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der Handschriften, von der andern durch die Kenntniß der Grammatik der alten Sprache noch gar vieles geschehen kann, um die Reimchronik ihrer rechten und ursprünglichen Gestalt näher zu bringen. Zugleich erfahren wir, daß Hr. R. eine Grammaire historique de la langue française ausgearbeitet hat, aus welź cher in diesen Observations einige Hauptregeln geborgt werden mußten. Schon diese geben den klarsten Beweis, daß auch bey der Bildung der romanischen Sprache von wilder Verwirrung, von roher Willkühr gar nicht die Rede seyn kann. Mit Einem Worte: es gibt ein Sprachgewissen, so wie es ein Pflichtgewissen gibt; beis de sind dem Menschen von der Natur eingepflanzt, und in ihrem innern Wesen ein tiefes Geheimniß; beide machen die Grundlage des gesellschaftlichen Verkehres unter den Menschen aus, in welchem und durch welches der Mensch Mensch ist; beide sind um so lebendiger und lauterer je näher der Mensch der Natur steht; beide werden durch spisfindiges Deuteln getrübt, das Sprachgewissen durch hochmüthige Grammatiker, das Pflichtgewissen durch casuistische Moralisten.

Das Supplément aux notes historiques, das den Observations des Hn. Raynouard beygehef= tet ist, bewährt den gelehrten Fleiß des Hn. Le Prevost, den wir bereits bey der Anzeige des Roman de Rou gerühmt haben. Da mittler Weile Hr. Archiv-Rath Perk Lanfrancs Gedicht über Wilhelm des Eroberers Zug nach England wieder aufgefunden hat, und Hr. Petrie in London dasselbe herausgeben wird, so ist hierz durch eine neue Quelle eröffnet, aus der sich Er läuterungen des Roman de Rou werden schöpfenLassen.

Gitting i f che

gelehrte Anzeigen

unter der Aufsicht

der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

8. Stück.

Den 15. Januar 18 3 1.

Marburg und Kassel.

Bey Joh. Christ. Krieger: Handbuch der spes ciellen Pathologie und Therapie zum Gebrauche bey seinen Vorlesungen von Dr. Johann Wil helm Heinrich Conradi, Königl. Großbriz tannisch-Hannoverschem Hofrathe, Profeffor der Medicin zu Göttingen, der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften daselbst und mehrerer gelehr ten Gesellschaften Mitgliede. Erster Band. Von den Fiebern, Entzündungen und Hautausschla gen. Bierte verbesserte Ausgabe, 1830. XII u. 634 S. in 8.

Ueber den Zweck, welchen der Verf. bey der Ausarbeitung dieses Handbuches hatte, über die darin befolgten Grundsäße und die Einrichtung desselben hat er sich schon in der Anzeige der dritten Ausgabe in diefen Blåttern (1826. St. 150. S. 1489 flg.) geäußert. Er zeigt daher die Erscheinung dieser neuen Ausgabe hier nur mit der Bemerkung an, daß er die in den vo rigen Ausgaben befolgte Ordnung und Eintheis

lung der Krankheiten in dieser im Ganzen beybehalten (worüber ihn das, was er in der Eins leitung über diese und andere Eintheilungen dießmahl noch umständlicher und mit Beyfügung. einer Uebersicht einer auf den Siß gegründeten Eintheilung der Krankheiten geäußert, hoffent lich rechtfertigen wird), daß aber übrigens das Werk auch in dieser Ausgabe wieder zahlreiche Zusäße und Verbesserungen erhalten hat. I. W. H. Conradi.

München, Stuttgart und Tübingen.

Bey Cotta, 1830: Heliand. poëma saxonicum seculi noni, accurate expressum ad exemplar monacense, insertis e Cottoniano londinensi supplementis nec non adjecta lectionum varietate nunc primum edidit J. Andreas Schmeller, bibliothecae regiae mo nacensis custos. Erste Lieferung. Tert. XII und 176 S. Quart.

