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für

Bibliothekswesen.

XII. Jahrgang.

11. Heft.

November 1895.

Die Katalogzettel für Sonderabdrücke und Ausschnitte.

Die an den preussischen Staatsbibliotheken gültige Instruktion für die Herstellung der Zettel des alphabetischen Katalogs enthält keine besonderen Bestimmungen für die Behandlung von Sonderabdrücken und Ausschnitten. Auf den ersten Blick scheint ein Bedürfnis für solche Regeln auch nicht vorhanden zu sein. Denn in den grossen öffentlichen Bibliotheken pflegen Vertreter der genannten Gattungen von Druckschriften das Bürgerrecht i. allg. nur dann zu erhalten, wenn sie mit einem ordentlichen Titelblatt, mindestens mit einem Umschlagtitel, versehen sind. Dann aber haben sie durchaus den Charakter selbständiger Schriften und unterliegen der Behandlung nach den gewöhnlichen Bestimmungen.

Man wird indessen gut thun, die Kriterien für das Vorhandensein eines Titelblattes bei Sonderabdrücken recht streng zu wählen. Kommen auch bei eigentlichen Büchern unzweifelhafte Titelblätter vor, die weder Ort noch Jahr, weder Verleger noch Drucker enthalten, so sollte man bei Sonderabdrücken ein Titelblatt nur dann als vollwertig anerkennen, wenn es ausser dem Titel der betr. Abhandlung mindestens Ort und Jahr oder Ort und Verleger (Drucker) in der gewöhnlichen Form aufweist. Die zahllosen titelartigen Vorsatzblätter und Umschläge aber, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, werden zwar als schätzbares Material für die Katalogisierung anzusehen sein, dürfen jedoch nicht dazu veranlassen, die Schrift als ein Buch im gewöhnlichen Sinne zu behandeln.

In der That ist es notwendig, für die Verzeichnung der Sonderabdrücke und Ausschnitte ohne Titelblatt, die sich in den Privatbibliotheken von Gelehrten und in den Büchersammlungen gelehrter Gesellschaften und Institute ausserordentlich zahlreich finden, besondere Vorschriften zu geben.

Recht deutlich sieht man das an den häufig vorkommenden Abdrücken aus den Comptes rendus der Pariser Académie des sciences. Man nehme etwa folgendes Beispiel:

Institut de France. Académie royale des sciences. Extrait des Comptes rendus des séances de l'Académie des Sciences, tome XX, séance du 9 juin 1845.

XII. II.

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Sur l'organisation des Lucines et des Corbeilles, par M. A. Valenciennes.

Am Ende steht: Imprimerie de Bachelier.

Hiesse es nicht mit Kanonen nach Spatzen schiessen, wenn man die Titelaufnahme folgendermassen machen wollte?

[Kopft.:] Institut de France. Acad. roy. d. sciences. Extr. d. Comptes rend. d. séances t. 20 ... 1845.

Sur l'organisation des Lucines et des Corbeilles, par M. A. Valenciennes.

[Paris:] (Impr. de Bachelier 1845.) (4 S.) 1 Bd. 4.

Zweifellos ein viel zu umständlicher Apparat! Geradezu abenteuerlich aber würde die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen auf den Fall sein, wo der Verfasser sich nicht am Kopf, sondern erst am Ende seines Aufsatzes nennt. Dann müsste konsequenter Weise der Titel als anonym behandelt und ein Rückweis von seinem alphabetischen Ordnungswort auf den Verfasser geschrieben werden. Natürlich wird das niemand thun, aber damit ist nur aufs neue bewiesen, dass die fraglichen Schriften eine Sonderstellung einnehmen und besonderer Behandlung bedürfen.

Sicherlich haben sich auch hier und da feste Regeln dafür herausgebildet, und es wäre sehr wünschenswert, darüber Mitteilungen zu erhalten. Inzwischen erlaube ich mir, ein Verfahren anzugeben, das sich bei der seit einigen Jahren im Gange befindlichen Verzeichnung der an den Berliner Universitäts - Instituten vorhandenen Bibliotheken recht gut bewährt.

Wir fingieren nämlich ein Titelblatt und denken uns darauf nur diejenigen Angaben gesetzt, die für eine deutliche und bestimmte Katalogisierung unumgänglich nötig sind. So weit diese Angaben aus der Vorlage selbst (einschliesslich ihres etwaigen Umschlages) entnommen werden, stehen sie nach der allgemeinen Regel in runden, anderweitige Zusätze in eckigen Klammern. Da wir ferner für die Reihenfolge der Angaben freie Hand haben, wird stets der Name des Verfassers voran, die Quelle des Abdrucks ans Ende gesetzt. Der Drucker fällt fort, die Unterscheidung zwischen Fraktur und Antiqua gleichfalls, Weglassungen werden nur dann durch drei Punkte bezeichnet, wenn sie den sachlichen Teil des Titels betreffen.')

Nach diesen Regeln gestaltet sich die Aufnahme des obigen Beispiels wie folgt: 2)

(Valenciennes, A.: Sur l'organisation des Lucines et des Corbeilles.) (4 S.) 1 Bd. 4.

