen durch die Fistel herausgelassen wurde.

Der Zustand des Pylorus ist nach Schiff's Wahrnehmungen nicht in maassgeblicher Weise bei dem Erbrechen betheiligt, bei Anfüllung des Magens mit breiigem Inhalt fand bald Uebertritt kleiner Mengen in das Duodenum, bald auch nicht statt, ohne dass dies einen Unterschied im Brechacte bedingte.

Schiff schliesst nun aber keineswegs, dass der Magen deshalb, weil er sich nicht bei Herstellung des beim Brechact wirksamen Druckes betheiligt, überhaupt unbetheiligt dabei sei, vielmehr erkannte der Verf. die Hauptbedingung zum Zustandekommen des Brechacts in einer activen Eröffnung der Cardia. Zur Beobachtung des Verhaltens der Cardia beim Brechact verzichtete S. auf die bei Fleichfressern ohne gewaltsame Verzerrung nicht mögliche Inspection, und benutzte die Palpation, indem er durch eine grössere Magenfistel den

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Finger in die Cardia einlegte; nach Wahrnehmung des normalen geschlossenen Verhaltens ergab sich unter der Wirkung des Brechmittels unmittelbar vor dem Sichtbarwerden der Contraction der Bauchmuskeln eine Eröffnung der Cardia, so dass der Finger ohne Widerstand in den untern Theil des Oesophagus vordringen konnte, was sonst nicht möglich war, indem die verschiedenen Partien von Ringmuskeln wechselsweise den Verschluss herstellten, so dass auch beim Schluckact immer nur successive und sehr rasch sich ein Theil des Verschlusses öffnete und dafür ein anderer Theil den Verschluss herstellte. Während die Wand des Cardiatheils des Oesophagus sich ganz von dem einliegenden Finger entfernte, fand der Brechact statt, und bei mehren Stössen der Brechbewegung blieb die Cardia während der ganzen Zeit geöffnet. Diese Eröffnung der Cardia unter der Wirkung des Brechreizes fand auch dann statt, wenn dem Mageninhalt Gelegenheit gegeben wurde, aus der Magenfistel neben der eingeführten Hand zu entweichen.

Diese Eröffnung der Cardia beruhet auf activer Muskelwirkung, auf Contraction der Längsmuskeln zum Beweise hierfür zerstört Schiff die Continuität dieser Muskeln etwas unterhalb der Cardia, ihren Ansatzpunkt gleichsam, ohne Zerstörung der Continuität der übrigen Membranen des Magens, durch Zerquetschen nach einem im Original p. 381 angegebenen Verfahren darauf erfolgten unter der Wirkung des Brechmittels zwar die Vomituritionen, die Wirkungen der Bauchpresse, die Zeichen der Uebligkeit, vergebliche, quälende Brechanstrengungen, aber zum Erbrechen kam es nicht mehr. Zu diesem Versuch werden kleinere Hunde empfohlen, weil es bei grossen Thieren nicht gelang, jene Zerquetschung der Längsmuskeln vollständig auszuführen. Wurde während der Vomituritionen Schlucken und dadurch Eröffnung der Cardia veranlasst, so erfolgte wohl rudimentäres Erbrechen (p. 385). Nach Maassgabe dieses Versuches erklärt Schiff, dass Magendie auf Wegnahme des ganzen Magens, sammt der Cardia, und Ersetzung desselben durch eine Blase noch Erbrechen eintreten sah, während nach Schiff's Mittheilung schon Tantini bemerkte, dass Magendie's Versuch nur gelinge, wenn mit dem Magen auch der Cardiatheil entfernt sei, nicht aber bei Erhaltung der Cardia.

Dass die zum Erbrechen nothwendige Eröffnung der Cardia nicht auf Nachlass der Thätigkeit der Ringmuskeln beruhet, beweist Schiff dadurch, dass er durch jenes Zerquetschen unterhalb der Cardia diese selbst, so wie die zu ihr gehenden

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