Seit Glen, ein ausgewanderter Französischer Geistlicher, im J. 1794 zu Bamberg die zweyte Handschrift dieses wichtigen Sprachdenkmahls wieder aufgefunden, Reinwald eine Ausgabe desz felben angekündigt, und Scherer zu München, wohin der Coder unterdessen gelangt war, die nicht zu Stand gebrachte übernommen, doch lange Jahre zaubernd eben so wenig ausgeführt hatte; ist die Aufmerksamkeit aller, denen deutsche Phis lologie etwas galt, mit vollem Recht stets auf eine fo bedeutende und vielverheißende Quelle unserer ältesten Sprache gerichtet geblieben. Es håtte nichts bedurft als eines gar nicht kostspie ligen treuen Abdrucks des in ungemein leserli chen Zügen beschriebenen Pergaments, der auf der Stelle zu bewirken gewesen wäre; allein man

opferte das gewisse Verdienst einer solchen Be Fanntmachung dem zweydeutigen einer aufhals tenden Vergleichung mit der Londoner Handschrift, und einer damals sehr schwierigen und im besten Fall wenig werthen Uebersehung gänzlich auf. So ist es gekommen, daß in 36 Jahren zum Verdruß aller, welche dieses Werk brauchen woll ten und konnten, nichts als Bruchstücke daraus erschienen; und vor andern übel empfunden hat es Rec., daß er bey Erforschung und Aufstellung der altsächsischen Grammaticalien sparsame Aehren lesen mußte, wo er gern volle Garben geschnitten hätte. Es sollte allgemeine Sitte werden, daß jeder bedeutende Fund schnell aus den Handschriften abgedruckt und keine andere als solche Erläuterungen hinzugefügt würden, die fich dem Herausgeber alsogleich darbdten, wobey er sich dann den weiteren erschöpfenden Commentar vorbehalten könnte. Ohne Zweifel wür de man in unserm Fall durch alles was Reins wald und Scherer zur Aufhellung des Tertes hätten darbieten können, dennoch wenig befrie digt worden seyn; der letztere hat sich nie als einen Kenner der altdeutschen Sprache gezeigt, und möchte mit dem, was er von orientalischen Sprachen wußte, die altsächsischen Wörter mehr verdunkelt als aufgehellt haben. Wie weit Reinwalds Kräfte reichten sieht man aus seinem sehr mittelmäßigen Glossar zu Zahns Ulphilas. Rec. hält es für ein wahres Glück, daß, nach so. lanz ger Såumniß, die Herausgabe der alten Dichfung in Schmellers Hånde gerathen ist, welcher, sobald er der vorher allen andern unzugänglichen und verschlossenen Handschrift habhaft wurde, rustig und geschickt ans Werk gegangen ist und durch dessen rasche Vollbringung seinen schon in anderen trefflichen Arbeiten erwiesenen Beruf,

unsere altdeutsche Literatur wesentlich zu fördern, auf das bündigste bestätigt.

Den gesammten Zert erhalten wir also nunmehr Blatt für Blatt und Zeile für Zeile aus dem Münchner Coder sauber und sorgfältig ab gedruckt; in die Lücken, die sich auf den ersten Blick durch volle und regelmäßige Quadratekennbar machen, tritt der Londoner Tert ein. In der Regel herrscht der Münchner, und die Abweichung des Londoner ist in die Anmerkungen verwiesen. Die Verschiedenheiten beider Handschriften erscheinen bedeutend, zwar lange nicht in der Art, wie wir sie in Abschriften der, Gedichte des dreyzehnten Jahrhunderts antreffen, aber doch so, daß man sie oft keinen rohen Copisten zuschreiben darf, sondern eine gewisse freye Recitation anzunehmen befugt ist, wonach Abånderungen, die das Alliterationsgeseh nicht vers Testen, gleichgültig und zulässig waren. So hat die Münchner f. 73, 10 that thar an theru leian gilag, wo die Londoner seht: líoblic feldes fruht; auf ähnliche Weise 124, 8 jene: krist godes sunu that mag man antkennien wel, diese aber: waldandes suno crist alowaldo. th. m. m. a. w., dort ist K, hier ist WV Reimbuchstab. Beide Handschriften ergänzen sich gegenseitig an einzelnen Stellen, 3. B. 83, 19 war die Münchner lückenhaft, 73, 15 die Londoner. Beide stehen in den Buchstabverhältnissen, zumal der Vocale, hin und wieder beträchtlich von einander ab; zuweilen ist auch das Genus in der einen verschieden von dem der andern. Wenn uns beide zu Gebot ge= standen hätten, so würden wir wahrscheinlich der Londoner den Vorzug gegeben haben; sie scheint im Ganzen vollständiger, reiner und auch et was älter als die Münchner. Da aber der Herz

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