(Aus: Comptes rend. de l'Acad. d. sciences [Paris], t. 20. 1845.)

1) Die letzte Bestimmung wäre auch für die allgemeine Instruktion sehr zweckmässig. Bei den Verlagsangaben ist sie längst stillschweigend in Kraft getreten.

2) Die hier hinzugefügte Seitenzählung bleibt infolge besonderer Bestimmung bei der Katalogisierung der Institutsbibliotheken weg.

Es braucht nicht im einzelnen hervorgehoben zu werden, wie sehr bei diesem vereinfachten Verfahren der Zettel an Übersichtlichkeit gewinnt, ohne dass irgend etwas Wesentliches fehlte, und wie erheblich dabei an Zeit gespart wird. Nur einige Bemerkungen seien gestattet.

Da der ganze Titel gleichsam aus dem Text der Vorlage ergänzt ist, steht er in runden Klammern. Das hat den Vorteil, dass die Zettel für Sonderabdrücke ohne Titelblatt sich dem Auge sofort anders darstellen, als die Aufnahmen regelrechter Bücher.

Die Quellenangabe bildet stets den Schluss des ganzen Zettels, eine Vorschrift, die wir auch bei Sonderabdrücken mit Titelblatt anwenden. Durch diese Loslösung von der eigentlichen Titelaufnahme wird einmal bewirkt, dass auch Sonderdrucke mit Titelblatt leichter als solche erkannt werden und ihre Quelle sogleich ins Auge fällt, dann aber auch eine freiere Form der Quellenangabe gerechtfertigt.

Zunächst scheint es nicht nötig, ja nicht einmal durchführbar, Sonderabdrücke und Ausschnitte (ohne Titelblatt) von einander zu unterscheiden. Nicht nötig denn der geringfügige Vorzug an typographischer Schönheit, den der Sonderdruck vor dem Ausschnitt zu haben pflegt, braucht auf dem Zettel nicht zum Ausdruck zu kommen; aber auch nicht durchführbar. Der Begriff des Ausschnitts ist nämlich im Grunde negativer Natur: Er besteht darin, dass aus einer Druckschrift eine Anzahl von Blättern unverändert, ohne jede Zuthat oder Weglassung, herausgenommen ist, während jede Veränderung bereits den Begriff des Sonderabdrucks verwirklicht. Ein sicheres positives, stets anwendbares Kennzeichen giebt es nicht, denn das einzige durchschlagende Verfahren, die Vorlage mit ihrer Quelle genau zu vergleichen, kann nicht ernstlich in Frage kommen. Ist freilich auf der Anfangsseite noch der Schluss einer vorhergehenden Abhandlung, oder auf der Schlussseite noch der Anfang einer folgenden erhalten, so ist der Ausschnitt leicht als solcher zu erkennen; wie andererseits z. B. der Beginn der Schrift auf der Rückseite eines Blattes die Entfernung des Schriftsatzes, also einen Sonderabdruck bezeugt. Aber eine ausgeschnittene Abhandlung kann ebensowohl am Anfang eines Blattes beginnen und am Ende eines Blattes schliessen, sie kann z. B. die ersten zwei Bogen eines Zeitschriftenbandes gerade gefüllt haben, so dass selbst die Seitenzählung mit 1 beginnt, während andererseits eine mitten herausgegriffene Seitenzählung durchaus nicht mit dem Vorliegen eines Separatabzuges unvereinbar ist, bei dem man sich nur die Änderung der Seitenzahlen gespart hat.

Dazu kommt noch der Gebrauch mancher Zeitschriften, ihren Mitarbeitern als Belege zwar Ausschnitte zu liefern, aber in einem Umschlage, der die Bezeichnung Separatabdruck trägt.

Angesichts dieser Schwierigkeiten ist es wohl besser, auf eine Unterscheidung ganz zu verzichten, die man nicht überall mit Sicherheit machen kann, und deren Nutzen verschwindend ist.

Was nun die Form der Quellenangabe betrifft, so ist es zweck

mässig

-

und das gilt auch für Sonderdrucke mit Titelblatt verschiedenartigen vorkommenden Wendungen wie:

die

Aus... besonders abgedruckt; Extrait de ...; Ex ... seorsim expressum u. s. w.

kurzweg durch das Wort Aus mit nachfolgendem Kolon zu ersetzen und den Titel der Quellenschrift im Nominativ anzuschliessen. Dieser Titel selbst ist ferner möglichst kurz und übersichtlich anzugeben. So wird man, wenn die Quelle eine Einzelschrift ist, den Namen des Verfassers voranstellen, bei Zeitschriften gangbare und verständliche Abkürzungen anwenden, die Ausführlichkeit des Citats unter Umständen einschränken (z. B. die Angabe des Heftes oder gar der Seitenzahlen fortlassen und sich mit der des Bandes begnügen) u. dgl. m.

Eine besonders starke Kürzung ist z. B. bei den Abdrücken aus den Wiener Sitzungsberichten am Platze. Die Formel:

(Aus dem XL. Bande, Seite 428, des Jahrgangs 1860 der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften besonders abgedruckt.)

schrumpft zusammen auf:

Aus: Sitzb. d. kais. Ak. d. Wiss., math.- natw. Cl., Bd. 40. 1860.

