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von seiner eigenen Erfindung hinzufügte. Auch läßt fich jene Sage nicht wohl mit dem poetischen Cha rakter der treuen Schäferin (the faithful Sheperdefs), des einzigen Stücks, das, nach allen Nachs richten, von Fletcher allein ist, in Uebereinstimmung bringen; denn dieses Schäferspiel zeichnet sich unter den dramatischen Werken beider Freunde weder durch Kühnheit, noch durch Reichthum der Phantasie aus, und ist in keiner Hinsicht incorrecter, als die übris gen. Aus einer oft wiederhohlten Anekdote kann man schon ungefähr auf die Urt schließen, wie der Plan zu einem neuen Schauspiele von Beaumont und Flets cher gemeinschaftlich entworfen wurde. Denn man erzählt, daß, da beide Freunde eines Tages in einem Wirthshause über die Katastrophe eines ihrer Trauers spiele disputirt, einer von ihnen des Hochverraths angeklagt worden sey, weil er mehrere Male gesagt: "Er wolle den König umbringen." Wahrscheinlich arbeitete keiner von ihnen eine Scene aus, ehe sie die ganze Dekonomie des Stücks hinlänglich mit eins ander verabredet hatten; und da sie beide an Talent zur dramatischen Poesie einander beinahe gleich ges wesen zu seyn scheinen, und ohne hervorstechende Ori ginalität in demselben Geist und Style dichteten, so Fonnten auch die Zusäße und Verbesserungen, die der Eine, oder der Andere, zur Zufriedenheit Beir der, nachlieferte, leicht mit den übrigen verabredeten Partieen in ein Ganzes zusammenfließen. Wäre Einer von ihnen dem Andern an Genie, oder Cultur, sehr überlegen gewesen, so würde sich dem geübten Kritiker wenigstens eine Spur des Antheils verras then, den Jeder an ihren zahlreichen gemeinschaftlis chen Arbeiten gehabt; aber auch eine solche Spur ist noch nicht mit irgend einiger Zuverlässigkeit ents

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Decft

deckt worden. Fletcher überlebte seinen Freund zehn Jahre. Er starb im Jahre 1625.

Viels

Francis Beaumont, Sohn eines Richters (Judge of the common pleas), von einer angesehnen Familie in Leicestershire, war im Jahre 1585 gebos ren. Seine Talente müssen sich sehr früh entwickelt haben, da er auf der Universität zu Cambridge der vertraute Freund und kritische Rathgeber Fletcher's werden konnte, der doch zehn Jahr ålter war. leicht sind aber auch die Jahre seines Lebens und Todes nach unzuverlässigen Nachrichten von den Littes ratoren angegeben. Diesen Nachrichten zufolge ist er im Jahre 1615, also im dreißigsten seines Lebens, gestorben. Wie er es nun angefangen haben kann, in einer so kurzen Zeit (denn vor seinem zwanzigsten Jahre arbeitete er doch wohl schwerlich für das Theas ter) mit seinem Freunde Fletcher ein und funfzig Schauspiele zu liefern, die nebst einem zwei und funf, zigsten, das von ihm allein, und dem drei und funfs zigsten, das von Fletcher allein seyn soll, zehn große Detavbände füllen, ist schwer zu begreifen, selbst wenn wir annehmen, daß er weniger Antheil an diesen gemeinschaftlichen Arbeiten gehabt, als sein Freund; denn nach dieser Vorausseßung würde doch Fletcher binnen eben der Zeit das Uebrige zu Stande bringen und also beinahe noch schneller haben arbeis ten müssen, als der Spanier Lope de Vega, der bei dem Entwurfe und der Ausführung seiner dras matischen Werke keine Zeit verlor, mit einem Freuns de Verabredungen zu treffen. Fast kann man nicht umhin, zu vermuthen, daß mehrere Schauspiele, die diesen beiden Unzertrennlichen zugeschrieben wer den, von andern Verfassern sind; denn nur den

kleinsten Theil ihrer gemeinschaftlichen Werke haben fie selbst herausgegeben, uud nicht eher, als zwans zig Jahre nach Fletcher's Tode, hat der Schau: spieldichter Shirley die Sammlung veranstaltet, die außer den vorher gedruckten Stücken von Beaumont und Fletcher noch zwischen dreißig und vierzig enthält, die in den Repertorien der Theater den beiden Freuns den zugeschrieben wurden ").

