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Veränderungen, welche die Blutkörperchen (der Katze) erfahren, wenn sie frisch mit Humor aqueus zwischen zwei Glasplatten eingeschlossen werden, benützt Böttcher als neue Beweise (vgl. den vorj. Bericht) für die Anwesenheit eines Kerns. Die Mehrzahl der Blutkörperchen nimmt unter diesen Bedingungen alsbald Maulbeerform an. Ist die Zahl der eingekitteten Körperchen gering, so findet man sie nach 20 bis 24 Stunden sämmtlich entfärbt, ohne Veränderung der Form, nur unbedeutend verkleinert. Der farblose Rest stellt eine ganz homogene und, wie aus der stark glänzenden Beschaffenheit zu schliessen, dichte, compacte Masse dar, die mit den Fortsätzen beim Lüften des Deckglases leicht in tafel- oder nadelförmige Krystalle übergeht. Daraus zieht der Verfasser den Schluss, dass eine Hülle an den entfärbten Blutkörperchen nicht existire und der Farbstoff nicht in Maschen derselben eingelagert gewesen sein könne, sondern in dünner Schichte die Oberfläche überzogen haben müsse. Ist die Menge der in Humor aqueus eingeschlossenen Blutkörperchen grösser, so dauert die Entfärbung länger und man hat Gelegenheit, ein verschiedenes Verhalten während des Verlustes des Farbstoffs zu beobachten. Nur ein Theil behält die Maulbeerform, andere gehen in homogene, glänzende Kugeln über und ein dritter Theil scheidet sich in zwei Theile. Entweder zerfällt die farblose Substanz (das veränderte Protoplasma) in feine, matte Körnchen, die einen centralen Kern umlagern oder dieser Kern wird dadurch frei, dass die ihn umgebende Masse an Einer Stelle seiner Peripherie sich zu einem verschieden gestalteten, glänzenden Klumpen zusammenzieht. Das, was der Verfasser als Kern deutet, erscheint bei sehr starker Vergrösserung fein granulirt; nur darin glaubt B. seine frühere Beschreibung berichtigen zu müssen; mir machen die von Böttcher abgebildeten Körperchen den Eindruck von Bläschen, an welchen ringsum oder einseitig ausgetretener, körnig geronnener Inhalt haftet. Böttcher's Deutungen entgegen beharrt auch Kölliker bei der Ansicht, dass das, was nach der Entfärbung der Säugethierblutkörperchen zurückbleibt, in der Regel die Hülle ist.

Die Contractilität als allgemeine Lebenseigenschaft der organischen Zellen steht für Friedreich schon so fest, dass ihm die auch von den neuesten Forschern bezeugte Unbeweglichkeit der farbigen Blutkörperchen als eine Anomalie und die Stellung dieser Körperchen als eine exceptionelle erscheint, aus welcher er sie durch einige in pathologischen Fällen gemachte Beobachtungen zu befreien hofft. Unter den einem

eiweisshaltigen Harn entnommenen Blutkörperchen fanden sich gestreckte, mehr oder weniger tief eingeschnürte, mit warzenartigen Fortsätzen versehene Formen, andere, welche nach ihrer geringen Grösse zu schliessen, schon aus einer vielleicht wiederholten Theilung hervorgegangen zu sein schienen. Unter den Augen des Beobachters erfolgte die Abschnürung in der Weise, dass die Eine Hälfte sich von der andern mehr und mehr entfernte und zwischen beiden eine schmale Brücke sich dehnte, die sich dann von der Einen Hälfte löste und von der anderen eingezogen wurde. Ebenso liess sich ein amöbenartiges Aussenden und Wiedereinziehen von kurzen, stumpfen Fortsätzen und in Verbindung damit ein träges, langsames Fortkriechen des ganzen Körperchens wahrnehmen. Letzteres namentlich scheint dem Verfasser imponirt zu haben; denn unter den Form veränderungen kam keine vor, die nicht bereits als Resultat der Einwirkung verschiedenartiger Reagentien bekannt wäre, und die Art, wie die eingeschnürten Körperchen in zwei zerfielen, hat keine Aehnlichkeit mit den bekannten, der Vermehrung dienenden Theilungsprocessen der Zellen. Was aber die Ortsveränderungen der Körperchen betrifft, so geht aus Friedreich's Mittheilungen nicht hervor, ob er sich gegen eine naheliegende Quelle der Täuschung geschützt habe. Die Untersuchungen wurden im August vorgenommen an eiweisshaltigem, also zur Fäulniss sehr geneigtem Urin, der einige Zeit gestanden hatte, und wenn berichtet wird, dass die Lebenserscheinungen 14 Stunden nach der Entleerung noch im Gange und bei einer andern Probe Eine Stunde nach der Entleerung schon nicht vorhanden waren, so fragt es sich, ob die gesperrten Partikeln nicht besser zu vertauschen wären, d. h. ob der Verfasser mit hinreichend starken Vergrösserungen gearbeitet habe, um sicher zu sein, dass die Bewegungen der Blutkörperchen nicht passiver Art, das Werk der in der Flüssigkeit entwickelten Infusorien gewesen seien. In diesem Verdacht bestärkt mich, dass Ortsveränderungen sich nicht wahrnehmen liessen in dem frisch aus den Gefässen mittelst eines Schröpfkopfs entnommenen Blut eines andern Kranken, dessen Körperchen übrigens ähnliche Veränderungen der Gestalt zeigten, Einschnürungen, Fortsätze und die manchfaltigsten Verzerrungen der Form. Der Verfasser betrachtet auch diese als Wirkungen lebendiger Contraction; ein Gegenversuch, wie Blutkörperchen sich im luftverdünnten, mit Wasserdampf erfüllten Raume verhalten, wäre, um diese Deutung zu sichern, wohl am Platze gewesen. Aus einigen flüchtigen Angaben, welche Davy darüber mittheilt, ergiebt sich nur so