Wie man sieht, sind dabei die Weglassungen nicht durch Punkte gekennzeichnet und auch die Klammern nicht mit Anführungszeichen übernommen. Wir unterwerfen eben die Quellenangaben grundsätzlich derselben freien Behandlung, wie sie schon längst auf die Verlagsund Druckangaben angewendet wird. Insbesondere werden dabei Klammern nur bei Ergänzungen und dann nach der sonst gültigen allgemeinen Regel gesetzt, so dass also eine Quellenangabe, die auf dem Titelblatte steht, niemals in Klammern erscheint.

Noch einige Beispiele mögen das Verfahren veranschaulichen.
Angabe des Titelblatts:

Aus den naturwissenschaftlichen Abhandlungen, gesammelt und durch
Subscription hrsg. v. W. Haidinger. 1. Band. S. 159.

Fassung des Zettels:

Aus: Naturw. Abhandl. hrsg. v. Haidinger, Bd. 1.

S.-A. ohne Titelbl., am Kopf:

Académie royale de Belgique. (Extrait du tome XVIII, no 8, des Bulletins.)

Fassung des Zettels:

(Aus: Bulletins de l'Acad. roy. de Belgique, t. 18.)

Den behandelten Schriftenklassen nahe verwandt sind in sich abgeschlossene, aber vereinzelte Teile (Bände, Hefte, Nummern) von Zeitschriften oder Sammelwerken, die sich wegen ihres besonderen Inhalts oder wegen einer darin enthaltenen Abhandlung in einer Fachbibliothek vorfinden. Je nachdem dann ein Titelblatt 1) vorhanden ist,

1) Im engeren Sinne, nicht bloss ein Schmutz- oder Vorsatztitel.

auf dem die in Frage kommende Fachschrift verzeichnet ist, oder nicht, steht sie in Parallele zu den Sonderabdrücken mit oder ohne Titelblatt.

a. Im letzteren Falle wäre es natürlich verfehlt, die Vorlage unter den Titel des Quellenwerkes zu setzen, also etwa ein Heft einer Zeitschrift unter deren Titel. Vielmehr ist die fragliche Abhandlung das Wesentliche, es ist gleichsam ein Ausschnitt mit vielen überflüssig stehen gebliebenen Blättern und demnach auch als Ausschnitt (aus dem betr. Bande der Zeitschrift) aufzunehmen. Liegt aber ein ganzer Band vor, so ist bei der Quellenangabe am Schluss das „Aus:" fortzulassen und dafür die Seite hinzuzufügen, mit der die fragliche Abhandlung beginnt, also z. B.:

(Ztschr. f. Math. u. Physik, Jg. 25. 1880, S. 329.)

Füllt die Abhandlung den ganzen Band, so unterbleibt auch die Angabe der Seite.

Es läge vielleicht nahe, die Quellenangabe dem Falle dadurch anzupassen, dass „In:" statt „Aus:" gesetzt würde. Indessen mir scheint, diese Formel müsste (wie das Gleichheitszeichen) nur da angewendet werden, wo wirklich auf einen anderen Titel verwiesen wird, was hier ja gerade nicht geschieht.

Eher könnte es sich empfehlen, die vollständige Titelaufnahme des vorliegenden abgeschlossenen Teiles mit Ort und Jahr, Seitenund Tafelzählung, in kleiner Schrift an die Spitze des Zettels zu setzen, sodann den Vermerk [Enthält:] oder [Enthält u. a.:] und schliesslich als Hauptteil des Zettels den Titel der Abhandlung in runden Klammern folgen zu lassen, wobei der Name des Verfassers voranzustellen wäre. Doch ist das zuerst vorgeschlagene Verfahren kürzer.

b. Ist ein Titelblatt da, auf dem unsere Schrift verzeichnet ist, 80 muss eine vollständige Aufnahme stattfinden. Dabei ist es aber leitender Grundsatz, den speciellen Titel vor dem allgemeinen hervortreten zu lassen. Stehen beide auf demselben Blatte, so wird dies durch zweckmässige graphische Hervorhebung des Specialtitels bewirkt - ähnlich wie in dem unter a. zuletzt besprochenen Verfahren; ist aber für die in Betracht kommende Schrift ein besonderes Titelblatt vorhanden, so ist entgegen der sonst gültigen Regel dies als Haupttitel zu behandeln, der allgemeine Titel nur als [A. T.] am Ende anzuführen.

Als Beispiele mögen dienen:

[Umschlagt.:] Sammlung klinischer Vorträge ... hrsg. v. Richard Volkmann. Nr. 70.

Die erste Kindernahrung v. F. A. Kehrer. ... Leipzig: Breitkopf u. Härtel 1894. 1 Bd. 8.

Verhandlungen der Kais. Leopold.-Carolin. Akad. d. Naturforscher. Suppl. d. 14. Bandes enthaltend

Fossile Flora des Übergangsgebirges v. Dr. H. R. Goeppert. . Breslau u. Bonn 1852. 1 Bd. 4.

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