Unter den ein und funfzig Schauspielen, die für die gemeinschaftlichen Werke Beaumont's und Fletcher's ausgegeben werden, ist keines, das von einer solchen Kraft und Fülle des Genies zeugte, wie die Meisterwerke Shakespear's. Uber aus den vorzüglicheren spricht doch ein wahrhaft dramatisches Genie. Ware Shakespear diesen beiden Dichtern nicht vorangegangen, so würden sie wahrscheinlich den Weg, auf dem sie zum Ziele gelangten, nicht gefunden haben. Aber weit entfernt von aller abs sichtlichen Nachahmung Shakespear's, folgten sie, wie ihr großer Vorgänger, ihrem eigenen Gefühle. Shakespear's dramatische Poesie war für diese beiden Dichter das Licht, das ihnen das Höchste in der Kunst entdeckte, und die Flamme, an welcher ihre Phans tasie sich erwärmte. Da sie Beide eine litterarische Erziehung erhalten hatten, so konnten sie leicht manchen Fehler vermeiden, dessen Shakespear sich schuldig ges macht. Durch die Vereinigung ihrer Einsichten ges

wannen

h) Daß keiner der drei fleißigen neueren Herausgeber der Werke Beaumont's und Fletcher's sich diese Zweifel vor. gelegt hat, befremdet nicht sehr, wenn man bedenkt, wie flüchtig mehrere, übrigens scharfsinnige Kritiker über die Jahrzahlen hinaussehen, die doch in der Littterårs gefchichte nicht seltener, als in der Staatengeschichte, entscheidende Argumente find.

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wannen ihre Arbeiten noch mehr an verständiger Ordnung. Selbst das Unregelmäßige in ihren Schaus spielen hat einen gewissen Anstrich von Regelmäßiga feit. Weil es ihnen ernstlich darum zu thun war, den Grundfäßen der Kritik Genüge zu leisten, ehrten sie das Gutachten Ben Jonson's, der zuerst ein kritisches Wort über englische Theaterstücke gespros chen hatte. Zu ihrem Glücke ließ die Kritik dies ses Mannes das Romantische in dem Geiste und. der Form der englischen Theaterstücke bestehen, wie es war. Sein Tadel Shakespear's betraf größe ten Theils nur Uebereilungen, denen durch gewöhne lichen Verstand nach den gemeinsten Regeln abges holfen werden konnte. Beaumont und Fletcher blies ben also auch in allen ihren dramatischen Arbeiten den Formen getreu, die sie auf dem englischen Theater eingeführt fanden; und auch der Geist ihrer Schau spiele ist im Ganzen nicht mehr und nicht weniger romantisch, als die Poesie ihres Zeitalters überhaupt. Um die aristotelischen Einheiten der Zeit und des Oris waren sie wenig bekümmert. Desto mehr ach; teten sie auf Einheit der Handlung und auf poetische Wahrheit in der Nachahmung der Natur. Ihr Gefühl selbst sagte ihnen, daß Wiß und Verstand den Mangel des Gefühls nicht ersetzen können. Ihre Manier hat nicht das Pikante, aber auch nicht das Harte, Trockene, und Studirte der Manier Ben Jonson's, dem es an nichts so sehr fehlt, als an Feins heit, Tiefe und Wärme des Gefühls. Selten vers fehlen sie das Interessante, das zwischen dem Ges meinen und dem Gesuchten liegt. So tief, wie Shakespear, dringen sie nicht in das Innere der menschlichen Seele ein; und die auffallenden Thore heiten des wirklichen Lebens mahlen sie nicht so kråfs Bouterwek's Gesch. d. schön, Redek, VII, B. * ́tig,

tig, wie Ben Jonson. Aber sie beschäftigen sich auch nicht, wie Ben Jonson, fast ausschließlich mic der schlechten, bösartigen, oder lächerlichen Seite der menschlichen Natur. Der Humanität Shakes spear's nåhern sich Beaumont und Fletcher nicht nur in der Zeichnung schöner weiblicher Charaktere; auch im Ganzen haben ihre Schauspiele nicht wenig Züge von jener moralischen Zartheit, die man an den Wer: ken Ben Jonson's überall vermißt. Um so mehr ist zu bedauern, daß solche Dichter sich von dem fals schen Theatertone hinreißen lassen konnten, den sor gleich nach Shakespear mehrere englische Schauspieldichter anstimmten. Das Unanständige und Fres che, dessen sich Shakespear geschämt hatte, sollte nicht nur die Kraft des Lustspiels verstärken; auch im Trauers spiele sollte es Eingang finden; und die rührende Dars stellung der weiblichen Sittsamkeit selbst sollte gehoben. werden durch die unverschleierte Natürlichkeit frecher Weiber aus den höheren und niederen Ständen. Diese immer wiederkehrende Beleidigung des sittlis chen Gefühls in den Schauspielen von Beaumont und Fletcher stört am empfindlichsten das edlere Jue teresse, das sie erregen. Unter den Vorzügen der dramatischen Poesie beider Freunde fällt dagegen keis ner mehr in das Auge, als das dramatische Leben ihrer Erfindungen, und die Sicherheit, Wahrheit und Leichtigkeit des Dialogs. Ihre Sprache ist weniger hinreißend, als die Sprache Shakespear's, aber auch nicht so überladen von Metaphern, und im Ganzen vortrefflich.

Den Trauerspielen Beaumont's und Flets. cher's fehlt es an tragischer Größe. Das höhere Pas thos gelang ihnen nicht. Sie mahlen mehr die Stärke der Leidenschaften, als den Menschen übers.

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haupt

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