viel, dass die Blutkörperchen unter der Luftpumpe ähnliche Veränderungen erleiden, wie durch Wasser.

Robin hebt eine Verschiedenheit der farbigen Körperchen des arteriellen und venösen Bluts hervor. Die ersteren seien resistenter und elastischer, sie nähmen, wenn sie sich irgend einem Hinderniss accommodirt haben, rascher die ursprüngliche Form wieder an. Venöse Blutkörperchen werden, wenn sie in Berührung mit einander gerathen, leichter polyedrisch und sind schwerer durch den Blutstrom wieder zu trennen. Die Erweichung, in deren Folge sie sich wie Tropfen zäher Flüssigkeit verhalten, nehme mit dem Abschluss von der atmosphärischen Luft zu.

Metschnikow sah an den Blutkörperchen des Hühnerembryo vom dritten Tage der Bebrüitung an amöboide Bewegungen, die aber am 6. Tage, nachdem die Körperchen ihre definitive, elliptische Form angenommen hatten, erloschen. Von Anfang an war das Kernkörperchen dem Protoplasma der Zellen an Farbe und Lichtbrechung ähnlich; mit dem 6. Tage beginnt die Vergrösserung desselben, bis es endlich, am 10. Tage, den Kern ganz erfüllt und dessen Stelle einnimmt.

Beschreibungen und Abbildungen der Blutkörperchen aus verschiedenen Stadien der embryonalen Entwicklung liefert Bruch. Er fand einfache und doppelte, wahrscheinlich in Theilung begriffene Kerne, aber keine auffällige Zellentheilung.

Schklarewsky's Beiträge stellen eine weitere Ausführung der Recklinghausen'schen Versuche über Blutkörperchenzüchtung in Aussicht, worüber ich das Referat verspare, bis die in ihren Resultaten vorläufig mitgetheilten Beobachtungen ausführlich vorliegen werden.

Eine Bemerkung in Kühne's Lehrbuch der physiolog. Chemie (p. 195), wonach Kamel und Sloth kernhaltige Blutkörperchen besitzen sollten, gab Rolleston Anlass, in Verbindung mit Moseley, das Blut des letztgenannten Thieres zu untersuchen. Sie überzeugten sich, dass die immense Mehrheit seiner farbigen Körperchen in dieser Beziehung von der bei den Säugethieren herrschenden Regel nicht abweicht; nur in einzelnen Körperchen nahmen sie einen oder mehrere rauhe, unregelmässig und excentrisch angeordnete Kerne wahr. Absolut kernlos zeigten sich die Blutkörperchen des Kamels, ebenso die farbigen Körperchen aus den Uterinvenen einer trächtigen Kuh, womit Rolleston die Beobachtung Nasse's widerlegt, dass das Blut schwangerer Frauen und trächtiger Thiere eine relativ bedeutende Anzahl kernhaltiger Körperchen enthalte. Wenn Rolleston dagegen im Blute eines Elephanten, 8 Tage

nach dem Tode des Thiers, zahlreiche farbige Körperchen mit Kernen gefunden zu haben behauptet, bei denen aber der Kern der farbige Factor, die Hülle farblos gewesen sei, so liegt hier kein Interferenzphänomen, wie Gulliver vermuthet, noch überhaupt eine Umwandlung farbiger Körperchen vor, sondern eine Verwechslung mit farblosen Körperchen, deren Kern sich bekanntlich bei beginnender Zersetzung des Bluts mit dem aus den farbigen Körperchen ausgezogenen Farbstoff zu imprägniren pflegt.

Die Art, wie aus den mit 2procentiger Borsäure (oder andern diluirten Salzlösungen) behandelten Blutkörperchen der Amphibien der Kern allmählich hervortritt, ohne einen sichtbaren Riss zu hinterlassen, hält Bruecke für unvereinbar mit den bisherigen Vorstellungen vom Bau dieser Körperchen. Auch bezweifelt er, dass der stark lichtbrechende Körper, der im Innern des aufgehellten Blutkörperchens sichtbar wird, identisch sei mit dem ursprünglich nur undeutlich begrenzten Kern. Er meint, die Umwandlung des Kerns lasse sich nur verstehen durch die Annahme, dass Fortsätze des Kerns, welche im frischen Blutkörperchen in kleinen Räumen der Hülle vertheilt seien, sich auf Einwirkung der Säure gegen den Kern zurückziehen. Unter der Voraussetzung, dass diese Zurückziehung Folge einer lebendigen Contraction sei, giebt er dem Kern sammt seinen ausgespannten oder eingezogenen Fortsätzen den Namen Zooid; das Gebilde aus welchem die Fortsätze und schliesslich das ganze Zooid sich herausarbeiten, soll Okoid heissen.

Mit demselben Rechte, meint Stricker, mit welchem Bruecke in seiner bekannten Schrift über die Elementarorganismen den Zellen eine Organisation zuschreibt, die man nicht sehen könne, müsse auch ihm die Annahme gestattet sein, dass die farblosen Blutkörperchen zweierlei lebende, d. h. contractile Substanzen enthalten, die man nicht von einander unterscheiden könne. Mit Hülfe dieser ungeheuerlichen Hypothese erklärt der Verf., warum die Körperchen das eine Mal kuglig und vergrössert, dass andere Mal contrahirt erscheinen: die Eine Substanz, welche nach Einwirkung von Wasser in überwiegende Action tritt, erigirt das Stroma, bringt dasselbe zur Kugelform und veranlasst es, Wasser aus der Umgebung einzusaugen oder zu trinken. Die andere Substanz, die durch Aufhebung des Drucks des Deckgläschens (wohl auch durch Salzlösungen) zur Thätigkeit angeregt wird, bewirkt die Verkleinerung des Zellkörpers. Selbst das Bersten der vollgetrunkenen Körperchen ist dem Verf. Folge eines Lebensacts;

die Gesetze der Diffusion gäben, nach seiner Meinung, keine Auskunft darüber, warum die Berstung oft erst eintritt, nachdem die Körperchen eine Viertelstunde und länger die Einwirkung des Wassers ertragen hätten, und dass von zwei nebeneinanderliegenden Zellen die eine platzt und die andere erschlafft, scheint ihm in keiner andern Weise begreiflich, als dass das Eine die ausserordentliche Anstrengung, zu welcher es durch den Reiz getrieben wird, überlebe, das andere nicht. Besonders lebhaft geberdeten sich die farblosen Körperchen aus dem Blute von Cholerakranken, namentlich während des Höhepunktes der Epidemie. Stricker sah sie während der Gerinnung des Fibrins sich durch das Filzwerk der Fibrinfäden hindurchwinden und bedenkt dabei nicht, dass die Ausscheidung des Fibrins mit beständigen Aenderungen der Dichtigkeit der Flüssigkeit und mit Strömungen in derselben verbunden sein muss. Auch fiel ihm die Resistenz dieser Körperchen gegen Wasser und die Energie der Molecularbewegung in den Körperchen nach Wasserzusatz auf.

2. Chylus und Lymphe.

E. Hering, Zur Lehre vom Leben der Blutzellen.
Wiener Sitzungsberichte.

Bruch, Entwicklung der Gewebe. p. 230. 238. 306.

A. d. 56. Bd. der

Von den im folgenden Abschnitt zu besprechenden Erfahrungen über den Austritt farbiger und namentlich farbloser Blutkörperchen durch die Gefäss wände nimmt Hering Anlass, zu untersuchen, ob nicht die Körperchen der Lymphe aus den Blutgefässen herrühren und so, durch eine Art Kreislauf, wieder zum Blute zurückkehren. Am Mesenterium des Froschs, dessen Blutgefässe von den Lymphgefässen umgeben sind, liess sich der Uebertritt farbloser Körperchen in die Lymphräume direct beobachten. Der Verf. meint, dass Aehnliches auch bei Säugethieren möglich sein müsse und dass die Lymphkörperchen, welche sich in den Lymphgefässen vor deren Durchgang durch Lymphdrüsen finden, zum Theil diesen Ursprung haben möchten. Für die höhern Thiere hat indess diese Vermuthung wenig Wahrscheinlichkeit. Der Verf. hat den Unterschied nicht erwogen, der zwischen den Lymphkörperchen und den farblosen Blutkörperchen besteht. Die letzteren gehören zum grössten Theil zu den cytoiden, d. h. sie haben einen Kern, der auf Zusatz von Essigsäure scheinbar in mehrere zerfällt, während der Kern der Lymphkörperchen in Essigsäure einfach bleibt.

Henle u. Meissner, Bericht 1867.

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